Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Feminismus ist Krebs und andere sagbare Dinge

Wir besuchen jetzt eines der gefährlichsten Hassprojekte des Internets. Sie müssen nur nach Medienberichten darüber suchen, und alle, von der Zeit über CNN und New York Times bis zu, ja, auch diesem Blatt hier werden Ihnen erklären, dass es ganz schrecklich ist. Rassistisch. Frauenfeindlich. Extremistisch. Und ausserdem hat es Trump massiv geholfen. Ganz schreckliche Leute arbeiten dort. Gut, ich habe das Projekt und seinen bekanntesten Mitarbeiter mehrfach verlinkt und es nicht gleich als Ausgeburt Satans diffamiert, aber dafür hat sich dann im Netz sofort ein Mob (nicht wegen ihrer Normschönheit) bekannter Feministinnen formiert, der mir an den Kragen wollte. Weil ich ein Hassprojekt verlinke. Aber bitte, klicken Sie einfach mal auf den Link und lesen Sie.

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Das ist Breitbart. Breitbart gilt, obwohl es den Begriff für sich nicht in Anspruch nimmt, als Zentralorgan der Altright-Bewegung. Junge, alternative, rechtslastige Autoren, die Propaganda für die Republikaner machen, liest man im Netz, aber es stimmt so einfach nicht: Die Republikaner des Establishments kommen darin eher schlecht weg. Nur Trump wird unbedingt die Treue gehalten. Und der CEO des Projekts hat den Wahlkampf von Trump geleitet. Das alles sollte man wissen, denn Medien haben nun mal ihre Schlagseiten und Marotten, und ich sage immer: Traue keinem. Denk selbst. Und nun bitte den Beitrag dieser furchtbaren Seite lesen.

Da geht es um bekannte Firmen des Silicon Valley, die über eine Gesetzesschlupfloch Arbeitsplätze verlagern: Weg von teuren amerikanischen Fachkräften hin zu günstig beschäftigten Helfern aus dem Ausland. Es geht um die Globalisierung der Arbeitswelt und die Methoden, die dafür angewendet werden. Es geht um die erwirtschafteten Gewinne und wo sie landen: Bei Investoren und nicht mehr bei den amerikanischen Arbeitnehmern. Es geht um Internetgiganten, deren Leiter sich zusammentun, um die Gesetzeslücke weiter auszubauen, und um den Umstand, dass die USA vom Technologieexporteur zum Importeur geworden sind. Es ist eigentlich alles dabei, was man für eine schöne, runde, linke Geschichte braucht. So etwas wird übrigens auch in Europa geschrieben, wenn beispielsweise Ebay den deutschen Stab nach England verlagert, oder Steuern dieser Firmen trickreich vermieden werden.

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Und obendrein erklärt dieser Beitrag auch, wie das laufen kann, mit dem “Amerika wieder gross machen“. Natürlich kann es sein, dass Trump etwas anders macht und es ganz schrecklich wird, aber hier nun steht ein Beitrag, der fundiert erklärt, wie Umverteilung entsteht, was die Ursachen sind, und welche Interessensgruppen wollen, dass es so bleibt. Der Beitrag könnte in ähnlicher Form bei der taz stehen, oder auf der Website von Bernie Sanders. Allerdings steht er nicht bei der taz und auch sonst keinem deutschen Medium. In Deutschland lese ich, dass Breitbart ganz schlimm und gefährlich ist. Buh! Aber wenn Sie in den Spiegel schauen, werden Sie entdecken: Von diesem einen Beitrag ist Ihnen noch keine Trumpfrisur gewachsen. Der Beitrag ist auch nicht rassistisch. Er ist globalisierungskritisch und beklagt das Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft. Er hilft dem deutschen Leser aber zu verstehen, warum Teile der gut ausgebildeten Mittelschicht begründete Angst vor dem Abstieg haben. Besser, als viele deutsche Medien das machen, die sich momentan in Horrorszenarien überbieten. Die Zeit schreibt, das Ende des Liberalismus sei gekommen. Das schlimme Hassprojekt Breitbart schreibt, wie Umverteilung und Wachstum in den USA funktionieren könnten.

