Reinheitsgebot

Reinheitsgebot

Das Blog zum Bier

Biere der Nachwuchsbrauer (1)

Wer an der Bushaltestelle “Campus Weihenstephan” im bayerischen Freising aussteigt, befindet sich mit einem Schlag unter auffällig gut gelaunten Studenten. Fröhlich zeigt eine Gruppe von ihnen den Weg zur Forschungsbrauerei oben auf dem Berg, von wo sie gerade kommt. “Geht’s zum Brauworkshop? Dann viel Vergnügen!”, wünscht uns einer. Die Straße überqueren wir mit einem Studenten, der mehrere Bierkästen auf einer Sackkarre jongliert, darin: Bügelflaschen mit abgestandenem Bier, das als Grundlage zu einer Versuchsreihe mit Hefekulturen dient. Auf dem Weg bergauf zur renommierten Studienfakultät Brau- und Getränketechnologie der Technischen Universität München erzählt er von seinem Werdegang: Lehre zum Brauer, aktuell Studium, Pläne als Weltreisender in Sachen Bier. “Deutsche Brauer sind gefragt”, sagt er.

###Die Forschungsbrauerei in Weihenstephan / Foto TUM

Über den Workshop in Weihenstephan, bei dem die anwesenden Dozenten und Experten einmütig ein klares Bekenntnis zum Reinheitsgebot ablegten, werden wir an anderer Stelle noch berichten. Überraschend fanden wir, dass die Studenten, die wir nach der Veranstaltung an der Theke beim Bier trafen, in einem durchaus kritischen Verhältnis zu vielen Bierreglementierungen stehen. Im Gespräch ergab sich, dass sie in Zukunft vor allem kreativ und außerhalb der großen Braukonzerne arbeiten möchten. Einige von ihnen stellen wir mit ihren Zukunftspläne in einer lockeren Serie vor.

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Bryan France, 33, aus Reno (Nevada)

###Bryan France (links) beim Austrebern am Läuterbottich / Foto privat

Warum ich Brauwesen studiere:

Bier hat mich seit meiner Kindheit fasziniert, vor allem wegen der endlosen Vielfalt, die erreicht werden kann. Mit 18 Jahren fing ich mit dem Hobbybrauen an und mit 20 war die Liebhaberei völlig außer Kontrolle. In meinem Schlafzimmer hatte ich zwei gewaltige Gefriertruhen (eine als temperaturregulierbarer Gärraum und die andere habe ich zu einer 6er-Zapfanlage umgebaut). Und das alles, bevor ich legal Bier trinken durfte. An Weihnachten 2007 bin ich von Amerika nach Deutschland ausgewandert. Freunde haben mir schon lange gesagt, dass ich Braumeister werden soll, aber bis vor 2 Jahren erschien mir die Idee lächerlich. Die endgültige (Schnaps-)Idee entstand während eines jährlichen 1. Mai-Ausflugs mit Freunden.

Ich habe mich gleich eine Woche später an der TUM-Weihenstephan beworben. Da ich schon einen Bachelor in Biologie hatte, wurde mir das Modulstudium empfohlen. Es eignet sich perfekt für Leute wie mich, die schon mal studiert oder einen Abschluss von der Uni haben und einen Übergang direkt ins Masterstudium suchen. Es war ganz neu und ich bin eines der ersten Versuchskaninchen – wobei: eine bessere Lösung hätte es nie geben können. Neben dem Studium habe ich neulich mit einem guten Freund eine Firma (“Yankee&Kraut”) gegründet. Wir brauen derzeit fremd, damit wir schon etwas auf den Markt bringen können, hoffen aber, unsere eigene Kleinbrauerei bis August direkt in der Innenstadt von Ingolstadt eröffnen zu können.

Das ist mein Traum: Tagsüber Bierbrauen, nachmittags, abends und an den Wochenenden Zeit mit meiner Frau, unserer Familie und Freunden verbringen. Gibt es etwas Besseres?

