Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Bunga Bunga mit Donald Trump

Er ist ein Lügner. Er ist ein Betrüger. Und vor allem ist er ein hässlicher, dummer, kulturloser, pöbelnder Prolet, der das liberale Amerika mit Vollgas vor die Wand fahren wird. Das ist das Bild von Donald Trump, auf das sich sehr viele Zeitgenossen und Medien leicht einigen können. Es gibt wenig, was man ihm nicht zutrauen würde. Warum nur oh Gott warum nur haben seine Wähler nicht verstanden, dass sie einen gigantischen Fehler machen? Es ist doch offensichtlich: Der Mann schreckt vor gar nichts zurück.

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Möglicherweise, eventuell, sind Clintons enttäuschte Anhänger auch ein wenig, sagen wir mal, emotional berührt, um nicht zu sagen: Vom unbändigen Wunsch erfüllt, die anderen mit Beweisen für ihr schändliches Verhalten wegzubomben. Den moralischatomaren Zweitschlag zu machen, damit Trumpanhänger und alle, die nicht voll auf ihrer Seite sind, jeden Anstand, jede Ehre und alle positiven Eigenschaften abzuerkennen. Das neueste Beispiel für so einen Beitrag liefert zuverlässig und berechenbar die Feministin Jessica Valenti im Guardian ab.  Da ist sie, die blanke Verachtung für alle, die auf ihre Gefühle und derjenigen, für die Valenti sprechen will, aus total gemeinen, niedrigen, dummen Instinkten heraus keine Rücksicht genommen haben.

Anlass für den Beitrag war das ganz grosse Thema des Wochenendes: Der gewählte Vizepräsident Pence besuchte das enorm erfolgreiche Broadwaymusical Hamilton, das amerikanische Freiheiten, Diversität und Bürgerrechte zum Thema hat. Nun könnte man sagen, dass es doch schön ist, wenn sich ein rechter Hardliner ein Stück anschaut, dessen politische Aussagen nicht auf seiner Linie liegen. Statt dessen wurde er vom versammelten Publikum für seine Anwesenheit ausgebuht, und als die Schauspieler ihn mit einer Rede ansprachen und ihrer Angst Ausdruck verliehen, reckten sich die Kameras in die Luft: Sofort war #Hamilton ein Hashtagrenner in allen sozialen Medien.

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Woraufhin Donald Trump zu seinem Handy griff, sich über die Vorgänge beschwerte, und verlangte, das Theater müsse ein “safe place“ sein, was, haha, ja Feministinnensprache ist, haha. Dieses bigotte Weichei, andere beleidigen, aber selbst wie ein Mädchen einen Safe Space fordern, haha. Dann verlangte er auch noch: Apologize! Entschuldigt Euch! Ausgerechnet dieser dumme Pöbelkönig verlangt von anderen… ja ist das denn die Möglichkeit…. hier entspricht Trum wirklich allem, was man von ihm erwartet, dieser kulturlose Feind aller Werte… da haben wir ihn, wie er wirklich ist, aufbrausend, jähzornig, unkontrolliert. Also, was tun, wenn der Gegner so eine Gelegenheit bietet? Verbreiten. Im ganzen Netz. Sofort. Facebook, Twitter, Guardian, New York Times, CNN, CBS, Blogs, politische Gegner, alle haben ihn jetzt genau so, wie sie ihn haben wollen. So ist er. Und jeder, der ihn gewählt hat, soll sich schämen, weil Trump so mit Künstlern umgeht. Künstler, die in freier Rede für Menschenrechte eintreten! Allenfalls Katzenbabies erwürgen wäre noch schlimmer.

Wir haben also einen galaktischen Shitstorm, und auf der anderen politischen Seite natürlich den Aufruf, die Inszenierung zu boykottieren. Wir haben Breitbart, das sich, man muss es leider zugeben, hinsetzt und aufschreibt, wie der Hamiltonschöpfer Fundraising-Galas für Clinton gemacht und Trump ein Fuckface genannt hat. Irgendwo sitzt jemand in Pennsylvania, der nie und nimmer Karten für das Musical bekäme und sie sich auch kaum leisten könnte, und bekommt in etwa mit, dass Clintons reiche Unterstützer in einer exklusiven Show seinen neuen Vizepräsidenten mies behandelt haben. Die Unterstützung der kreativen Kaste hat Clinton schon bei der Wahl nicht geholfen, möglicherweise zieht sie auch jetzt nicht. In einem Nebenskandal einigt sich Trump mit ein paar Leuten, die gern Immobilienhaie geworden wären, und auch da kann man Trump nachweisen, dass er nicht eben sauber war. Wie wohl im von der Kreditkrise geschüttelten Pennsylvania das Ansehen von gegelten Nachwuchsmaklern ist, die zigtausend Dollar für eine private Uni ausgeben konnten?

