Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Gemein: Bachelorette liebt Bachelor

Mein letztes Date verlief ungefähr so: Hallo, siehst toll aus, danke, schöne Bar, Musik zu laut, ich komm mal näher, trinkst du noch was, ökonomische Auswirkungen des Wasserkonflikts in Israel und Palästina, tanzen, schwarzfahren auf einer Hafenfähre, Debatte über Freeriding, Abschiedskuss an der S-Bahn.

Ich fand’s voll gut.

Ich spreche gern mit anderen Ökonomen. Ich spreche grundsätzlich auch mit anderen Menschen, klar. Aber stellen Sie sich doch mal bitte eine Diskussion über öffentliche Güter bei Sonnenaufgang mit Blick über den Hamburger Containerhafen vor… Hach. Und sowas geht halt nicht mit jedem.

An Leuten wie uns geht die Republik zugrunde. Wir blockieren die soziale Mobilität. Ich Masterabschluss, er Masterabschluss, wir sind viel zu gleich. Der moderne Mensch lebt „homogam“, sagt die Wissenschaft; die Bachelorette liebt den Bachelor.

Das ist eigentlich ziemlich egal, weil früher einfach weniger gebildete Frauen da waren. Es verleitet Kultursoziologen aber zu abstrusen Thesen:

Frauen können ihren Stand in der Gesellschaft heute kaum noch durch Heirat verbessern. Hat die Wissenschaft so festgestellt. Bleiben Uni-Absolventen also unter sich, dann verpassen sie die Chance, sehr nette Nicht-Studierte aus ihrem Elend zu erlösen. Soweit die These.

Es stimmt schon: Wir heiraten heute eher Menschen, die unser Bildungsniveau teilen. Schuld sind so komische Emanzen wie ich: Wir steigen durch Bildung selbst auf und heiraten gebildete Männer, die deshalb nicht mehr ihre Sekretärin heiraten können. Zumindest nicht jetzt, nach der Scheidung vielleicht.

Zur Erklärung gibt es verschiedene Theorien, die sich an Widerlichkeit zu übertreffen suchen. Es gibt die Darwin-Theorie – wir wollen unsere schlauen Gene weitergeben und das gern mit einem schlaugenigen Partner. Ohje. Oder Frauen fehlt das Selbstbewusstsein. Denn die Freundinnen würden ja über meinen Partner herziehen, wenn er kein Akademiker ist. Frauen sollen bei der Partnerwahl „nach unten schauen“, sagt der Kultursoziologe, als wären Akademiker irgendein komisches Kollektiv in den Wolken.

Ich hab meine Freundinnen gefragt, wie sie es fänden, wenn mein neuer Freund Tischler wäre: „Großartig“, „Schön, lass dir einen rustikalen Esstisch bauen.“ Und: „Wo gehobelt wird, fallen Späne“. Eine schickte eine Abhandlung darüber, dass sie vor ihren fünf Jahren Uni gern eine Lehre gemacht hätte und nun traurig ist. Aber: „Dann verdient wenigstens einer von euch Geld.“

Zu ablehnenden Reaktionen hätte ich ihnen auch wirklich nicht geraten. Meine Partnerwahl geht sie nämlich nichts an.

Kleine Mädchen träumen heute nicht mehr davon, den Herzchirurgen zu verführen. Sie träumen davon, Gehirne aufzuschneiden und Alzheimer zu heilen.

Schon plausibler: der strukturalistische Ansatz. Studenten begegnen sich im Alltag, Akademiker auch. Und auch, wenn ich ein kostspieliges Faible für alte Möbel habe: Ich rede verdammt gern bei Sonnenaufgang über öffentliche Güter. Das ist keine notwendige Bedingung rationaler Partnerwahl. Aber es führt dazu, dass man sich irgendwann in die Augen schaut und ziemlich grinsen muss.

Es ist halt absurd. Aber wie funktioniert Liebe? Diese Frage wird in allen Debatten über faires Heiraten vergessen. Man kann sich in jeden Menschen verlieben. Man kann sich nicht wehren. Nicht einmal, wenn die Gehirnchirurgin sich in den Herzchirurgen verliebt.

Bei den Parship-Online-Daterinnen wünschen sich übrigens 45 Prozent eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Bei Männern sind es 42 Prozent. Ähnlich viele wollen sich gut unterhalten können. Ans Geld und den gehobenen Lebensstandard denken noch 4 Prozent der Frauen. Halten wir fest: Frauen wollen immer nur reden. Ist jetzt irgendwie auch nichts Neues.

