Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Deutsche Ökonomen: Lasst die „German Economic Review“ nicht sterben!

Die Zeitschrift ist weit hinter den Erwartungen geblieben, schreibt der Vorsitzende des Ökonomen-Vereins Michael Burda. Dennoch will eine Mehrheit sie auf keinen Fall aufgeben. Jetzt hofft der Verein auf mehr gute Beiträge.

Die Zeitschrift ist weit hinter den Erwartungen geblieben, schreibt der Vorsitzende des Ökonomen-Vereins Michael Burda. Dennoch will eine Mehrheit sie auf keinen Fall aufgeben. Jetzt hofft der Verein auf mehr gute Beiträge.

Von Philip Plickert

Schon lange konnte man Walter Krämer, den Herausgeber der „German Economic Review” (GER), grummeln hören: Wenn die rund 3800 Mitglieder des Ökonomen-„Vereins für Socialpolitik” sich nicht mit mehr und besseren Beiträgen beteiligen, dann habe das Projekt keinen Sinn. Die GER ist die wissenschaftliche Zeitschrift des Vereins. Gegründet wurde sie vor zwölf Jahren. Bedauerlich ist nur, dass sie international wissenschaftlich nicht besonders renommiert und bekannt ist. Die GER gilt als „C-Journal”, steht also im eher unteren Mittelfeld der wissenschaftlichen Zeitschriften.

Zwar ist der „Impact Factor” (also die Zahl der Zitationen geteilt durch die Anzahl der Aufsätze) gestiegen und hat sich von 2008 bis 2010 von 0,44 auf 0,82 fast verdoppelt, 2011 lag er bei 0,67. Von einem wirklich guten Wert ist das weit entfernt. Nicht einmal jeder Artikel wird wenigstens einmal zitiert (dies wäre ein Impact Factor von 1). Kein Vergleich etwa mit der traditionsreichen „American Economic Review”, die von der amerikanischen Ökonomen-Vereinigung herausgegeben wird und weltweit als Top-Journal gilt. Bei der AER gibt es fast drei Zitationen je Aufsatz.

Der GER-Herausgeber Krämer, der als Wirtschaftsstatistiker einen hohen wissenschaftlichen Ruf hat, war zunehmend frustriert. Seit vier Jahren rührt er die Werbetrommel für die Zeitschrift. Der „eher bescheidene Erfolg” liege an den VfS-Mitgliedern selbst, klagte Krämer. Selbst die weltbekannten deutschen Ökonomen, die Mitglied im VfS sind, gäben kaum je einen Aufsatz für die Zeitschrift. „Dass den Angelsachsen ihre eigenen Zeitschriften zunächst mal näher liegen, kann ich gut verstehen. Aber dass auch die deutschen Kolleginnen und Kollegen als erstes immer in die Ferne schweifen, tut mir als Herausgeber schon weh”, schrieb Krämer an alle Mitglieder.

Vor zwei Wochen verschickte der VfS-Vorsitzende Michael Burda dieses Schreiben an alle Mitglieder und startete eine Umfrage. Die GER sei „aufgrund ihres niedrigen Impact-Factors und ihrer bescheidenen Zitierfrequenz als internationales Journal bislang hinter unseren hoch gesteckten Erwartungen zurück geblieben”. Er fragte die Mitglieder, ob sie das Journal denn überhaupt noch fortführen wollten – auch angesichts der jährlichen Kosten von 55.000 Euro.

Bekannt wurde die interne Befragung durch einen Blog-Eintrag des Makroökonomen Rüdiger Bachmann, der als Lumpy Economist bloggt. Bachmann gab seinen „komplett subjektiven Eindruck” zu Protokoll, dass die GER international nicht sichtbar sei. Niemand aus seiner Umgebung habe jemals dort eine Publikation erwogen. Außerdem meinte er, im Zeitalter der Internationalisierung sei eine spezifisch deutsche Ökonomen-Review ein Anachronismus. Gerade diesen Punkt wird Walter Krämer, der zudem noch Vorsitzender des Vereins deutsche Sprache ist, ganz anders sehen. Denn in den angelsächsisch geprägten Zeitschriften werden Themen, die wirtschaftliche Institutionen aus dem nicht-angelsächsischen Raum betreffen, eher seltener behandelt. „Eine echte Marktlücke gäbe es … für eine wissenschaftliche Zeitschrift, die sich auf die ökonomische Analyse von Problemen im deutschen Sprachraum einschließlich europäischer Verbindungen spezialisiert und konzentriert”, schrieb der Blogger Wirtschaftsphilosoph, ein deutscher BWL-Professor.

Seit Mittwochabend sind nun die Ergebnisse der VfS-Mitgliederbefragung bekannt. Das Resultat ist niederschmetternd und ermutigend zugleich. Zum einen bestätigen gut 73 Prozent der Antwortenden, dass die GER „kein international vorzeigbares Aushängeschild” des Vereins sei. 57 Prozent nannten „fehlendes Renommee” als Hauptproblem. Aber 58,5 Prozent sagen, die GER ließe sich in die „Champions League” hieven, „wenn die Mitglieder des Vereins dort ihre besseren oder besten Papers einreichten und die in der Zeitschrift abgedruckten, für ihre eigene Arbeit relevanten Papers auch tatsächlich zitierten”. Nur 7,7 Prozent hielten es für ausgeschlossen, dass die GER so in die Top-Liga der Journale kommen könne. Schließlich kreuzten 52,6 Prozent an, die GER solle „keinesfalls eingestellt” werden, sondern inhaltlich und konzeptionell verändert werden.

„Die Antworten stehen im Widerspruch zum Verhalten der Mitglieder”, meint GER-Herausgeber Krämer. Zwar wollten die deutschen Ökonomen eine gute deutsche Ökonomen-Zeitschrift. „Aber dann zitieren sie uns nicht”, kritisierte Krämer. Trotz aller Schwierigkeiten will er jetzt aber weitermachen. Schon in der Vergangenheit habe es „einige Perlen” in der Zeitschrift gegeben. Für das erste Heft 2013 hat er einige „sehr kritische Beiträge” zur Euro-Krise angekündigt, etwa vom Vize-Präsidenten der tschechischen Nationalbank und von zwei polnischen Ökonomen, sowie einen Beitrag des Bundesbank-Vorstands Andreas Dombret.

Der VfS-Vorsitzende Burda wertete das Ergebnis der Befragung gegenüber FAZIT als „klar wissenschaftliche Aussage der Deutschen, dass sie nicht alles Journalen aus angelsächsischen Ländern überlassen wollen”. Er sei stolz auf die Zeitschrift. Nun komme es darauf an, energischer um gute Beiträge und mehr Zitationen zu werben. Andere Journals gingen da viel aggressiver vor. „Wir können vieles besser machen”, meinte Burda. Derzeit sei die GER in einem schlechten Gleichgewicht. Aber das Potential der deutschen, österreichischen und schweizerischen Ökonomen sei groß. Burda regte an, eine „Peripherie-Kommission” zu gründen. „Es gibt so viele deutschsprachige Ökonomen im Ausland, viele von denen haben Sehnsucht nach der Heimat”.