Wer ist da das Hassprojekt?

Nun, natürlich auch Breitbart. Breitbart kann enorm gehässig sein. Die Schauspielerin Lena Dunham zum Beispiel wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorgeführt. Dunham ist eine Ikone des neuen Feminismus und hat in ihrer Autobiographie etwas erfunden, was ihre deutschen Nachahmerinnen auch schreiben: Eine Vergewaltigung, bei der manche Leser ins Zweifeln kamen. Nachforschten. Und dabei kam heraus, dass Dunham die Vergewaltigung literarisch imaginiert hat. Sie musste das auch zugeben. Das war unglücklich, weil zu dieser Zeit die Campus-Rape-Kampagne feministischer Kreise auf dem Höhepunkt war, und Dunham als prominentes Opfer führte. Dunhams Buch wurde von der liberalen Presse rauf und runter gefeiert, und dann kommt der kleine, böse Störenfried Breitbart daher und überführt sie. Das ist schon bitter. Davor wurde Breitbart eher ignoriert, seitdem wird Breitbart offen bekämpft, und praktisch alles, was sich in deutschen Medien an Vorwürfen findet, haben Medienpartner der Demokraten schon früher beschrieben. Das hat Breitbart nicht geschadet. Inzwischen ist es eine Macht und Schaltstelle im konservativen Internet. Es ist nicht mehr so, dass es mehr oder weniger schreibt, was Fox News sendet. Es setzt eigene Schwerpunkte.

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Das liegt vor allem an der Hauptfigur, dem britischen Journalisten und “dangerous faggot“ Milo Yiannopoulos, der Deutschen meist dank Spiegel Online bekannt ist – dort durfte die ihn hassende Feministin Laurie Penny über ihn prominent herziehen (was natürlich kein Hassprojekt ist, weil Frauen immer so gut wie Clinton sind und nie hassen). Yiannopoulos wurde in den USA für seine Rolle beim Gamergate berühmt, als sich alle Medien einig waren, dass die Videospielszene gewalttätig und sexistisch ist, und nur wenige bereit waren, die Gamer und ihre Anliegen auch zu verteidigen – trotz Bombendrohung. Zudem filetierte er eine Feministin, die eine Nazivergangenheit verschwiegen hatte, und einen schwarzen Black-Lives-Matter-Aktivisten, der sich als problematisch herausstellte. Andere selbst nicht zart besaitete Szenengrössen wie Anita Sarkessian und Jessica Valenti hatten ebenfalls unter ihm, seinen Recherchen und seinem Twitteraccount @nero zu leiden. An den progressiven Universitäten der USA veranstaltete er eine Tour, bei der er sich im goldenen Sessel tragen liess und von der Bühne herunter mit voller Absicht die PC-Regeln der Unierversitäten brach: “Feminism is Cancer“ war der Schlachtruf, nach dem er alles mit Füssen trat, was dieser und anderen linken Ideologien heilig war. Es war nicht immer nett, aber man muss den ernsten Kontext sehen: An den Universitäten werden Professoren gemobbt, wenn sie keine Trigger Warnungen aussprechen und dann mit Inhalten wie Shakespeare etwaige Opfer sexueller Gewalt “retraumatisieren“. An der UVA, wo eine Vergewaltigung nachweislich erfunden wurde, wurden die unschuldigen Studenten trotzdem gezwungen, Sensibilisierungskurse zu besuchen. Yiannopoulos war in diesem Klima der Einschüchterung einer, der ganz offen gegen die Regeln der repressiven Linken verstiess, zeigte, dass es möglich war, Spass machte, und damit für massive Proteste und Popularität sorgte.