###Foto privat

Biere, die mich besonders faszinieren:

Viele Biere aus Belgien und den Vereinigten Staaten, aber auch das klassische Weißbier.

Dieses Bier muss noch erfunden werden:

Das darf ich nicht verraten, aber wir bei “Yankee&Kraut” arbeiten dran!

So geht es weiter mit dem Bier:

Ich finde die Lage in Deutschland im Moment sehr spannend und freue mich, dass die Menschen Spaß daran haben, etwas neues auszuprobieren. „Craftbeer“ ist zwar häufig zu lesen/hören, aber viele verstehen nicht, was es wirklich bedeutet. Meist bezeichnet es „handwerklich gebrautes Bier“ (oft in kleinen Mengen), das trifft es schon ein bisschen, ist aber leider auch fast komplett daneben.

„Craftbeer“ hat mehr mit Vielfalt und Experimentierfreude zu tun. Craftbeer schmeckt anders und es soll auch anders schmecken. Das Bierbrauen ist eine Kunst, und Bierbrauer, als Künstler, sind daher verantwortlich für Tradition, aber auch für Innovation und die Weiterentwicklung der Kunst. Die Leute sollen etwas Neues probieren wollen, nicht nur weil sie es können, sondern weil es Freude ins Leben bringt.

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Sina Fürlauf, 23, geboren in Altötting

###Foto privat

Praktika:

in einer bayerischen Gasthausbrauerei, Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei

Warum ich Brauwesen studiere:

Mein Interesse an der Herstellung von Lebensmitteln und Getränken kommt von meinem familiären Hintergrund: Schon als Kind war ich viel in der Bäckerei und Konditorei meiner Großeltern. Auf der anderen Seite hat mein Vater ein Autohaus, welches direkt neben unserem Haus liegt, dort habe ich auch immer viel Zeit verbracht. Daher, denke ich, kommt mein technisches Interesse. Aufgrund meiner Leidenschaft für Getränke, und später dann natürlich auch für Bier, habe ich mich dann nach passenden Studiengängen umgeschaut. Ich habe mich für Brauwesen und Getränketechnologie entschieden, weil ich finde, dass der Studiengang eine gelungene Kombination des ursprünglichen Lebensmittelhandwerks mit Ingenieurwesen darstellt.

Schwerpunkte im Studium:

Im Rahmen des Praxissemesters habe ich mich mit einer Projektarbeit in der Industrie beschäftigt. Dafür habe ich Messreihen zur Untersuchung der Oberflächenspannung von Glas-Mehrweggebinden dokumentiert und ausgewertet. Genauer gesagt habe ich verschiedene Flaschentypen (NRW 0,5l, Steini 0,33l, Longneck 0,33l und 0,5l) im Hinblick  auf Tensidrückstände bei Einend-Flaschenwaschmaschinen verglichen. Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, ob Frischwassereinsparungen bei der Flaschenreinigung der kleineren Gebinde möglich wären.

Als Bachelorarbeit habe ich mich mit der Entwicklung eines Praktikumsversuchs an einem Kieselgur-Kerzenfilter im Pilotmaßstab auseinandergesetzt. Nach vorheriger Inbetriebnahme und Untersuchung sinnvoller Betriebsparameter habe ich einen auf die Anlage zugeschnittenen Versuch erstellt, welchen die Studierenden im Modul “Brautechnologie des Kaltbereichs” absolvieren müssen.

###Beim Maischen

Welche Biere, faszinieren Dich besonders?

Diese Frage finde ich schwierig zu beantworten. Dazu fallen mir zwei Punkte ein. Wenn man einen „Standard“- Bierstil (Pils, Weizen, Helles) trinkt, den ersten Schluck davon nimmt, eigentlich nicht viel davon erwartet und es dann so gut schmeckt, dass man es gar nicht glauben kann, wie gut dieses Bier ist, finde ich das faszinierend. Das ist Braukunst.

