Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Die Banken. Der Euro. Der Kern und die Peripherie

Erklärungen der Eurokrise, die nicht die internationalen Geschäfte großer Banken berücksichtigen, sind unvollständig und damit als Grundlage für Politikempfehlungen fragwürdig. Wir schauen auf zwei neuere Arbeiten.

“It is important to understand the worldwide gross portfolio positions built up in the decade after 1999 because these set the stage for the euro area crisis.”
Galina Hale / Maurice Obstfeld

 

Wir haben in der jüngeren Zeit in zwei Artikeln – “Ein Crashkurs für die Eurokrise” und “Gefahren für das Finanzsystem: Die zwei Wellen globaler Liquidität” – auf den Beitrag international agierender Großbanken für die Eurokrise verwiesen. Dieser Aspekt spielt bei Analysen der Eurokrise durch im Ausland ansässige Ökonomen seit mehreren Jahren eine Rolle, wird aber in der deutschen Diskussion oft wenig bis gar nicht beachtet. *) Wir kehren daher mit Verweis auf zwei neuere Arbeiten zu diesem Thema zurück. **)

 

1. “The Euro and the Geography of International Debt Flows” von Galina Hale und Maurice Obstfeld unternimmt den Versuch, mit Hilfe unterschiedlicher Datensätze die relevanten internationalen Kapitalströme in den zehn Jahren vor Ausbruch der Eurokrise zu erfassen und zu deuten. Das Ergebnis entspricht dem, was in den beiden eingangs zitierten Arbeiten thematisiert wurde: “Lower interest rates allowed peripheral countries to run bigger deficits, which inflated their economies by allowing credit booms. Core EMU countries took an extra foreign leverage to expose themselves to the peripherals. The result has been asset-price bubbles and collapses in some of the peripheral countries, area-wide banking crisis, and sovereign debt problems.”

Mit der Einführung des Euro war eine Reduzierung der Renditeabstände zwischen der Peripherie und dem Kern einher gegangen, die in den Peripheriestaaten zu einer Zunahme der Verschuldung verlockten. Ein Teil dieser Finanzierung wurde durch international agierende Großbanken aus dem Kern der Währungsunion – vor allem aus Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden – vorgenommen; sei es in Form von Krediten an Banken (und seltener Unternehmen) aus der Peripherie oder in Form von Anleihenkäufen. Diese Banken aus dem Kern pumpten damit ihre Bilanzsumme und ihre Verschuldung auf. Sie finanzierten sich zu einem Teil außerhalb der Eurozone – darunter bei amerikanischen Geldmarktfonds (siehe den nächsten Abschnitt). Damit wurden die Banken aus dem Kern fragiler – und es ist nicht erstaunlich, dass gerade Banken aus Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden anschließend in erhebliche Schwierigkeiten gerieten.

De Autoren fassen zusammen: “We find strong evidence of the increase in the financial flows, both through debt markets and through bank lending, from core EMU countries to the EMU periphery. We also find that financial flows from financial centers (außerhalb der Eurozone) to core EMU countries increased, but predominantly due to increased bank lending and not portfolio debt flows.”

Mit anderen Worten: Viele internationale Anleger außerhalb der Eurozone investierten nicht direkt in der europäischen Peripherie, sondern verliehen Geld an Banken aus dem Kern der Eurozone, die damit die Peripherie finanzierten. Als mit dem Ausbruch der Eurokrise die internationalen Kapitalgeber das Vertrauen in die Banken aus dem Kern der Eurozone verloren und ihre kurzfristigen Anlagen nicht verlängerten, gerieten diese Banken in erhebliche Schwierigkeiten auf beiden Seiten der Bankbilanz: Auf der Aktivseite besaßen sie in ihrem Wert zunehmend fragwürdige Kredite und Anleihen aus der Peripherie, während ihnen auf der Passivseite eine wichtige Quelle der Refinanzierung wegbrach. ***)

 

