Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Zukunftsforschung macht reich

Die Apple-Watch wird unser Leben verändern und vielleicht werden wir auch alle reich. Das sagen Zukunftsforscher. Wenn sie mit genügend Selbstvertrauen auftreten, füllen diese Prognosen wenigstens ihre eigenen Taschen.

Wer ein Produkt kauft, kauft ein Lebensgefühl. Und er kauft ein Symbol, mit dem er anderen sein Lebensgefühl auf die Nase binden kann. Dann muss das Lebensgefühl nur noch überzeugend als cool hingestellt werden. DIE Uhr sagt: Ich habe Geld. Das iPad sagt: Ich bin kreativ. Das Telefon mit eingebautem Zoomobjektiv sagt: Ich bin eine tolle Fotografin. Das Fitnessarmband sagt: Ich bin sportlich. Die Outdoorjacke sagt: Sobald ich meine Kartoffelchips an der Rewe-Kasse bezahlt habe, gehe ich noch kurz vier Tage zum Trekking. Bei jedem Wetter.

Nun lässt sich das ganze Spielzeug aufteilen in nützliche Dinge, die ein Problem lösen. Und halt den Rest. Outdoorjacke: unbedingt, ich hab eine Zeit lang in Hamburg gelebt, kann mir keiner sagen, das sei im Regenwald schlimmer. Smartphones: von mir aus. Wer wie ich mit Navigationsgerät fahren gelernt hat, der ist ohne digitale Landkarte quasi nicht mehr lebensfähig. Aber die Uhr? Das Fitnessarmband? Kann mir das mal bitte jemand erklären? Was wollt ihr mit dem Zeug?

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Das beste Beispiel ist diese Uhr. DIE Uhr. Sie haben bestimmt davon gehört. Die Apple Uhr. Die Uhr, die Sie sich bald mal bestellen sollten, denn natürlich kommt Apple nicht mit der Produktion nach. Sie könnten leer ausgehen! Eigentlich kommt nie ein Konzern mit der Produktion von irgendwas nach, deshalb sollten Sie alles immer ganz schnell bestellen.

Wenn Sie meinen, dass Sie das brauchen.

Mit der Innovation ist das ja so eine Sache. Kritiker quengeln gern, wenn ein Konzern lange nichts wirklich Neues auf den Markt bringt. Dann habe er seine Kreativität verloren. Dagegen gibt es zwei Wege: Man kann die Kritiker ignorieren und gute Produkte noch besser machen. Oder man entwirft etwas, das neu ist, weil es vorher nie jemand gebraucht hat. Das muss man dann ändern. Am besten mit guten Argumenten.

Aus der Zukunftsforschung habe ich jetzt gelernt: Stabiles Wachstum kommt auch mal aus dem Nichts. Die Kurve, mit der Morgan Stanley Research den Absatz von „Wearables“ vorhersagt, ist ziemlich gerade, steigt etwas stärker als linear. Wearables, also Uhren mit Computern, Jacken mit Computern, Schuhe mit Computern, Sie verstehen schon, was ich meine; also diese Wearables werden sich in den kommenden Jahren wohl ganz gut verkaufen. Komme, was da wolle.

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Ich habe nichts gegen die Uhr, oder gegen Wearables ganz allgemein. Auch, wenn sich das Wort beim Aussprechen ein wenig anfühlt, als schöbe man sich gerade einen Finger in den Hals (haben Sie das jetzt ausprobiert? Ist doch so, oder?).

Bei Zukunftsprognosen zu Trends neige ich aber zur Ablehnung. Das hat zwei Gründe:

  • Wer einen Trend vorhersagt, und überzeugend beschwört, der löst ihn aus.
  • Wer glaubt, wirtschaftliche Entwicklungen auf der Basis vergangener Ereignisse vorhersagen zu können, der ist ausgesprochen dumm.

Wobei natürlich Grund zwei durch kompetentes Handeln in Grund eins entschärft werden kann. Schauen wir uns das mal genauer an.

Der erste Grund lässt sich aus der Frauenperspektive leicht beweisen: Irgendwer hat mal vorhergesagt, schwere, überdimensionierte Ledertaschen ohne Schulterriemen werden das nächste große Ding. Welcher normale Mensch wäre da bitte drauf gekommen? Bei Männern muss es die Undercut-Frisur sein.