Ansonsten bin ich Fan von hopfigen Biere, die in Richtung (India) Pale Ale gehen. Dabei  interessieren mich aber eher die „mäßig“ gehopften (bis ca. 45 Bittereinheiten), die durch  ihr geiles Aromaprofil überzeugen. Faszinierend ist für mich dabei, dass man durch den Einsatz  verschiedenster Hopfen klar erkennbare Geschmäcker erzeugen kann. Vor allem fruchtige Biere find ich toll, die man auch schon gerne zum Sonntagsbrunch trinken würde.

Dieses Bier muss noch erfunden werden:

Bier ohne Kater oder ohne Kalorien.

So geht es weiter mit dem Bier….

Obwohl der Biermarkt rückläufig ist, finde ich es gut, dass durch die Craftbeer-Entwicklung, die nun auch in Deutschland angekommen ist, das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher steigt. Noch nie zuvor standen Ernährung, Qualität und Natürlichkeit von Lebensmitteln so im Fokus. Das macht sich meiner Meinung nach auch im Biersegment bemerkbar. Die Konsumenten erkennen den Wert von Bieren, die handwerklich gebraut werden und auch mal von den typischen deutschen Bierstilen abweichen. Bier wird mehr und mehr als hochwertiges Produkt gesehen und die Bereitschaft, einen höheren Preis zu zahlen, steigt.

Grade durch das 500-jährige Jubiläum wird nun auch das Reinheitsgebot verstärkt diskutiert, worin ich sowohl eine Chance als auch ein Risiko sehe. Eine Abschaffung des Reinheitsgebotes ginge auf Kosten des Alleinstellungsmerkmals von deutschem Bier. Ein Verbot von Bierstilen, die älter als das Pils sind, aber aufgrund der Ermangelung einer Kennzeichnung nicht hergestellt werden dürfen, ist Unsinn. In diesem Bereich wird auf alle Fälle noch etwas passieren…

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Donatus Duran Perez, 25, aus Heilbronn

###Foto privat

Praktika:

Bitburger, Best Malz, Eichbaum, Paulaner, Orval (Belgien), keine Lehre

Warum ich Brauwesen studiere:

Schon seit der 10. Klasse bin ich begeisterter, aber den eigenen Erzeugnissen kritisch gegenüber stehender Hobbybrauer. Damals hat Bier, das ich aufgrund seiner Menschen-verbindenden Eigenschaften bereits sehr schätzte, in mir erstmals eine richtige schulische Motivation geweckt, die über das Erreichen möglichst guter Noten hinausging. Um beim Brauen bessere und/oder überhaupt trinkbare Ergebnisse erzielen zu können, musste ich die in der Schule vermittelten Inhalte anwenden können – da ist mir das Lernen gleich leichter gefallen. Begeistert hat mich auch das Reinheitsgebot, das durch seine drei Zutaten zunächst Einfachheit suggeriert. Der Prozess dahinter ist aber durch das Ziel, möglichst viele Menschen zusammenzubringen, also möglichst viele Geschmäcker zu treffen, über Jahrhunderte optimiert worden und dadurch mittlerweile sehr komplex. Die anscheinende Einfachheit ist für mich auch ein Ausdruck von Bescheidenheit und der Kunst, aus wenig viel zu machen. Eine Einstellung, die mir an den deutschen Brauern gefällt und meiner Meinung nach einen zeitlosen Wert darstellt.

Um den Bezug zur Praxis nicht zu verlieren, habe ich mich für das Studium des Diplombraumeisters und zunächst gegen den Brauingenieur entschieden. Während der Praktika und der darauffolgenden Studienzeit wurde mir klar, dass für ein Bier, das am Ende den eigenen Vorstellungen entspricht, eine perfekt abgestimmte, zuverlässige Brauanlagentechnik notwendig ist. Deshalb brachte ich auch meine private Anlage immer weiter auf einen industriellen Standard. Dafür wurde das ingenieurwissenschaftliche Know-how zunehmend wichtiger und ich begann, parallel auch Vorlesungen aus dem Bachelor- und Masterstudium zu besuchen.

