Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Der technische Fortschritt des rückschrittlichen Rassismus

10% der Deutschen sind nach einer Studie der Universität Leipzig der Meinung, der Einfluss der Juden in Deutschland sei zu gross,

Diese Leute können etwas dagegen tun, indem sie hier nicht weiter lesen.

Andere Schlagzeilen der gleichen Studie besagen, Deutschland rücke nach rechts, selbst wenn die Zahl der harten Rechtsextremisten gesunken ist. Gefragt wurde nach Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus. Weil nicht nach dem Verhältnis zu Berlin gefragt wurde, kann ich mich hier, wie die meisten meiner Kollegen, auf der sicheren, guten und richtigen Seite fühlen. Bei den anderen – und deshalb habe ich auch den Standard verlinkt – wäre es aber schon fein, wenn man genau zwischen denen differenzieren würde, die mit Nazigutachten hantieren und anderen, die lediglich von den Zuständen in manchen U-Bahnen angewidert sind.

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Letztlich sind solche Umfragen immer auch abhängig von dem, was man als rechts oder rassistisch definiert. Es wird beispielsweise nicht eruiert, wie die Bevölkerung zur Migration reagiert, wenn etwa, wie im Moment häufig, EU-Bürger aus Italien oder Spanien nach Deutschland ziehen. Rassismus, das zeigt auch die Ablehnung des angeblichen “jüdischen Einflusses“, den sich manche einfach mit ihrem zersetzenden Humor erschrieben haben, ist oft sehr selektiv. Wie etwa bei der Feministin und nach Eigenaussage Halbjüdin Laurie Penny, die natürlich nichts gegen Juden hat, ausser sie leben in Israel und kämpfen gegen die Hamas: Das ist dann eine andere Sache und man sollte sie ökonomisch bestrafen, bis sich die Dame dem Zechprellen zuwendet und wiederum dafür sorgt, dass der Antisemit seine Vorurteile gegen Juden bestätigt sieht – kurz, es ist mit den vielen Aspekten des Rassismus ein Kreuz, oder wahlweise ein Halbmond oder Davidstern.

Ausser man ist wirklich aufgeklärt, gebildet, engagiert und bewusst vorurteilsfrei, wie manche Aktivisten, die ich im Internet bewundern darf. Leute, die sofort wegen der obigen DavidsternHalbmindKreuz-Bemerkung über mich herfallen, weil ich mich intoleranterweise über den Islam lustig mache. Es sind Leute, die fordern, das Internet zu zensieren, wenn man sich auf dem Boden der Gesetze, nicht aber im Konsens des Justizministers und seiner Beraterinnen befindet. Leute, die in urbanen Kreisen leben, deren Meinung nicht sonderlich divers ist und sich total beim Thema Vergewaltigung engagieren, wenn es ein weisser Amerikaner in den USA war, und die tolerant zu schweigen in der Lage sind, wenn die Verdächtigen nebenan zu mehreren auftreten und nicht deutscher Herkunft sind. Hin und wieder müssen diese aufgeklärten Zeitgenossen auch mal von der einen Metropole durch die andere, und da ergibt es sich nun, dass sie auch meine Heimat durcheilen.

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Und sich dann über EDGEland beschweren. EDGE ist ein Mobilfunkstandard mickriger Datenlieferung, der auf dem veralteten GSM aufsetzt. Mein Tragtelefon kann das und nicht mehr, weil es bei uns, wenn ich radeln gehe, kaum etwas anderes gibt. Und ausserdem komme ich noch aus einer Zeit, in der es bei Pressekonferenzen einer Landtagsfraktion unter 20 Journalisten nur einen gab, der so ein Gerät hatte – ich habe noch gelernt, ohne dieses Ding analog zu arbeiten. Meistens ist es ohnehin ausgeschaltet, gerade eben finde ich das Ladegerät nicht, aber das macht nichts: Mein EDGEland ist schön, mir gefällt es hier. Andere brausen hindurch und twittern über EDGE, dass sie jetzt im EDGEland sind und es ist nicht auszuhalten. Denn wenn sie nur EDGE haben, verlieren sie ihre schnelle Verbindung zu ihren Kreisen, wie der ungern erwähnte Uropa im Kessel vom Stalingrad die Verbindung zur Heeresgruppe Süd. Sie sind abgeschnitten. Unter Fremden. Belagert von Barbaren, die kein UMTS haben. Digitale Kulturverweigerer, die hier irgendwie vegetieren und die Landschaft vor dem Fenster anschauen, statt auf den Bildschirm.

Da lachen dann die Berliner. Haha, die Anne ist in EDGEland, na hoffentlich kommt sie gut in Düsseldorf an. So wie man vor 120 Jahren in England hoffte, dass Basils Expedition zu den Ureinwohnern Afrikas bald wieder das Telegraphenamt in Kairo erreichte, um Kontakt mit der Zivilisation zu haben. Zivilisation ist angemessene Kommunikation, und wie der Brite im Smoking dann über die Schwarzen redete, die lediglich zur Plantagenarbeit taugen, so sind sich die Bewohner der iPhonelandes sicher, dass diese Leute da ohne gutes Netz grässlich zurückgeblieben sind. Die Bilder hier sind übrigens aus einer Ecke des Landes mit EDGE, Vollbeschäftigung, Zukunftsbranchen und einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen, das doppelt so hoch wie im iPhoneland Berlin ist.

