Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

KeinGeldfürRechts: Keine Strategie bei Links

Ein Jahr der erbitterten politischen Internetkonflikte endet in einem Hotel mit einem Mann, der gerade seinen Job bei einer Agentur gekündigt hat, und nach eigenen Aussagen Todesdrohungen erhält. Sein Name ist Gerald Hensel, und vor vier Wochen war er noch ein weitgehend unbekannter Stratege mit Twitteraccount und Website, beschäftigt bei der Werbefirma Scholz and Friends in Berlin. Damals kochte im Nachgang der US-Wahl die Debatte um Hatespeech und Fakenews hoch, und Hensel beschloss, die Aktion #Keingeldfürrechts ins Leben zu rufen: Firmen sollten darauf hingewiesen werden, dass sie durch modernes Zielgruppentargeting auch Werbung auf Webseiten wie Breitbart und anderen Portalen schalten, die irgendwie als “rechts” gelten können. Hensel kritisierte dabei nicht nur bekannte deutsche Hardcore-Rechte wie Politically Incorrect, die seit über 10 Jahren im immer gleichen Sumpf vor sich hinköcheln. Er nannte auch das Projekt “Achgut”, das der Autor Henryk Broder mit anderen betreibt: Éine Webseite mit wechselvoller Geschichte, gegründet unter anderem wegen der ablehnenden deutschen Haltung zum Irakkrieg und zu Präsident Bush, danach Teil der neoliberalen Webszene, teilweise mit Verbindungen zu Politically Incorrect, und inzwischen eines der beiden viel gelesenen konservativen Internetmagazine neben Tichys Einblick.

(Ich hatte mit Achgut und PI teilweise sehr heftige Auseinandersetzungen. Das war eine Zeit, als man noch schockiert sein konnte, wenn Broder sehr pauschal die gegenüber der Bushadministration kritischen Deutschen angriff – heute ist der Hass auf falschmeinende Deutsche längst ein Dauerthema diverser Kolumnen bei Zeit, SPON und Teilen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Weisse, alte, heterosexuelle Deutsche sind keine Afghanen, gegen deren Abschiebung man sich gern einsetzt.)

Wie auch immer, Hensel hatte seine 5 Minuten Ruhm im Internet, die Aktion funktionierte, viele Helfer beschwerten sich bei Firmen über Werbeschaltung, nicht nur bei Breitbart, sondern über alles, was irgendwie für “rechts” erklärt werden konnte. Achgut landete bei den bisherigen Werbenden auf der Blacklist und begann, den Fall sehr laut öffentlich zu machen. Es gibt eine Chronik der Ereignisse bei Achgut und eine Erwiderung von Hensel bei Medium.com. Hensel hat mittlerweile bei seinem Arbeitgeber gekündigt, und hält sich wegen der Anfeindungen aus dem Netz versteckt. Für Achgut und Tichys Einblicke gibt es Solidarität, die sich wohl auch finanziell lohnt.

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Ich will das hier nicht politisch, sondern strategisch beurteilen. Hätte die Aktion wirklich funktioniert, säße Hensel nicht in einem Hotel, sondern in Talkshows, und würde erklären, wie es ihm gelang, Seiten voller Fake News und Hate Speech aus dem Netz zu vertreiben. Die Herzen der Medien, die selbst gegen “rechts” aktiv sind, würden ihm zufliegen. So, wie es jetzt ist, muss man sagen: Sieger sehen anders aus. Es gab dieses Jahr böse Pleiten für die Fake News der Oktoberfestlüge und die Hate Speech des Teams Gina-Lisa, aber deshalb hat niemand, noch nicht einmal Heiko Maas, seinen Arbeitsplatz verloren. Oberflächlich betrachtet hat Hensel alles richtig gemacht: Die Wut und das Engagement des Aktivisten gegen den Hass und die Hetze derer, die er als die Bösen ausgemacht hat. Also: Was ist diesmal falsch gelaufen? Eigentlich alles

Die falschen Adressaten: Man kann sich schon an Firmen wenden und sich über etwas beschweren, wenn einem etwas nicht passt, wie etwa Werbung auf den falschen Portalen. Möglicherweise machen das dann andere aber genauso, und warten nur, um sich bei nächster Gelegenheit bei Arbeitgebern zu beschweren, wenn jemand im Eifer des Gefechts eine zu drastische Aussage tätigt. Breitbart hat sich gezielt imageschädigend gegen den Konzern Kelloggs gewehrt, der dort nicht mehr Werbung schaltet, und die Leser fanden das richtig. So etwas ist immer ein zweischneidiges Schwert, und wer die einen möglichen Kunden mit einem Boykott befriedigt, verscherzt es sich mit anderen. Es gilt natürlich die Vertragsfreiheit. Aber der ganze Vorgang mit den öffentlichen Anschuldigungen ist unangenehm für Firmen, die überfallartig vorgeführt werden. Freunde schafft man sich mit diesem Anprangern nicht.

