Sie ist für viele eine Heldin. Hillary Clinton hat gesagt, man sollte sich anschauen, was sie tut – das Bild sollte alle verfolgen. Senatorin Kirsten Gillibrand lud sie ein, um bei Obamas Ansprache an das Volk auf einem prominenten Platz zu lauschen, was der Präsident zu sexueller Gewalt sagen würde. Sie konnte im Time Magazine ein gross präsentiertes Editorial schreiben. New York Times, Guardian, CNN und Washington Post berichteten über sie und ihr Kunstprojekt, das sie so lange fortsetzen wollte, bis der Mann, der sie nach ihrer Behauptung vergewaltigt haben sollte, die gemeinsame Universität verlassen hätte. Sie trug dazu eine Matratze über den Campus, um den Beschuldigten unter Druck zu setzen, und bekam dafür den Susan B. Anthony Award der National Organization for Women. Der Beschuldigte wurde auf dem Campus bedrängt, verfolgt, und in den Medien von – auch deutschen – Aktivistinnen, denen man dafür Platz einräumte, als “mutmasslicher Vergewaltiger“ diffamiert. Und das, obwohl die Untersuchungen der Universität als auch der Polizei kein Fehlverhalten feststellen konnten. Sie heisst Emma Sulkowicz und galt bislang als bekanntestes Opfer einer Campus Rape Serie, die die Demokraten in den USA zu bekämpfen versprachen.
Ihr Opfer wurde schikaniert, durch die Medien gehetzt, und letztlich klagte er gegen die Universität aufgrund von Title IX der amerikanischen Bürgerrechte, weil seine Rechte und sein Leben durch die “Kunst“ massiv beeinträchtigt wurde. Nach längerem Hin und Her und dem peinlichen Versuch der Universität, aus formalen Gründen die Hände in Unschuld zu wachen, kam es schließlich zu einer aussergerichtlichen Einigung, und die Columbia University veröffentlichte ein gewundenes Statemaent als Entschuldigung, dass sie sie Aktion und den dazu gehörenden Mob zugelassen hat:
Columbia recognizes that after the conclusion of the investigation, P.’s remaining time at Columbia became very difficult for him and not what Columbia would want any of its students to experience. Columbia will continue to review and update its policies toward ensuring that every student — accuser and accused, including those like P. who are found not responsible — is treated respectfully and as a full member of the Columbia community.
Clinton, Obama, Gillibrand, fast die gesamte feministische Szene, der hasserfüllte Mob, die amerikanischen Medien und die Deutschen, die kritiklos abgeschrieben haben, was dort stand, und die weitgehend ignorierten, dass der Betroffene von den Vorwürfen freigesprochen wurde, obwohl die Universitäten scharf gegen jeden Vergewaltigungsverdacht vorgehen müssen, weil ihnen von der Obama-Administration unter Verweis auf Title IX der Entzug staatlicher Gelder angedroht wurde: Sie alle sind bis auf die Knochen blamiert. Die gefeierte feministische Kunstaktion ist nun etwas, das sich nicht wiederholen wird, und die frühere Heldin Emma Súlkowicz verweigert auf Medienanfragen bislang jeden Kommentar.
Dafür steht sie in einer Reihe mit den anderen beiden ebenso prominenten wie falschen Vergewaltigungsbehauptungen: Zuerst hatte der Fall von “Jackie” Furore gemacht, die bei einer Verbindungsfeier Opfer einer Gruppenvergewaltigung geworden sein wollte. Es dauerte eine Weile, bis sich herausstellte, dass Jackie sich das alles nur ausgedacht hat – mit verheerenden Folgen für die Universität und die Zeitschrift Rolling Stone, die mit einem schockierenden Fall Aufmerksamkeit erzeugen wollte, und mehr davon bekam, als ihr lieb sein konnte. Kurz danach flog die Schauspielerin und Feministin Lena Dunham auf, die in ihrer Autobiographie von einer Vergewaltigung durch einen Republikaner berichtet hatte: In einer demütigenden Stellungnahme war der Verlag gezwungen, die Angaben von Dunham zu korrigieren, die ungeachtet dessen weiterhin die feministische Sache an der Seite von Hillary Clinton befördern wollte. Sobald Clinton Präsidentin wurde.