Nun sagt man technikaffinen Menschen ja nach, da etwas pragmatischer zu sein, grundsätzlich. Weil sich Pragmatismus aber nur ganz schlecht verkaufen lässt, haben schlaue Produktdesigner, also die von Apple, Style und Technik zusammengeführt. Alle anderen machen das mittlerweile aber auch.

So richtig wissen wir wohl noch nicht, warum wir den Kram brauchen. Alles was wir wissen ist: In ein paar Jahren haben das alle. Das hat die Zukunftswissenschaft schließlich festgestellt.

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Also wäre es doch schlau, früh dabei zu sein, oder? Okay, eigentlich wäre es schlau, die technischen Kinderkrankheiten abzuwarten und sich dann Version zwei zu holen. Dann haben viele Nutzer Feedback gegeben und das Produkt ist viel besser.

Nur wäre man dann eben keiner der Ersten.

Großes Problem.

Kommen wir zum zweiten Kritikpunkt: Kann man die Zukunft eigentlich vorhersagen? Ich wüsste wirklich nicht, wie das gehen soll.

Die Antwort auf jede strategische Frage lautet, so hab ich das in der Uni mal gelernt: „It depends“, es hängt eben davon ab. Wovon? Von ungefähr allem. Vom Wetter im Besonderen, denken Sie mal an die Regenjacken. Der Erfolg jedes Produktes hängt auch von der Konkurrenz ab. Das Zitat wird dem Ökonomen Mike Mazzeo zugeschrieben, in Wahrheit ist es aber schon etwas älter.

Thomas Straubhaar, Ökonom und Kolumnist bei der Welt, hat das Problem für Konjunkturprognosen schön Zusammengefasst: „Die wirtschaftliche Zukunft folgt nicht physikalischen Gesetzen. Sie wird durch menschliches Verhalten bestimmt.“ Gewonnen hat also, wer dieses Verhalten beeinflussen kann. Straubhaar zufolge sei es eigentlich unfair, schlechte Prognosen zu kritisieren. Und da ist sogar etwas dran, schließlich gibt es eine Nachfrage – wir sind alle ganz scharf auf Prognosen.

Sie sagen aber nichts über die Zukunft aus. Schauen wir kurz auf die Gegenwart der Zukunftsgeräte:

Mich selbst zu vermessen ist zwar nett, aber ich schaffe es noch nicht einmal täglich auf die Waage. Meinen Kalorienverbrauch rede ich mir lieber schön, den will ich eigentlich gar nicht wissen. Sind bestimmt um die 4000 Kilokalorien am Tag. Und wehe, Sie behaupten in den Kommentaren etwas Anderes.

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Das mag jetzt meine persönliche Charakterschwäche sein, aber Fakt ist: Wenn Sie ein gebrauchtes Wearable kaufen wollen, wird das wahrscheinlich kein Problem sein. Der Guardian entdeckte kürzlich hunderte von Smartwatches im britischen Ebay , im deutschen fand ich neulich, an einem Sonntag, genau 209 dieser Geräte.

Also vielleicht haben die Zukunftsforscher recht: Die Dinger verkaufen sich hervorragend. Mit Smartwatches wird man reich. Das macht sie aber noch nicht zu etwas, das wir gern benutzen. So lange sich mit der Vorhersage, die Dinger werden zum Trend, Geld machen lässt, ist das aber egal.

Ich wage ja gern mal Prognosen. Dann setze ich mich hin, überlege, welches Ereignis wahrscheinlich ist, zum Beispiel beim Wetter, Verkehrslage, der Fußballweltmeisterschaft, meinem Monatseinkommen oder anderen Mutproben. Wahrscheinlich bildet sich irgendwo in meinem Kopf dann eine plausibel-fundierte Erwartung, am Ende denke ich aber doch an das Ergebnis, das mir am besten passt. Meine persönliche Zukunftsforschung. Leider macht sie mich nicht so reich, wie die Prognoseinstitute. Ich würde das gern so überzeugend beschwören, dass alles so eintritt, wie ich es gern hätte. Leider bestätige ich damit meist das zweite Argument gegen die Zukunftsforschung: ziemlich dumm.