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Die falsche Führung: Es ging zuerst gegen “die rechten Blogs”, und was genau das war, blieb dem jeweiligen Hilfsdenunzianten überlassen. Jeder konnte den Hashtag benutzen, um alles, was ihm nicht passte, anzuschwärzen. So ein Hashtag gehört keinem, aber jeder konnte auf der Welle des medialen Erfolges mitsegeln und seine privaten Rechnungen begleichen. Aber der sichtbare Kopf war nur ein einziger Mann, der sich das alles ausgedacht hat. Das bedeutet, dass die Hauptwucht des Gegenangriffs sich dann auch gegen den sichtbaren Kopf wendete, der die Geschichte einfach laufen liess, und nicht einschritt, wenn seine Leute die ökonomische Vernichtung der Gegner anstrebten. Das war keine strategisch durchdachte Kampagne, sondern mehr eine Art digitale Brandstiftung mit einem Haupttäter, der beim Feuer stehen blieb, das inzwischen zum richtiggehenden Deppenmagneten wurde.

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Der falsche Aktivismus: Broder, ob man ihn nun mag oder nicht, ist Jude und Kopf von Achgut. Die Familiengeschichte der Broders ist im 20. Jahrhundert, was die Interaktion mit Deutschen angeht, sicher nicht das, was man als “schön” bezeichnen kann. Man muss ihn nicht mögen, aber als Deutscher sollte man vielleicht an die Geschichte denken. Wenn man sie ignoriert, sieht es halt am Ende so aus, dass ein von einem Deutschen angestifteter Mob versucht, das Medienprojekt eines Juden mit einer Aktion zu schädigen, die nicht nur an moderne Strategien wie BDS erinnert, sondern auch an das, was zu Grossvaters Zeiten in Sachen Boykott praktiziert wurde. Das ist in Deutschland bei fehlender Sensibilität eben so, normalerweise sollten die Deutschen aus der Geschichte gelernt haben, und wenn es einer nicht tut, wächst das Unbehagen und schmilzt die Sympathie – antiimperialistische Linke könnten ein .Lied davon singen. Die Träger der Angriffe auf Achgut waren nicht sonderlich angenehme Leute , und in dessen Kielwasser segelte Tichy mit, in der gefühlten Variante: Internet-Schlägertruppe wirft Oppositionellen die digitalen Schaufenster ein.

Der falsche Charakter: Werber, PRler, Aktivisten und Ex-Stasi-IMs glauben irgendwie, dass man sie wegen ihrer Haltung zu mögen hat. Wir leben aber in Zeiten, da auch einer wie ich bei einem normalen Beitrag und dem Versuch, AfD-Haltungen zu verstehen – nicht zu teilen! – 30 Kommentare bekommt, die man problemlos anzeigen könnte, und selbst von einem Denunzianten in dem Stil angezeigt wird, den die staatsnahe Stiftung der Ex-Stasi-IM Kahane empfiehlt. In so einem aufgeheizten Klima, geprägt von mangelndem Respekt, werden Werber, PRler oder Aktivisten nicht als schützenswerte Spezies betrachtet, sondern manchmal auch als etwas, das sich moralisch kaum über einen Robbenbabytotschläger erheben kann. Wenn ein Werber dann noch in der Vergangenheit mit Israelkritik auffällig wurde (“@lirontocker 50 years of history. And the fact that Palestine still lives under an apartheid regime and nobody cares“), ist es mit der Nachsicht nicht mehr weit her.

In der Folge dann: Das falsche Opfer. Die Sache wäre vielleicht trotzdem effektiv gewesen, hätte man sich ein einziges Opfer herausgesucht. Jemanden, der sich nicht wehren kann, wie etwa Tim Hunt. Jemanden, den alle dann fertig machen- so kommt man zu einem, wenngleich fragwürdigen Erfolg. Tichy und Broder sind aber selbst von der robusten Sorte und haben abertausende von Anhängern, und davon sind viele nicht besonders zimperlich. Da sind echte Enthusiasten dabei, und Leute, die mit Methoden wie Memes und lustigen Bildchen hantieren können. Natürlich fallen sie dann auch über Hilfsdenunzianten her. Das ist dann weniger Spass als das klassische Anprangern eines wehrlosen Opfers.

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Was dann gleich die nächste Folge hat: Die falsche Einschätzung der eigenen Möglichkeiten. Broder, Tichy und ihre Leute sind niemandem verpflichtet, sie können die nächsten 20 Jahre Leute ausrichten, die ihnen einmal in die Quere kamen. Es wird auch ihre Anhänger nicht stören. Die Denunzianten dagegen sind in ihrer öffentlichen Wirkung nicht frei, sie können sich nicht dauerhaft diesem Thema widmen – Virtue Signaling mag ab und zu wichtig sein, aber für den andauernden Konflikt über Wochen und Monate taugen die normalen Internetprofile nicht. Ein freier und prekärer ZDF-Mitarbeiter muss auch wieder mit den öffentlich-rechtlichen Medien arbeiten, der kann nicht monatelang andere bepöbeln, sonst leidet das Image als Journalist. Und wer sich beteiligt, bekommt momentan einiges an Schmutz ab. Das mag nicht jeder, deshalb ist die Aktion mehr oder weniger eingeschlafen.

