Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Italien braucht keinen Bail-out, sondern Privatisierungen

Italien braucht im Unterschied zu Spanien keinen Bail-out, sagt der Ökonom Francesco Giavazzi. Italien sollte Staatseigentum privatisieren und bis zu den nächsten Wahlen keine mittel- und langfristigen Anleihen begeben. Von Gerald Braunberger

Italien braucht im Unterschied zu Spanien keinen Bail-out, sagt der Ökonom Francesco Giavazzi. Italien sollte Staatseigentum privatisieren und bis zu den nächsten Wahlen keine mittel- und langfristigen Anleihen begeben.

Update: Der französische Ökonom Charles Wyplosz widerspricht Giavazzi. Die Lage Italiens sei viel ernster.

Von Gerald Braunberger

 

Francesco Giavazzi ist ein bekannter italienischer Ökonom und Berater Mario Montis. In einem aktuellen Gastbeitrag für die englischsprachige Ökonomenplattform www.voxeu.org stellt er die folgenden Einschätzungen heraus:

 

1. Italien ist nicht Spanien. Spanien wird ein Hilfsprogramm brauchen, Italien nicht.

2. In Italien gibt es im Unterschied zu Spanien keine Krise am Immobilienmarkt. Daher sind die italienischen Banken nicht so schwach wie die spanischen.

3. Italiens Staatsschuld ist zwar mit 123,6 Prozent des BIP sehr hoch. Italien verzeichnet in seinem Staatshaushalt aber aktuell einen bedeutenden Primärüberschuss von gut 3 Prozent des BIP, während Spanien ein Primärdefizit ausweist. *)

4. Die italienische Leistungsbilanz ist in etwa ausgeglichen, die spanische im Defizit.

5. Ein Hilfsprogramm für Spanien würde den italienischen Anleihemarkt belasten. Zur Entlastung empfiehlt sich:

6. Bis zu den Wahlen im Frühjahr 2013 werden mittel- und langfristige italienische Staatsanleihen über rund 100 Milliarden fällig. Diese sollten nicht durch die Ausgabe ähnlicher Papiere erneuert werden.

7. Stattdessen sollte Italien ein Privatisierungsprogramm beschließen. Verkauft werden sollten nicht nur Anteile an börsennotierten Unternehmen, sondern auch Immobilien.

8. Da die Privatisierungen Zeit erfordern, ist eine vorübergehende Brückenfinanzierung des Zentralstaats durch die Staatsbank Cassa Depositi e Prestiti notwendig.

 

UPDATE: Der französische Ökonom Charles Wyplosz hat Giavazzi in einem ebenfalls auf www.voxeu.org erschienenen Beitrag widersprochen: Italiens Lage sei bereits weitaus ernster als Giavazzi meine. Wyploszs schwarzes Szenario erklärt sich nicht unwesentlich mit seiner kritischen Haltung gegenüber Austeritätspolitik.

 

*) Zur Berechnung der Primärbilanz vergleicht man die Staatseinnahmen mit den Staatsausgaben ohne die Zinsausgaben. Sie ist ein von Ökonomen häufig verwendeter Indikator für die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung eines Landes.