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Aber in Amerika und Deutschland sind Hamilton und die Trump University die Themen, weil sie bestätigen, wie recht wir alle mit unseren Einschätzungen von Trump hatten. Ausserdem sind die so unterkomplex, dass wir sie in 140 Zeilen packen können. Sie ergeben wunderbare Beiträge, die nur ein wenig moralische Empörung und heftige Schlagzeilen brauchen, und alle wollen sie dann lesen. Wir haben die Wahl verloren, aber recht gehabt. Und es ist richtig, es gibt wirklich grauenvolle, moralisch katastrophale Entwicklungen. Die Berufung von Mike Pompeo zum CIA-Direktor ist eine globale Sensation der finstersten Art. Pompeo steht für den totalen Überwachungsstaat und den Zugriff der Geheimdienste auf öffentliche Daten, soweit sie verfügbar sind, und ihre Verknüpfung mit dem, was die Dienste schon wissen. Er will alle Beschränkungen abschaffen und interessiert sich nicht für die Grenzen, die ihm die allgemeinen Menschenrechte auferlegen sollten. Pompeo will die sozialen Netzwerke bedrängen, als wäre er der deutsche Zensurminister Heiko Maas. Pompeo schert sich nicht um Grenzen und nationale Gesetze. 4 Jahre haben wir es mit einem datenschutzrechtlichen Albtraum zu tun, und man müsste hier in Deutschland darauf hinwirken, dass unsere Geheimdienste so einem Überwachungsfreak auf gar keinen Fall Daten liefert. Das alles passt aber nicht in 140 Zeichen und müsste erklärt werden. Aber für die Wut und die Verachtung reicht auch der Fall Hamilton. Weil Trump selbst dazu getwittert hat.

Sehen Sie, ich bin de facto Viertelitaliener. Ich lebe in Mantua und in der Nähe von Siena, und einige Jahre war Silvio Berlusconi an der Macht, was die Hälfte der Italiener und alle Deutschen nicht verstanden. Dieser abgehalfterte, schmierige Sexist, der seine Parlamentsmitglieder nach Schönheit auswählt. Der Typ mit dem Bunga Bunga, der, als es bekannt wird, auch noch mit seiner sexuellen Potenz angibt und überhaupt nicht verstehen will, was daran falsch sein soll. Der nicht korrupt sein will, sondern nur seinen Freunden hilft. Auch Berlusconi war immer für eine Schlagzeile gut, mit einem Text der Fassungslosigkeit, wie so ein Mensch so etwas tun kann. Imnmer war etwas Offensichtliches Thema, das genau dem Bild entsprach, das man von Berlusconi hatte. Seine Schönheits-OPs und seine undiplomatische Art, seine Ausraster in Parlamenten und seine seichten “TV-Miezen“. Das beherrschte die Medien, das brachte Auflage, das spaltete Italien in diejenigen, die ihn hassten und die anderen, die es genau so wollten. Was dabei völlig unterging und nur am Rande besprochen wurde, ist der Umstand, dass Berlusconi einen dringend nötigen Strukturwandel und eine Verwaltungsreform mit immer neuen Staatsschulden und einem Klima der Verschwendung verschleppte. Die schmierigen Skandälchen haben Berlusconi nicht geschadet, weil sie für seine Wähler keine Rolle spielten, und weil damit die grossen, darunter langsam entstehenden und komplexen Probleme ignoriert werden konnten. Berlusconi war und ist ein Meister, wenn es darum geht, seinen Gegnern die Aufreger zu geben, die ihnen gefallen, und währenddessen das zu tun, was Italien langfristig in die aktuelle Staatskrise geführt hat. Eine Krise, die so schlimm ist, dass Ministerpräsident Renzi vermutlich stürzen wird, und Figuren wie Beppe Grillo, Matteo Salvini, oder ganz frisch, auch Berlusconi nach der Macht greifen. Auch Grillo und Salvini sind übrigens Meister, wenn es darum geht, bizarren Wahnsinn aufzutischen, und nebenher kühl und berechnend ihre Bewegungen voran zu bringen.

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Alle starren auf den galoppierenden Wahnsinn, deu Trump bei Twitter absondert. Trump muss nur eine dämliche Bemerkung machen, die nur seine Gegner empört, und schon beherrscht er die Nachrichten. Und wenn er dann einen Rückzieher macht, ist er wieder ganz oben. Er wirkt wie der letzte Hansdampf, aber das dachte man auch, bevor er die Wahl gewonnen hat. Trump ist wie Berlusconi, Orban und Sarkozy ein Troll, und zwar von der übelsten Sorte. Alles dreht sich um seine 140 Zeichen. Mike Pompeo wird im Hintergrund still daran arbeiten, komplexe Grundrechte einzuschränken, egal ob die der Amerikaner, die des Guardian, oder meine.Wir Journalisten könnten etwas tun.. Wir haben den Platz und das Wissen, und wenn wir es nicht verhindern können, so können wir doch aufmerksam machen.

Aber dazu muss man am Thema bleiben. Man darf keinen in Buchstaben gegossenen PMS-Anfall schreiben, wenn Trump oder seine Paladine über ihre Themen twittern. Man darf nicht der Versuchung nachgeben, einen Hamilton-Shitstorm zu inszenieren, wenn eine Pompeodebatte nötig wäre. Man muss auf die tausenden Facebook-Likes verzichten, weil man nicht einfach “Faschist“ gesagt hat, und glaubwürdig und nüchtern herausarbeiten, wo die Risiken liegen. Falls es jemand vergessen haben sollte: Wir haben in Deutschland ein neues BND-Gesetz, und wir müssen damit rechnen, dass Pompeo die gewonnenen Informationen nutzen will. Die Personalentscheidung, die dieses Wochenende dank #Hamilton kaum beachtet wurde, wird für die Bürgerrechte möglicherweise so katastrophal wie Berlusconis Schuldenpolitik für Italien. Und Trump würde jede Pussy grabben, damit Pompeo unbemerkt unsere Privatsphäre grabben kann.

(Der letzte Satz ist reisserisch und dazu gedacht, dass Sie ihn mit Link zum Beitrag offensiv verbreiten. Ich bin schliesslich auch ein Troll und weiss, wie das Triggern geht.)