Allerdings blieb – entgegen der Erwartungen eben jener Medien, die schon Emma Sulkowicz glaubten – der erdrutschartige Sieg Clintons aus, und Donald Trump wurde Präsident. An seiner Seite zog der berüchtigte Steve Bannon ins Weisse Haus als Berater ein. Bannons viel gescholtenes Onlineportal Breitbart hatte in den Fällen von Jackie, ´Dunham und Sulkowicz die eher kurze Liste der kritischen Medien angeführt, und Gruppen breiten Raum eingeräumt, die sich um jene kümmerten, die von den rigiden und wenig rechtsstaatlichen Ermittlungen der Universitäten betroffen waren. Die Journalistin Asche Show schrieb auf dem trumpfreundlichen Portal “Washington Examiner” und später im Observer eine ganze Serie über teilweise haarsträubende Verfahren gegen Beschuldigte an Universitäten.
Die Gegenseite konzentrierte sich dann voll auf den wasserdichten Fall von Brock Turner, einem jungen Studenten und Sportler, der sich in Kalifornien nach einer Verbindungsparty an einer Frau vergangen hatte. Täter und Opfer waren wie oft in derartigen Fällen stark betrunken, das Opfer befand sich schon in einer Art alkoholbedingtem Koma. Turner wurde von zwei Studenten über seinem wehrlosen Opfer in flagranti ertappt und angeklagt, wobei sich der Vorwurf der vollzogenen Vergewaltigung allerdings nicht bestätigte: Turner war mit seinem Genital nicht in die Frau eingedrungen. Der Richter hätte Turner für bis zu 14 Jahre Gefängnis verurteilen können, berücksichtigte aber das Gutachten der Bewährungshelfer, und beließ es bei sechs Monaten Haft und drei Jahren Bewährung, sowie einem lebenslangen Eintrag als “Sexual Offender”. Berücksichtigt wurde die Jugend und das bis zur Tat straffreie Leben des Täters. Für die Aktivistinnen war der Fall das beste Beispiel für die Zustände auf dem Campus: Ein reicher Sohn, eine exzessive Party, Alkohol, Verbrechen, und dann ein Richter, der ein viel zu mildes Urteil spricht. Das Opfer veröffentlichte einen empörten Brief, der von allen grossen amerikanischen Medien verbreitet, von Abgeordneten vorgelesen und vom Vizepräsidenten gelobt wurde. Vor dem Haus von Turners Eltern gab es eine Demonstration, bei der gefordert wurde, den “örtlichen Vergewaltiger” zu erschiessen.
Ein glasklarer Fall ändert aber wie eine erfundene Vergewaltigung nichts am Umstand, dass die Universitäten von allen Seiten unter massivem Druck stehen. Auf der einen Seite war der “Dear Colleagues”-Brief der staatlichen Bürgerrechts-Kontrolleure von 2011, der eine harte Gangart seitens der Regierung ankündigte:: Hochschulen mussten bei nachsichtigem Umgang mit Vergewaltigungsbeschuldigungen damit rechnen, durch die Streichung von Bundesmitteln an den Rand des Ruins bringen konnte. Zudem wurden, wenn sich Betroffene mit dem uniinternen Ablauf ihrer Verfahren gegen mutmassliche Täter unzufrieden zeigten, Untersuchungen gegen die Hochschulen eingeleitet und veröffentlicht – in der aufgeheizten Debatte eine Art Pranger und ein schwerer Schlag für den Ruf der Institutionen. Schutz vor staatlichen Massnahmen boten schnelle, harte und rechtsstaatlich fragwürdige Verfahren, bei denen es nicht mehr auf die zweifelsfrei erwiesene Schuld der Täter ankam – mit der Folge, dass es inzwischen Dutzende von bekannten Fällen gibt, in denen zu Unrecht Verurteilte wiederum mit Erfolg die Universitäten verklagten. Berichte über die als unfair und Männer benachteiligend empfundene Praxis trugen maßgeblich zum Erfolg des Portals Breitbart bei. Aktivistinnen der Gegenseite warnten, ein Sieg des wegen seiner Ausfälle berüchtigten Donald Trump könnten das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen lassen.
