Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Der beste Preis ist offline

Es gab eine Zeit, da glaubte man, das Internet würde durch die Beseitigung der Zwischenhändler, der “men in the middle“, das Leben schöner und vor allem billiger machen: Weniger Leute, die sich zwischen Endkunde und Hersteller drängeln und ebenfalls die Hand aufhalten. Weniger unverschämte Fachhändler, deren Beratung nicht gefragt ist. Bessere Vergleichbarkeit der Preise und Dienstleistungen und Schnäppchen, die man sonst stationär nicht bekäme.

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Nun. Ich war dieses Jahr viel im Alpenraum unterwegs und stelle mir, wenn ich Berge erklimme, oft eine Frage. Wenn das so ist, warum gibt es dann auf der einen Seite die Webseiten von Hotels – und auf der anderen Seite die Webseiten von Vermittlern wie Trivago, Booking, HRS, Venere und wie sie alle heissen? Ich mein, ich kann verstehen, dass man sich dort über Erfahrungen und Ausstattung informiert, obwohl meine Erfahrung und Recherche besagt, dass man sich kaum darauf verlassen kann. Aber wenn ich als Internetnutzer direkt beim Hotel buchen kann: Warum buche ich dann bei einem Mann dazwischen, der teurer sein muss? Diese ganzen Vermittlerseiten: sie müssen schliesslich auch von etwas leben.

Neben Spamverschickung.

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Redet man mit Hoteliers, was ich als Berufsplauderer natürlich immer mache, bekommt man die immer gleiche Geschichte zu hören: Dass gewisse Portale Druck ausüben, umsatzsteigernde Massnahmen dank höherer Vermittlungsgebühren zu erhalten. Wer besser mit dem Mann in der Mitte kooperiert, wird besser dargestellt, bekommt einen hübschen Platz auf der Website und macht mehr Umsatz bei höheren Kosten. Es ist eigentlich völlig einsichtig, dass es hier jemanden geben muss, den das ganze Internet und seine Vermittlung etwas kostet: Wenn die Portale Geld verdienen, verdient entweder das Hotel weniger. Oder es senkt seine Kosten. Oder der Kunde zahlt mehr, als ohne Vermittler nötig wäre.

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Oder das Hotel senkt seine Kosten, etwa durch billigeres Brot und Käse, was aber für die Provision nicht ausreicht, und kann die Vermittlungsgebühr nicht auf den Gast komplett abwälzen, und verdient damit weniger. In diesem Fall zahle ich drauf – dafür, dass der Käse vielleicht nicht mehr aus Heumilch gemacht wird, die “Bäckerei“ ein Teigrohlingbetrieb in einer geschmacksresistenten Stadt wie Hamburg wird, wo “Brot“backen ein fast so abscheuliches Verbrechen wie das Herstellen von Giftgas ist, und der Perserteppich durch pflegeleichtes Laminat ersetzt wird. Mit dem Ergebnis, dass irgendwo in einer grossen Stadt hässliche Bürogebäude mit Call Center Agents besetzt werden, die bei meinen Hoteliers anrufen und ihnen den Tag mit Drohungen von schlechterem Umsatz versauen. Das ist nicht wirklich das, was vom Netz versprochen wurde.

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Alle, wirklich alle Hoteliers unterwegs waren nett zu mir. Auch letztes Jahr in Padua. Was mir auch Padua geblieben ist, ist allerdings ein unglaublich nervtötender Onlinebuchungsdienst, der jede Woche angebliche Sonderangebote per Mail schickt, und mich nach 11 Monaten immer noch auffordert, eine Bewertung abzugeben. Ich habe einen Angebotsvirus, den ich mehrfach abzubestellen versuchte, und den ich nur zum Schweigen brachte, indem ich seine Mails konsequent als Spam markierte. Ich habe jetzt die Adresse in Padua, ich brauche keinen Vermittler mehr. Übrigens habe ich in Padua nur für zwei Tage gebucht und dann vor Ort verlängert. Das war kein Problem, und auch nicht teurer.