2. The “Greatest” Carry Trade Ever? Understanding Eurozone Bank Risks von Viral V. Acharya und Sascha Steffen beschreibt die Geschäfte der international agierenden europäischen Banken aus dem Kern der Eurozone als “carry trade”: Die Banken haben sich durch die Ausgabe kurzfristiger Wertpapiere auf Märkten für Großanleger billig refinanziert und diese Gelder langfristig in der Peripherie investiert. Die Renditedifferenz wollten sie vereinnahmen. Einige Banken haben dieses Geschäft noch ausgeweitet, nachdem im Jahre 2010 die Renditen in der Peripherie zu steigen begannen. Diese Banken erwarteten, dass sich die Renditeunterschiede zu den Kernländern wieder einebnen würden – in diesem Falle hätten sie erhebliche Kursgewinne auf ihre Peripherieanleihen einkassiert. Tatsächlich aber passierte etwas anderes: Ihre kurzfristige Finanzierung wurde entweder sehr teuer oder brach ganz weg. Diese Engpässe führten zu Verkäufen von Peripherieanleihen durch Banken aus dem Kern. Als Käufer betätigten sich unter anderem Banken aus der Peripherie; zum Beispiel kauften italienische Banken zwischen Dezember 2011 und Juni 2012 rund 37 Milliarden Euro in italienische Staatsanleihen. Da aber Peripheriebanken selbst in Schwierigkeiten gerieten, griff schließlich die EZB unter anderem mit zwei großen Geldmarktgeschäften (“Dicke Bertha”) ein.

Die Autoren beschreiben diese Vorgänge nicht nur allgemein, sondern schildern auch den Fall der belgisch-französischen Großbank Dexia, die in erhebliche Schwierigkeiten geriet und für viel Geld gerettet werden musste. Ein wesentlicher Punkt der Arbeit ist der Nachweis, dass eher schwache Banken die größten Risiken eingegangen sind – ein Beleg für “moral hazard”.

Für die Zwecke unseres Artikels wichtig sind Grafiken, die einen Einblick in die Finanzierungen der europäischen Banken im Ausland gestatten. So zeigt eine Grafik von November 2010 und August 2011, wie zeitgleich die Verschuldungsmöglichkeiten der Dexia bei amerikanischen Geldmarktfonds und der Aktienkurs der Dexia zurückgegangen sind.

Auf einer aggregierten Ebene zeigt sich, dass die von amerikanischen Geldmarktfonds gehaltenen kurzfristigen Wertpapiere europäischer Banken (nicht nur aus der Eurozone) zwischen Januar 2011 und Herbst 2012 von gut 450 Milliarden Dollar auf weniger als 200 Milliarden Dollar zurückgegangen sind. Damit verloren die Banken eine wichtige auf einem anderen Kontinent liegende Refinanzierungsquelle für ihre Geschäfte, was ihre Nöte und damit die Eurokrise verschärfte – während im gleichen Zeitraum die amerikanischen Geldmarktfonds ihre Bestände an kurzfristigen Anlagen skandinavischer Banken aufbauten.

 

 

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*) Dies ist keine Generalkritik. So hat sich Claudia Buch schon vor der Krise mit der Entwicklung des grenzüberschreitenden Bankgeschäfts in der Eurozone befasst.

**) “Finance at Center Stage: Some Lessons of the Euro Crisis” lautet eine weitere, in der Fachliteratur häufig zitierte Zusammenfassung mit einem treffenden Titel aus der Feder von Maurice Obstfeld (Berkeley).

**) Das Beispiel zeigt, wie schwierig es in einer solchen Krise sein kann, genau zwischen Liquiditäts- und Solvenzproblemen zu unterscheiden – und damit das geeignete Politikinstrument zu wählen. Der Wegfall der kurzfristigen Refinanzierung beschrieb ein Liquiditätsproblem, während der nachlassende Wert der Aktiva angesichts der geringen Ausstattung mit Eigenkapital eher ein Solvenzproblem darstellt.