Der falsche Arbeitgeber: Ich arbeite bei der FAZ und seitdem ich hier arbeite, geht manches eben nicht mehr. Nicht alles, was ich mir wirklich denke, würde ich hier ungefiltert schreiben, und manches auch nicht in meinem privaten Blog. Wenn ich unsicher bin, frage ich vorher bei meinen Vorgesetzten. Das ist keine Schere im Kopf, sondern einfach das übliche Vorgehen, um miteinander auszukommen. Alles, was ich tue, trägt zum Bild der FAZ bei. Also nehme ich darauf Rücksicht. Bei KeinGeldfürRechts war das anders, der Kopf war ein nicht ganz kleiner Mitarbeiter von Scholz und Friends und damit Auftragnehmer jener Bundesregierung, die Broder und Tichy massiv kritisieren. Ich glaube gern, dass es keine abgesprochene Aktion mit der Agentur war. Aber der Eindruck ist verheerend, weil dadurch deutlich wird, wie in einer derartigen Firma über Öffentlichkeit und ihre Beeinflussung und Schikanierung gedacht wird. Diese “Hey, lasst uns ein paar abweichende Meinungen hinterrücks fertig machen”-Einstellung ist genau das, was viele in der Branche gern tun würden – nur wird das normalerweise verdeckt getan. Hensel war da wohl etwas zu optimistisch, was den Erfolg seiner Aktion anging. Hensel griff Broders Geldgeber an und Broder Hensels Geldgeber.

Schliesslich noch – die falsche Zeit: Es ist Vorweihnachtszeit. Es ist offensichtlich, dass jede Kampagne spätestens ab dem 4. Advent keinen mehr interessiert. Alle sind daheim, keine Firma prüft ihre Social Media Kanäle, keine Entscheidungen über Budgets werden getroffen, niemand hat Lust, sich auf hasserfüllten Streit ohne Not einzulassen. Auch die schärfsten Hilfsmobber machen mal Pause. ´Mindestens drei Wochen. Es ist schwer, danach noch mal so eine Kampagne zu starten.

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Eine alte bayerische Weisheit besagt: Schlage nie jemanden, der nicht mindestens zwei Köpfe kleiner ist, Brille trägt, und dessen Hände gefesselt sind. KeinGeldfürRechts hat sich mit der falschen Methode den falschen Gegner herausgesucht. Hensel ist jetzt eigenen Angaben zufolge in einem Hotel und befürchtet Übergriffe. Tichy und Broder haben das gemacht, was amerikanische Medien nach der Wahl von Trump auch gemacht haben: Sie haben sich als Opfer hingestellt und bei ihren Anhängern um finanzielle Förderung gebeten, und was man so hört, scheint es eine ganz einträgliche Sache zu sein. Ob diese Projekte jemals relevante Summen mit Werbung verdienten, weiss ich nicht, aber innerhalb ihrer Szene dürften sie deutlich gefestigt worden sein. Ihre Anhänger wissen, dass sie den Anschlag eines Mobs zurückgeschlagen haben, der vom Mitarbeiter einer bekannten Agentur ausging, und von Medien wohlwollend begleitet wurde. Medien, die sich nun um die Person kümmern, von der alles ausgegangen ist, und sie als Opfer darstellen. Die Feindbilder stimmen wieder.

Nach meiner Beobachtung ist das ein ziemlich gelungenes Weihnachtsgeschenk für die Angegriffenen. Die Angreifer müssen sich fragen lassen, warum sie nicht genauer differenzierten und die wirklich extremen Gegner aussuchten. Tichy ist nicht Politically Incorrect und Broder ist nicht Breitbart. Die Erfolge solcher Projekte sind kein Ausdruck einer kommenden rechten Revolution, sondern die Folge des Medienmarktes, der signifikante Teile der Bevölkerung und der politischen Ansichten als dunkeldeutsch, rechts, Nazi und Pack hingestellt hat. Die Zeit ist Kooperationspartner staatlich finanzierter Schein-NGOs wie NoHatespeech, bei der Süddeutschen Zeitung fand man Ratschläge, wie man als Denunziant die Entlassung politisch andersdenkender erwirken kann – es wäre vermessen zu glauben, die Angegriffenen würden danach brav weiter die Seilschaften aus Regierungspolitik und Medien mit ihrem Besuch beehren. Auch das ist eine Form von Vertragsfreiheit, und noch mehr Stigmatisierung Andersdenkender und Versuche, Alternativen indirekt zu ruinieren, sind offensichtlich keine Garanten für Erfolg.