(Das kann einem übrigens auch als Journalist in Deutschland passieren, wenn man die abweichende Meinung vertritt, dass hiesige Hochtechnologieforschung ihre Berechtigung hat, auch wenn in Afrika andere keinen guten Öfen haben – das reicht für den berufsschädigenden Anschlag eines Soziologenmobs.) Wie bekannte Dandies und Aufklärer vor ihm, von Diderot bis Wilde, lotete Yiannopoulos die Grenzen der Meinungsfreiheit aus, und erklärte sich frühzeitig zum Anhänger von Trump. Für seine Ausfälle wurde er für Lebenszeit auf Twitter gesperrt – angeblich, denn ob das kriselnde Unternehmen Twitter das nach den Wahlen aufrecht erhält, muss sich erst noch zeigen. Bei Breitbart hat Yiannopoulos jetzt “generös“ angeboten, Lena Dunham einen One-Way-Flug zu einem kanadischen Flughafen ihrer Wahl zu bezahlen. Dunham hatte angekündigt, nach Kanada überzusiedeln, falls Clinton nicht Präsidentin wird. Solcher Art sind die Witze bei Breitbart – nicht wirklich nett, aber sehr erfahren im Umgang mit dem Internet und seinen Gepflogenheiten. Ein Erholungsort von der PC-Kultur, und deshalb auch so erfolgreich: Hier stehen dann auch Beiträge über gewalttätige Phantasien von Clintonanhängern, die ich, oh Wunder, bei hassfreien, moralisch einwandfreien Medien wie Guardian oder Zeit nicht finde.

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Mir gefällt bei Breitbart auch nicht alles. Manchmal Oft Sehr oft rolle ich mit den Augen. Aber vielleicht haben Sie gemerkt, dass meine Beiträge vor der US-Wahl nicht sonderlich überzeugt von Hillary Clintons Wahlsieg waren. Ich habe statt der NYT die Podestamails bei Wikileaks intensiv gelesen, statt der WaPo die nachdenklichen und überzeugend klingenden Beiträge des Dilbert-Erfinders Scott Adams – der nun wirklich nicht dem in den Medien gezeichneten Bild des Trumpwählers entspricht – und eben Breitbart. Gamergate, Campus Rape, Safe Spaces, Sprachpolizei: Das alles suchte und fand dort ein Ventil, und es waren sehr viele, die das lasen. Wer das gern liest, wählt nicht gern Clinton. Breitbartleser gelten als widerliche Trolle, aber auch Trolle wählen. Ich glaube, dass Breitbart viele politische Entwicklungen eingeleitet hat, die nun kommen werden, weil die als “alte, dumme, weisse Männer“ geschmähte Mehrheit die von Obama geförderte PC-Kultur nicht mehr will: Die akademischen Shitstorms und erfundenen Vergewaltigungen, Title IX-Rechtsunsicherheit der Universitäten und überführte Lügnerinnen wie das Mattress Girl, das trotzdem vom demokratischen Establishment gefeiert wurde, weil die Geschichte einfach in Clintons Wahlkampfstrategie passte.

Ich habe lange selbst für ein amerikanisches Medium an der Ostküste gearbeitet. Da sagte mir mein Chef einmal einen Spruch von Lincoln: You can fool all the people some of the time, and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time. Die Breitbart-Fraktion der Amerikaner hat sich von den Medien am 9. November nicht mehr indoktrinieren lassen. Und wenn irgendwo steht, dass etwas ein schlimmes Hassprojekt ist und der und jener Autor auf keinen Fall gelesen werden soll: Trauen Sie keinem. Denken Sie selbst. Schauen Sie sich viele Meinungen an und bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil. Kein liberaler Mensch hält einen davon ab, zu sagen, was man denkt, und zu lesen, was man will. Und die anderen sind gerade ohnehin geschockt, weil der zukünftige Bildungsminister Ben Carson der Meinung ist, radikale Politsekten sollten an Universitäten nicht mehr öffentlich gefördert werden. Auf Amerika kommt nach der linken Kulturrevolution der der letzten Jahre ein Kulturkampf zu. Und da darf man sagen, dass Feminismus Krebs ist. Vielleicht ist das “Hass“. Aber es ist egal, denn es ist die Meinungsfreiheit, die in Demokratien demjenigen hilft, der die besseren Argumente hat. Und wer die Trumps, Breitbarts, Carsons und Milos das nächste Mal besiegen will, muss ihre Argumente und Anhänger erst kennen.