Reinheitsgebot

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Das Blog zum Bier

“Unser Malz wird für 40.000 Biere verwendet“

Der Trend zum Pils setzte der Bamberger Malzfabrik Weyermann einst mächtig zu. Die Rettung brachte eine Reise nach Amerika – und Rebellen, die auf deutsches Malz setzen.

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© UnternehmenSabine Weyermann mit ihrem Mann Thomas Kraus-Weyermann

Wenn Malz für dunkles Bier geröstet wird, muss es richtig heiß werden. Damit dabei nichts anbrennt, wird das Malz in großen Rösttrommeln ständig gewendet. Ein Mälzer kontrolliert über einen Monitor die Temperatur und die Dauer der Röstung. In der Bamberger Malzfabrik Weyermann geht es streckenweise ähnlich zu wie in einer Kaffeerösterei. Manche Sorten kommen nach fast drei Stunden ganz heiß und fast schwarz wie Kaffeebohnen aus der Trommel. Tatsächlich hängt an der Wand der Rösterei noch ein altes Werbeplakat für Malzkaffee.

© tineEine Rösttrommel in der Rösterei

Malz gilt als die Seele des Bieres. Es entscheidet über Geschmack und Farbe. Das Geschäft mit dem Mälzen galt dennoch lange als schwierig. Früher hatte jede Brauerei ihre eigene Mälzerei, doch diese Zeiten sind lange vorbei. Heute wird ein Teil des Malzes als Rohstoff über die Börse gehandelt. Der Preisdruck ist entsprechend groß. Besser lässt es sich in der Nische leben. Die Malzfabrik Weyermann hat das geschafft. Sie hat sich zum globalen Branchenführer für Spezialmalze hochgearbeitet. Rund 80 verschiedene Sorten werden heute in Bamberg produziert. „Unser Malz wird zum Brauen von rund 40000 Bieren rund um die Welt verwendet“, sagt Sabine Weyermann selbstbewusst. Je dunkler die Bierfarbe, desto wahrscheinlicher sei Weyermann-Malz drin.

Tatsächlich steckt Weyermann-Malz in etlichen Bieren, meist allerdings nur als kleine Beigabe zur Verfeinerung des Geschmacks. „Jedes Bier wird aus einer Komposition verschiedener Malze gebraut“, erklärt die Unternehmens-Chefin. Dabei wird zwischen Basismalzen und Spezialmalzen unterschieden. Basismalze machen den Hauptteil jeden Bieres aus. Als Spezialmalz gelten die Malzsorten, die den Basismalzen in relativ kleiner Dosis beigemischt werden, um dem Bier einen besonderen Charakter zu geben. Je nach Bierrezept liegt der Anteil der Spezialmalze zwischen 1 und 30 Prozent.

© tineÜber Monitore wird die Temperatur beim Rösten kontrolliert

Was aber geschieht überhaupt in einer Malzfabrik? Beim Mälzen wird Getreide zunächst in Wasser eingeweicht und zum Keimen gebracht, damit Enzyme die Stärke im Korn in Zucker verwandeln. Dieser Malzzucker wird später in der Brauerei in einem zweiten Schritt während der Gärung von Hefen in Alkohol verwandelt. Damit das Korn den Zucker beim Keimen nicht selbst schon verstoffwechselt, wird der Keimprozess genau in dem Moment jäh abgebrochen, wenn das Malz ein Maximum an Zucker enthält. Das ist nach etwa fünf Tagen der Fall. Das gerade gekeimte Getreide – das „Grünmalz“ – wird auf einer Darre getrocknet. Je heißer die Luft beim Darren, desto dunkler und karamelliger wird das Malz. So wird das helle Pilsner Malz bei rund 80 Grad Celsius gedarrt, das dunklere Münchner Malz bei 100 Grad. Beide Sorten gehören zu den Basismalzen. Die Spezialmalze von Weyermann werden oft noch bei viel höheren Temperaturen richtiggehend geröstet.

Die Malzfabrik Weyermann, gegründet 1879, hat in den vergangenen Jahrzehnten einen rasanten Wiederaufstieg erlebt. Sabine Weyermann hat das Unternehmen 1985 übernommen. Sie hatte damals gerade ihr Brau-Studium in Weihenstephan beendet, da starb plötzlich der Vater, und sie musste direkt nach dem Examen übernehmen. Die Situation war schwierig, der Siegeszug des hellen Pils-Bieres Mitte der achtziger Jahre hatte die Weyermann-Spezialmalze an den Rand gedrückt. Damals hatte das Unternehmen nur 20 Mitarbeiter, heute sind es 200.