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Es macht also den Anschein, als sei der EDGEland-Rassismus noch etwas weniger logisch begründbar als der Rassismus der britischen Kolonialherren. Genau genommen ist der Mobilfunkstandard einer der ganz wenigen Punkte, bei denen dysfunktionale Städte des Nordens und Westens die wirtschaftlich prosperierende Provinz überflügeln. Das wird ausgenutzt, wie ein bierbäuchiger Alkoholiker das unverdiente Privileg des deutschen Passes bemüht, um sich einem japanischen Gastprofessor überlegen zu fühlen. Bei der Herabwürdigung ganzer Regionen aufgrund des Netzausbaus von Telekommunikationsanbietern handelt es sich um einen Vorgang, den man im Rassismus öfters erlebt: Die Selbstüberhöhung wird durch Faktoren jenseits der willentlichen Entscheidung des Menschen getroffen. Die einen haben eine dunkle Hautfarbe und die anderen leben im weissen Fleck der Abdeckungskarte. Dass das ausgrenzende Merkmal nicht mehr durch die geographische Herkunft und genetische Prädestination erzeugt wird, macht den Rassismus nicht weg: Er mutiert nur von einer gesellschaftlich geächteten Form zu einer, die nicht untersucht wird und es gleichzeitig erlaubt, den anderen mangelnde Bildung und Weltläufigkeit zu unterstellen: Leute, die EDGEland sagen, sagen auch oft schnell zu anderen NAZI.

Wer EDGEland und der damit verbundenen Lächerlichkeit entgehen will, kann das nur erreichen, wenn er sich unterwirft und dorthin zieht, wo das technisch unverzichtbare Merkmal der neuen deutschen Technikherrenrasse verfügbar ist. Und so, wie genetisch bedingte Hautfarben bestehen bleiben, und egal wie viel Studienabschlüsse man vorzeigen kann, bleiben auch weitere Stufen des Netzausbaus urbanen Wohnlagen vorbehalten, egal ob dort nicht gearbeitet, sondern mobil Porno geladen oder ein digitaler  Lynchmob organisiert wird. Das sind nun mal die Ecken des Landes, in denen sich der Ausbau besonders lohnt. Ein Weltmarktführer im Maschinenbau braucht keine Mitarbeiter, die sich dauernd durch Webseiten klicken. So, wie die chinesische Hochkultur auch lange Zeit bestens ohne die britischen Opiumeinfuhren zurecht kam. Vom technischen Überlegenheitsdünkel der echten Nazis, der sich aus dem Bau von modernen Reichsautobahnen und Volksgenossenwägen im Ratenkauf speiste, möchte ich gegenüber Iphoneabstotterern auf Datenautobahnen hier pietätvoll schweigen.

PIETÄT.

Sehen Sie. Ich schweige.

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Wir sind ja nicht so, im EDGEland. Wenn nun aber manche sagen, Deutschland zeige mit dem angeblichen Rechtsruck und seiner Ablehnung des Islams seine hässliche Fratze, dann mag es vielleicht auch nur ein Symptom einer generellen Neigung sein, die sehr viel weiter verbreitet ist. Bei Spiegel Online finden sich gute Beispiele:. Diese mit dem Kollektivwort “wir“ gegen “die Männer“ anschreibende Autorin glaubt, dass Gewalt “in ihnen drin steckt“ – da lachen die Schädelvermesser in der Rassenkundler-Hölle – und perpetuiert damit so eine Art genetischen Erbsündenvorwurf: Der Mann schlägt zu, als nächstes wird behauptet, Frauen erfinden keine Vergewaltigungen. Nur Männlichkeit ist in diesem manichäischen Weltenentwurf toxisch, und nur jenseits des EDGElandes sei das Leben im Kreise der Peergroup erträglich, es gibt das Richtige und das Falsche, die Aufgeklärten und die Nazis, die Allys und die Vergewaltiger, die Feministinnen und die Ahnungslosen, die Klugen und die Dummen, UMTS und EDGE, und was zu loben ist und zu verdammen, wird so nebenbei in der Gewissheit entschieden, dass das höhnische Lachen oder die gemeinschaftliche Empörung über UMTS schon das richtige Volksempfinden zeitigt. EDGEland kriegt das eh nicht mit, diese Hinterwäldler.

Zersetzenden Humor mag noch immer keiner. So ist das nun mal bei denen, die sich von Hauptstadt zu Hauptstadt bewegen und sagen können, was lebenswert ist und was als EDGE- und Kaltland verachtet werden soll, und die Prestige und Status nach dem Vorhandensein von hässlichen, hohen Strahlenmasten abhängig machen wollen, was trotzdem ein gewisser Fortschritt ist: Denn früher definierten sich manche ihrer gesitigen Ahnen noch über die Höhe ihrer Schädelturme.