Reinheitsgebot

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Das Blog zum Bier

Warsteiner holt Hilfe

Die Sauerländer waren einst die größte Brauerei Deutschlands. Inzwischen kämpfen sie gegen ein verstaubtes Image an. Die Unternehmensberater von Roland Berger sollen dem Familienunternehmen jetzt aus der Krise helfen.

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© WarsteinerMehr, immer mehr: Warsteiners übertriebene Wachstumserwartungen rächen sich heute

Deutschlands ehemals größte Brauerei holt sich Beistand von Unternehmensberatern. Das Warsteiner-Management hat Anfang der Woche die Mitarbeiter der Brauerei informiert, dass die Unternehmensberatung Roland Berger engagiert wird, um der Brauerei eine „Runderneuerung“ zu verpassen. Die Berater sollen ab Mitte September die Strukturen der Brauerei durchleuchten, bestätigte eine Sprecherin des Unternehmens dieser Zeitung. Warsteiner-Geschäftsführer Carsten Rockholtz kündigte an, man werde „alles auf den Prüfstand stellen“. Es würden deutliche Veränderungen herauskommen, der Absatz müsse angekurbelt werden, Kosten sollen gespart werden. Von „Verschlankung“ ist die Rede, aber „nicht mit dem Rasenmäher“, sagte er der lokalen Tageszeitung, dem Soester Anzeiger. Ziel des „Zukunftprogramms“ sei es, die Trendwende zu schaffen, damit die Brauerei irgendwann solide an die zehnte Generation weitergegeben werden könne.

Tatsächlich ist der alte Glanz der Traditionsbrauerei verblasst. Das Unternehmen versucht seit Jahren an alte Zeiten anzuknüpfen, doch der Erfolg blieb bislang aus. Jahr für Jahr geht der Bierausstoß zurück. Im vergangenen Jahr ging der Absatz um fast 4 Prozent zurück, im Jahr davor um mehr als 7 Prozent. Auch im aktuellen Jahr sieht es nicht gut: Im ersten Halbjahr lag der Absatz fast 5 Prozent unter dem Vorjahr. Martin Hötzel, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing, gab unumwunden zu: „Mit dieser Entwicklung können wir natürlich nicht zufrieden sein“.

 

Die besten Zeiten erlebte das Unternehmen in den 80er und 90er Jahren. Im Zenit lag der Bierausstoß der Brauerei-Gruppe damals bei fast 6 Millionen Hektolitern, heute sind es nur noch 4 Millionen. Zwar schrumpfte der gesamte Biermarkt in Deutschland, aber Warsteiner schrumpfte deutlich schneller.

© WarsteinerMit Gleisanschluss: die Brauerei in Warstein

Lange pflegte die Brauerei das hochwertige Image, man wollte immer „Premiumbier“ sein. Doch die Marke ist jungen Biertrinkern offensichtlich nicht hipp genug, sie greifen zunehmend zu anderen Fernsehbieren wie Krombacher und Veltins, oder gleich zu Szenemarken wie Augustiner und Tegernseer, die ganz ohne Werbung auskommen. Warsteiner habe Trends verschlafen, heißt es hinter vorgehaltener Hand in der Branche. So haben die Sauerländer erst spät auf die steigende Nachfrage nach alkoholfreien Bieren reagiert, und auch bei Mixgetränken waren sie zurückhaltend. Die Brauerei hat bis heute keine namhaften Bier-Spezialitäten im Angebot. Dabei gelten diese seit einiger Zeit als Hoffnungsträger in der Branche, weil Verbraucher bereit sind dafür mehr Geld auszugeben, während normale Pils-Kästen großteils nur noch über Rabattaktionen verkauft werden. Warsteiner hält auch an der Norm-Pfandflasche fest, während viele Wettbewerber aus Image-Gründen auf eigene Flaschenformen übergegangen sind. Das mag zwar gut für die Umwelt sein, im Verkauf tut sich Warsteiner damit aber schwer.

© WarsteinerJürgen Klopp läuft jetzt für Warsteiner auf

Das Management stemmt sich gegen die Krise, aber nicht immer mit glücklicher Hand. Manches kratzt an der Oberfläche. Das Logo wurde farblich leicht verändert, statt auf Gelb setzt die Brauerei jetzt auf Gold und Schwarz. Der früher in altdeutscher Schrift geschrieben Buchstabe „s“ wurde geändert, weil junge Biertrinker auf dem Etikett „Warf-teiner“ gelesen haben. Ein neuer Bierkasten soll den bisher gelben bis zur Fußball-WM 2018 ablösen. Im vergangenen Jahr verpflichtet die Brauerei den Fußball-Trainer Jürgen Klopp als Werbegesicht, er trommelt jetzt für das neue Alkoholfreie. Auch ein doppelt gehopftes herbes Bier hat Warsteiner auf den Markt gebracht. Zudem baute die Brauerei das Online-Angebot aus, in fünf Jahren sollen zehn Prozent der Bestellungen online abgewickelt werden. Schließlich wurde auch noch die firmeneigene Hotelkette verkauft.

 

Unternehmensinhaberin Catharina Cramer, die nach dem Tod ihres Vaters Albert Cramer im Jahr 2012 als erste Frau die Leitung der Brauerei übernahm, holte zudem Martin Hötzel in die Geschäftsführung. Er war vorher Chef von Red Bull Deutschland und arbeitete auch für Capri-Sonne, nun soll er das Image verjüngen. Im Herbst wird die Geschäftsführung abermals erweitert, eine Frau soll für den neu geschaffenen Bereich „Strategie und Unternehmensentwicklung“ zuständig sein. Ihren Namen will das Unternehmen noch nicht verraten.

© WarsteinerDie erste Frau an der Warsteiner-Spitze: Inhaberin Catharina Cramer

Schwerwiegendere Management-Fehler dürften weiter in der Vergangenheit zurückreichen. In den Glanzzeiten baute das Unternehmen Mitte der 90er Jahre die Brauerei im großen Stil aus. Moderne Brauanlagen mit einer Kapazität von rund 8 Millionen Hektolitern wurden gebaut – im Glauben, der Aufstieg der „Königin unter den Bieren“ gehe unaufhaltsam weiter. Später investierte die Brauerei in eine riesige Flaschen-Abfüllanlage, die theoretisch 55000 Flaschen in der Stunde abfüllen kann. Das entspricht 2750 Kisten. Auch einen eigenen Gleisanschluss mit Container-Verladebahnhof legte sich die Brauerei zu. Um die Kapazitäten wenigstens halbwegs auszulasten, musste Warsteiner die Preise senken. Das ging auf Kosten der Marge und kratzte auch am Image als „Premiummarke“. Um dennoch höhere Margen zu erzielen, erlag Warsteiner vor einigen Jahren auch noch der Verlockung, die Preise mit Wettbewerbern abzusprechen. Die illegalen Absprachen fielen den Kartellwächtern auf, Warsteiner und andere Brauereien wurden zu hohen Millionenstrafen verdonnert. Nur der weltgrößte Bierkonzern AB Inbev ging als Kronzeuge straffrei aus.

Nun sind harte Einschnitte in Warstein zu befürchten. Die Beschäftigten sind verunsichert, sollen aber mitziehen. Das Management betont, mit Hilfe der Berater werde man „ergebnisoffen“ die Lage analysieren. Erste Ergebnisse soll es noch in diesem Jahr geben. Insgesamt ist das Projekt auf zwei bis drei Jahre ausgelegt.