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Im Gegenteil, denn von Innsbruck bis Rom bekomme ich immer wieder zu hören: Das nächste Mal einfach anrufen, bestellen, das ist dann auch günstiger. Das sagt man mir ganz unverhohlen ins Gesicht, obwohl ich der Meinung bin, dass eine gute Leistung einen guten Preis verdient, und es mir nicht um ein paar Euro geht. Der angenehme Nebeneffekt ist, dass niemand in einem Bürogebäude weiss, wann ich wohin fahre und daraus ableitet, wann er mich das nächste Mal mit welchen Angeboten, die ein Algorithmus herausgekramt hat, zu belästigen hat.

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Mich interessiert das alles nicht. Das geht die nichts an. Es verursacht mir aber Magengeschwüre, dass es solche hauptberuflichen Belästiger gibt, die zu schwach für Bandarbeit sind und deshalb ihr Dasein damit zubringen, mir, einem Mann des Wortes, schlimm getextete Frontalangriffe auf meinen Geldbeutel zu schicken. In Venedig gibt es ein Bettlerverbot, aber niemand verbietet diesen lästigen Bettlern, mit 4 Tage Venedig für 299€ – 77% reduziert, 5Sterne-AnsostenunvermietbareBesenkammer – andere zu belästigen. Alle gehen höflich mit mir um, die Reinigungskraft klopft, wenn sie da ist, aber der neue Mittelmann, er belästigt mich, egal ob ich reise oder nicht.

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There is such a thing as a free Schnapserl, wenn man fast schon um Mitternacht mit dem Rad in Mayrhofen ankommt. Das kredenzt der Hotelier. Aber es gibt keinen “kostenlosen Newsletter“. Der kommt zwar kostenlos per Email, wurde aber vorab durch die Provision finanziert. Aber auch grün bewegte Leute, die keinen Fuss in ein Haus setzen würden, in dem die Küche nicht auf regionalen Biozutaten basiert, haben offensichtlich kein Problem damit, bei der Buchung Zwischenmänner zu finanzieren, die nichts mit Förderung einer Urlaubsregion zu tun haben: Da darf der Vermittler auch gern an der amerikanischen Börse NASDAQ gelistet sein. So eine Reise in der Regel auch eine Sympathiebekundung für ein Land. Und eigentlich keine Förderungsmassnahme für anonyme Büromenschen, die sich durch eben jenes Netz dazwischen drängen, das solche Drängler auszuschalten versprach. Ich will sie nicht beim Frühstücksbuffet, warum sollte ich sie im Netz bezahlen.

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Banken müssen heute bei Geldgeschäften mit Privatkunden ihre Provisionen offen legen. Und zwar ungefragt. Der Kunde soll wissen, wo sein Geld bleibt, und in Bezug auf Reiseportale wäre das fraglos auch interessant – die einen hätten dann ein klares Bild, wohin ihr Geld geht, und die anderen würden sich abwenden und wieder direkt mit dem Hotel reden, wie man das früher auch schon tat. Das nennt man Transparenz, und es hätte den Vorteil, dass normale Suchmaschinen nicht mehr so von Reiseportalen und ihrer Optimierung und Eigenwerbung verpestet werden – einfach, weil sie dann weniger Geld für Werbung haben, und die Überlebenden der Konsolidierung sich auf ihre Kernaufgabe beschränken könnten. Ich habe nichts gegen Men in the Middle, wenn sie mir eine gute Leistung liefern würden. Aber so, wie Reiseportale momentan ihre Kunden auf beiden Seiten belästigen, zahle ich lieber einen Euro mehr an den Hotelier, denn einen Cent an den Spammer.

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Natürlich gibt es auch einen Markt für Soziopathen Kunden, die gern direkten Kontakt vermeiden, Kästchen ausfüllen, ihre Daten hergeben und Stunden damit zubringen, den besten Preis zu finden und vergessen, das Kasterl mit dem Frühstück anzuklicken. Die bekommen bei den Portalen, was sie verlangen. Es hat nur wenig mit dem Versprechen zu tun, dass das Internet das Leben irgendwie schöner und besser machen würde.