Daher kam die Entschuldigung der Columbia University für sie zum schlechtesten Moment: Gerade weil sich der Kläger selbst auf jenen Title IX berufen hatte, über den die Obama-Administration und Aktivistinnen rechtlichen Druck aufbauten, zeigte sich das Problem der schwammig formulierten Regelung. Auf sie kann sich jede Frau berufen, die sich sexuell belästigt fühlt, was nach Ansicht der Aktivistinnen schon bei Blicken beginnen kann, oder bei der Behandlung von Themen, die sie traumatisieren könnten, wie beispielsweise Texte von Shakespeare. Aber auch jeder Student, der von derartigen Aktivistinnen verfolgt, beschuldigt oder in seiner Entfaltung behindert sieht. Die Obama-Administration wollte, dass Title IX für Frauen möglichst weitgehend ausgelegt wurde – im Ergebnis ist es für die Universitäten unmöglich, in diesem Konflikt zwischen überzogenen Erwartungen, Radikalfeminismus und Partyexzessen einen Standpunkt einzunehmen, der echte Gerechtigkeit verspricht.
In der Folge gibt es die bemerkenswerte Entwicklung, dass die New York Times ein Editorial der gemässigten Feministin und Title-IX-Kritikerin Cathy Young zulässt, das Trumps Bildungsministerin Betsy DeVos und ihrem Versuch, das Problem zu lösen, weitgehend recht gibt. Während die trumpkritische Washington Post noch ebenso geschlossen wie erfolglos den Rücktritt der verantwortlichen Beamtin fordert, die sich etwas salopp zu den akoholschwangeren und feministischen Hintergründen der Campus Rape Empörung äußerte, hat man beim früher führenden Medium der Opfer mittlerweile ein gewisses Einsehen für die Strategie von DeVos, mit allen Beteiligten und Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Für Feministinnen ist allein das ein unerträglicher Skandal: Nach dem Motto “Believe tue Victim” sollte erst gar nicht mit den möglichen Tätern, Männerrechtsorganisationen und sonstigen Vertretern abweichender Meinungen gesprochen werden. Eine der radikalsten Organisationen liess es sich nicht nehmen, DeVos vorab Anweisungen zu erteilen, wie sie zu verfahren hätte – und wurde prompt von den Gesprächen ausgeladen.
Der Guardian, Teen Vogue und die Washington Post werden vermutlich auch weiterhin ein Ohr für radikale Forderungen haben, während College Fix, Observer und Breitbart über den täglich neuen Wahnsinn an Universitäten berichten, dem gerade wieder ein Vortrag des Atheisten Richard Dawkins zum Opfer gefallen ist. DeVos hat sich derweil zu ihren Absichten geäußert und die schlimmsten Befürchtungen zerstreut: Sie wolle auf gar keinen Fall zurück in die Zeit, als Verfahren von Frauen weggewischt wurden, und sie erkennt an, dass die Universitäten für alle ein sicherer Ort sein müssen. Wichtig seien vor allem verlässliche und vertrauenswürdige Verfahren. Wie wenig bislang davon die Rede sein kann, zeigt ein weiterer, aktueller Fall, in dem ein Universitätsvertreter einer Klägerin geholfen haben sollen, massive Unstimmigkeiten ihrer Anklage zu bereinigen.
Der staatliche Druck auf die Hochschulen wurde schon jetzt reduziert, indem nicht mehr veröffentlicht wird, wo gerade Ermittlungen der Bundesbehörden laufen. Und Aktivistinnen befürchten wohl nicht ganz zu Unrecht, dass Universitäten die Klage des Opfers von Emma Sulkowicz zum Anlass nehmen, radikale Formen des Protests zumindest gegen Einzelpersonen nicht mehr auf dem Campus zu dulden.