© tineIn der hauseigenen Testbrauerei

Der große Aufschwung ist eng verbunden mit dem Aufkommen der Craft-Bier-Bewegung in Amerika. Die ersten Kontakte waren zaghaft. Als sie mit ihrem Mann in den achtziger Jahren zu einer Hochzeitsfeier in Dallas eingeladen war, nutzten die beiden die Gelegenheit für eine kleine Rundfahrt. In Texas wurde den beiden in einem Ort namens Fredericksburg eine Palette Bier gezeigt, von deren Geschmacksvielfalt die beiden Deutschen völlig überrascht waren. Es waren Biere aus Kleinstbrauereien, die damals als Gegenbewegung zu den großen industriellen Braukonzernen aufkamen. „Wir ahnten schnell“, sagt Sabine Weyermann heute, „das könnte interessant werden.“

© tineEin Sack Malz der Sorte “Carafa” – ein sehr dunkles Röstmalz

Mit ihrem Mann besuchte sie dann rasch eine Messe der aufstrebenden Craft-Bier-Bewegung in Boston. Als Werbegeschenke hatten sie Krawattennadeln mitgebracht, das kam in Deutschland auf Braumessen immer ganz gut an. Die jungen Brauer in Amerika aber tickten anders, sie waren tätowiert, hatten ihre Haare zum Zopf gebunden und kamen mit Rucksack zur Messe. Sabine Weyermann ließ sich nicht beirren. Ihre Malzfabrik hatte zwar schwere Zeiten hinter sich, aber sie hatte immer noch rund 40 bis 50 verschiedene Malzsorten im Angebot. „Das war mehr, als die Amerikaner kannten.“ In Deutschland war ihr Betrieb damals ziemlich veraltet, „Old school“ aber begeisterte die jungen Amerikaner. Weyermann verkaufte das Malz in Säcken, die jungen Bierrebellen waren angetan. „Damals war es für kleine Brauereien gar nicht so einfach, kleine Mengen Malz zu kaufen“, erklärt Sabine Weyermann: „Großbrauereien kaufen das Malz eher Containerweise.“

Heute genießt Weyermann in der Craft-Bier-Szene einen exzellenten Ruf. Das kleine Bamberger Unternehmen betreibt auf dem Fabrikgelände seit einigen Jahren sogar einen eigenen „Fan-Shop“, in dem Besucher allerhand Devotionalien mit dem Weyermann-Logo erwerben können. Die Chefin selbst ist der größte Fan: „Auf unser Logo bin ich stolz“, sagt sie. Tatsächlich prangt überall das gelb-rote Zeichen mit den verschlungenen Buchstaben M und W, das ein wenig an das Volkswagen-Logo erinnert, aber viel älter ist, worauf die Hausherrin großen Wert legt.

© UnternehmenDer Weyermann-Fanshop

Das Zusammentreffen des Traditionsbetriebs mit den amerikanischen Braurebellen war für beide Seiten ein Glücksfall. Was wäre aus Weyermann geworden ohne die Craft-Bier-Bewegung? „Das frage ich mich auch oft“, sagt Sabine Weyermann. Die Amerikaner haben Weyermann aus dem Dornröschenschlaf geweckt, und die Bamberger haben sich gerne wecken lassen: „Wir haben damals den Trend erkannt, dann aber auch wesentlich mitgeprägt.“ Die jungen Brauer wollten Neues ausprobieren, und Weyermann lieferte den Stoff auch für exotische Bierträume. An Begeisterung für Bier fehlte es nicht, manchmal aber an Fachkenntnissen.

© UnternehmenBereit zum Verladen: Säcke im neuen Logistikzentrum

Anders als in deutschen Traditionsbetrieben waren die jungen Brauer in Amerika nicht an Hochschulen zu Braumeistern ausgebildet worden. Kaum einer hat eine formale Ausbildung zum Brauer, viele hatten sich das Brauen selbst beigebracht und irgendwann ihr Hobby zum Beruf gemacht. Die Bamberger konnten den Jungbrauern mit dem Fachwissen einer mehr als 100 Jahre alten Familientradition helfen. „Wir sind wochenlang durch Amerika gefahren“, sagt Sabine Weyermann. So habe sich Vertrauen aufgebaut.

Heute exportiert Weyermann 90 Prozent seines Malzes ins Ausland. Seit einigen Jahren betreibt Weyermann auf dem Firmengelände eine kleine Testbrauerei. Dort werden regelmäßig neue Sude ausprobiert, die von Bierkennern oft hoch gelobt werden. Ein Teil des Bieres wird über den Fan-Shop nebenan verkauft, den Rest braucht das Unternehmen selbst. Nach alter Brautradition bekommt jeder Mitarbeiter noch einen Kasten Haustrunk im Monat.

 

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© UnternehmenEin Industriedenkmal: die Weyermann Malzfabrik in Bamberg

Das Unternehmen

Die Weyermann GmbH & Co. KG produziert Spezialmalze für Brauereien. Der Sitz des Unternehmens, ein Fabrikgebäude aus roten Backsteinen mit Türmchen und Zinnen am Bamberger Hauptbahnhof, ist vor Jahrzehnten zum Industriedenkmal erklärt worden. Der Branchenführer Weyermann hat heute rund 85 Malzsorten im Angebot. 90 Prozent werden exportiert. Vor allem die amerikanischen Craft-Brauer haben der Malzfabrik zuletzt einen großen Aufschwung beschert. Heute setzt das  Unternehmen rund 60 Millionen Euro im Jahr um.

Die Unternehmer

Sabine Weyermann, Jahrgang 1958, lernte ihren Mann Thomas Kraus-Weyermann während des Studiums in Weihenstephan („dem Oxford der Brauer“) kennen. Sie leiten das Familienunternehmen in vierter Generation, und mit Tochter Franziska arbeitet schon die nächste Generation im Unternehmen. Als Sabine Weyermann 1985 das Unternehmen übernahm, hatte die Malzfabrik 20 Mitarbeiter. Das junge Paar entdeckte die aufkommende Craft-Bier-Bewegung in Amerika, erkannte den Trend und prägte ihn mit. Heute hat Weyermann 200 Mitarbeiter.