Heiraten auf Augenhöhe ist, wenigstens in Teilen, ein modernes Phänomen. Frauen verbesserten sich in alten Zeiten durch die Ehe, weil sie gebildete Männer mit hohem Einkommen heirateten. Also wenigstens finanziell verbesserten sie sich, alles andere sei mal dahingestellt. Aber sich hochzuheiraten war aus zweierlei Gründen sinnvoll:

  1. Normal war, was die Eltern vorlebten. Und da arbeitete – gerade in vermögenderen Haushalten – nur einer: Papa. Sie studierten also nicht oder sie studierten irgendwas, was Spaß macht. Hätten sie nicht reich geheiratet, sie wären arm geblieben.
  2. Irgendwen mussten die Männer ja auch heiraten. 1978 kamen auf zwei Studenten eine Studentin. Das war schon viel. Denn hätten Männer nicht außerhalb der Uni ihre Partnerin gefunden, wir wären noch vor dem ersten Weltkrieg ausgestorben.

Das ist heute anders. Fast 50 Prozent der Studienanfänger sind weiblich – und mehr als 50 Prozent der Absolventen. Seit Jahrzehnten steigt der Anteil der Erwachsenen, die irgendwann mal Abitur gemacht oder sich auf anderem Weg die (Fach-) Hochschulreife erkämpft haben. Früher waren es mal mehr Männer; bei Menschen, die heute jünger als 40 sind, sind es eher mehr Frauen. Die Werte nähern sich aber an, sowohl einander als auch der 50-Prozent-Marke.

Der Anteil der Menschen mit Hochschulabschluss steigt ebenfalls. Mehr dieser „homogamen“ Haushalte, bei denen beide einen ähnlichen Bildungsstand haben, gibt es deshalb aber nicht. Geändert hat sich das Verhältnis der Haushalte, in denen beide studiert haben, zu Haushalten, in denen keiner studiert hat. Zum Positiven.

Doch bleiben wir mal bei der Unterstellung, studierende Frauen würden die soziale Mobilität gefährden. Mir ist noch immer nicht klar, warum das ein Problem des Heiratsmarktes sein soll. Kleine Angestellten-Töchter wie ich müssen jetzt selbst zur Uni. Dass Mami mir das Kunststudium finanziert, bis ich mir einen Arzt angelacht habe, war ausgeschlossen. Deshalb musste es was mit Wirtschaft sein, was anderes konnte ich eh nicht.

Dieser Weg steht nicht jedem offen. Unsere Schulen diskriminieren Menschen, die nicht aus Akademiker-Haushalten kommen. Allein: Das Problem ist nicht so groß, wie gern behauptet wird. Sonst würden die Absolventenzahlen nicht steigen.

Über die soziale Stellung wird nicht im heiratsfähigen Alter entschieden. Sie entscheidet sich in der Kindheit. 34,4 Prozent der Kinder besuchte im Schuljahr 2012/2013 ein Gymnasium. Zehn Jahre zuvor waren das 30,7 Prozent. Ist das jetzt schlimm, weil die Gruppe der Nicht-Gymnasiasten kleiner wird und sich deshalb als Versager fühlt? Oder ist es gut, weil mehr Kinder mehr Bildung bekommen? Diese Wertung muss jeder für sich selbst treffen.

Es gibt sogar Wissenschaftler, die das deutsche Karrieresystem für vergleichsweise durchlässig halten – weil auch ohne Abitur der Aufstieg möglich sei.

Gut, das ist jetzt keine gute Ausrede, Schulformen für Kinder unerreichbar zu machen. Aber dieses Problem werden wir nicht lösen können, solange wir Eltern ihre Kinder selbst erziehen lassen. Eltern sind unterschiedlich fähig, ihre Kinder zu fördern. Sie haben übrigens auch unterschiedliche Ziele, nur mal so.

Wir können den Frauen sogar noch mehr vorwerfen, als den intersozialen Heiratsmarkt zu verstopfen. Noch dazu, so die Haltung einiger Kritiker, lassen sie sich vom Ehegatten-Splitting in schlechte Jobs drängen. Ein Paar zahlt nämlich die wenigsten Steuern, wenn einer ganz viel verdient und der andere ganz wenig. Frauen führen also ihren eigenen Abstieg herbei.

Man mag sich fragen, wie hochqualifiziert eine Juristin wohl ist, die sich von Steuergesetzen in einen Job als Sekretärin drängeln lässt. Ich frage mich auch, ob Menschen, die Steuern über die Liebe stellen, wirklich Kinder bekommen sollten. Aber immerhin: Dieses Ehegatten-Splitting fördert die soziale Mobilität. Zumindest wäre es für den Anwalt steuerlich optimal, von vornherein die Sekretärin zu heiraten.

So scheint die ganze theoretische Erforschung der Liebe ein Problem zu haben: Sie ist irrelevant. Bleiben wir doch tatsächlich mal bei der Empirie. Deskriptiv, bitte.