Schwerpunkte im Studium:

In einer Seminararbeit habe ich moderne Methoden zur Herstellung alkoholfreier Biere zusammengefasst. In meiner Bachelor- und Diplomarbeit beschäftige ich mich mit der Entwicklung einer einfachen Methode zur Vorhersagbarkeit der Filtrationseigenschaften von Bier. Der Ansporn dabei ist zum einen, mittelständischen Brauereien, die es immer schwerer haben, eine praktische Methode zur kostenoptimierten Planung ihrer Filtration zu geben und zum anderen, den Einsatz von Filterhilfsmitteln minimieren zu können und damit meinen Beitrag zu charakterstärkeren, aber trotzdem optisch ansprechenden Bieren zu leisten. Das Wichtigste an meiner Berufung ist mir eigentlich, dass die Menschen auch in Zukunft „mein Bier“, das deutsche Bier, mit der gleichen Freude und dem gleichen Vertrauen genießen können, wie ich das mache.

Welche Biere, faszinieren Dich besonders?

Fasziniert bin ich vor allem von der Vielfalt qualitativ hochwertiger Biere, die in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern nie wirklich verschwunden ist. Faszinieren können mich demnach fast alle Biere, wenn sie im richtigen Moment und passend zur Situation getrunken werden.

Dieses Bier muss noch erfunden werden:

###Im heimischen Braulabor / Foto privat

Es ist im Prinzip schon erfunden: Cerevisium – ein Bier, das ich in Zusammenarbeit mit Kommilitonen im Rahmen des IGL (Innovationswettbewerb für Getränke und Lebensmittel) entwickelt habe und das nach der traditionellen Methode zur Herstellung edler Schaumweine versektet wird. Es ist nicht das erste Bier, das versucht, sich der Vorteile eines Schaumweins zu bedienen, der zur Feier besonderer Momente dem klassischen Bier oftmals vorgezogen wird, allerdings ist es im Rahmen des deutschen Reinheitsgebots sicher eines der konsequentesten.

Es geht eben nicht nur um die Sektflasche und das Etikett, nicht nur um die Champagnerhefe, nicht nur einfach um etwas mehr Kohlensäure, sondern es erfordert einen genaueren Blick über den Tellerrand hinaus und zwar zu den Winzerkollegen. Die richtige Kombination aus Technologie, Technik, Sensorik und vor allem Zeit sind entscheidend für ein angemessenes Ergebnis. Gerade die mehrmonatige Produktions- und Reifezeit erfordert Vertrauen und Gelassenheit – Dinge, die in einer immer weiter vernetzten Gesellschaft zunehmend verdrängt und damit gleichzeitig wertvoller werden. Dafür möchten wir als Jungbrauer neuen Raum schaffen und dies mit unserem Bier als Botschafter auch vermitteln.

Trotzdem begrüße ich das gesteigerte Interesse an ausländischen Bierstilen, das bringt frische Impulse in den Biermarkt. Von Zutaten wie Hefe aus Bärten, Donuts, Nudeln oder sonstigen Sachen halte ich allerdings nichts. Das bringt unnötige Intransparenz. Davon abgesehen wäre eine besondere Regelung für manche kleinen Kreativbrauer sicherlich wünschenswert, sodass beispielsweise ein Porter mit Röstgerste als besonderes Bier mit „Ausnahmegenehmigung“ auch hier in Bayern gebraut werden darf, wie es in den meisten Bundesländern bereits möglich ist.

In Zukunft wird also das klassische Bier, gebraut nach dem Reinheitsgebot, weiterhin bestehen und die bestehende Vielfalt der Welt um ein paar wenige Sorten bereichert werden. Dauerhaft erfolgreich werden neue Biere nur sein, wenn sie es schaffen, viele Menschen in Situationen anzusprechen, in denen es für sie bislang nicht üblich war, Bier zu trinken.