Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Gedanken zu einer umstrittenen Abwertung

Gedanken zu der Debatte über die Abwertung des Euro von mir sind am vergangenen Samstag im Finanzteil der F.A.Z. und im Internet erschienen.

An dieser Stelle möchte ich zu drei Themen Ergänzungen vornehmen und ein paar Literaturhinweise nennen:

 

Betreibt die EZB tatsächlich Wechselkurspolitik?

Die EZB macht in der Praxis etwas, was in der Vergangenheit auch andere Zentralbanken schon betrieben haben: Sie nennt offiziell kein Wechselkursziel, sondern betont ihre Ausrichtung am binnenwirtschaftlichen Ziel der Preisniveaustabilität. Gleichzeitig erkennt sie aber den Wechselkurs als einen geldpolitischen Übertragungsweg und natürlich hofft sie darauf, dass ein billigerer Euro den Export unterstützt, auch wenn sie Letzteres vielleicht nicht offiziell sagt. Vizepräsident Vitor Constancio sagte in einem Interview mit der Börsenzeitung: “Wir haben nicht eine einzelne Maßnahme ergriffen, die direkt auf den Wechselkurs gemünzt war. Das kann niemand behaupten. Mit unserer Geldpolitik zielen wir auf heimische Ziele. Dazu sind wir berechtigt aufgrund der schwierigen Situation, in der wir uns mit der niedrigen Inflation befinden. Natürlich weiß jeder, dass Geldpolitik unvermeidbar Folgen für den Wechselkurs hat. Die Abwertung des Euro ist eine Nebenwirkung unserer Politik. Entscheidend ist aber, was das heimische Ziel ist.”

Wechselkurssteuerung ist schon oft betrieben worden – so war Deutschland in den achtziger Jahren am Plaza-Abkommen wie am Louvre-Abkommen beteiligt. In beiden Fällen ging es wesentlich um die Beeinflussung der Bewertung des Dollar unter anderem gegenüber der D-Mark an den Devisenmärkten durch internationale Kooperation.

 

Frankreich, der Goldstandard und der Abwertungswettlauf

Das Thema “Abwertungswettlauf” wurde erstmals mit Blick auf den Zusammenbruch des verbleibenden Goldstandards in der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts erörtert.

Besonders interessant ist hier die Rolle Frankreichs. Frankreich gehörte ja nicht nur mit Italien zu den Ländern, die sehr lange im Goldstandard verblieben und sich erst 1936 abwandten , während andere Länder wie Großbritannien und die Vereinigten Staaten schon früher abwerteten. Deutschland machte wegen seiner Devisenbewirtschaftung schon seit 1931 nicht mehr richtig mit. Das ist in meinem oben verlinkten Text beschrieben.

Interessant ist auch, dass Frankreich in Fachdiskussionen seit einiger Zeit neben den Vereinigten Staaten als einer der wichtigsten Verursacher der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre gilt. Der Vorwurf lautet, Frankreich habe von 1928 bis 1932 einen signifikanten Teil der Goldreserven angehäuft (was unbestreitbar ist), aber durch eine geldpolitische “Sterilisierung” dieser Zuflüsse eine entsprechende Zunahme der französischen Geldmenge nicht zugelassen (was kontrovers diskutiert worden ist). Mit anderen Worten: Der Vorwurf lautet,  Frankreich habe eine zu restriktive Geldpolitik betrieben. Hier ist eine Zusammenfassung der neueren Diskussion. Nützliche Einblicke in das Thema Abwertungswettlauf geben auch Arbeiten von Barry Eichengreen, zum Beispiel hier.

 

Dornbusch und die überschießenden Wechselkurse

Wie wird es mit dem Wechselkurs des Euro weiter gehen? De Analysten der Commerzbank schreiben in ihrem aktuellen Marktbericht: “Der Euro wird gegenüber dem Dollar abwerten! Darin sind sich nahezu alle Analysten – uns eingeschlossen – einig. Aber wie tief wird er fallen, und wie schnell wird dies passieren? Unser Wechselkursmodell und die Kaufkraftparitäten sprechen gegen ein baldiges Erreichen der Parität. Zudem dürfte der von uns erwartete Rutsch Richtung 1,20 Dollar erst kommendes Jahr erfolgen, wenn die Fed die Zinswende einleitet und die EZB mit Staatsanleihenkäufen wohl genau in die entgegengesetzte Richtung steuert. In einem solchen Umfeld sind Extremszenarien möglich, und wer langfristige EUR-USD-Positionen hält, sollte auf sie vorbereitet sein. Auf sie zu spekulieren ergibt allerdings kaum Sinn.”

Die Erfahrung zeigt, dass sich Wechselkurse nur sehr schwer prognostizieren lassen. Wir wollen nur vorsichtig darauf hinweisen, dass gerade Anhänger der These einer  sehr starken Abwertung des Euro einen Blick auf das in der Fachwelt berühmte “Overshooting”-Modell Rüdiger Dornbuschs werfen könnten. Kurz zur Person: Rüdiger Dornbusch (1942 bis 2002) stammte aus Krefeld, ging aber schon als junger Mann in die Vereinigten Staaten, wo er in Chicago bei Koryphäen wie Milton Friedman und Robert Mundell studierte. Später war er lange Zeit Professor am angesehenen Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo unter anderem Ken Rogoff, Larry Summers und Paul Krugman zu seinen Studenten gehörten. Dornbusch galt als einer der führenden Außenwirtschaftsökonomen seiner Zeit; sein erstmals 1976 veröffentlichtes Modell überschießender Wechselkurse íst in die Lehrbücher eingegangen.

Sein Inhalt lautet wie folgt: In einer Welt, in der Finanzmarktpreise völlig flexibel sind, Güterpreise aber nur mit Verzögerung reagieren, sorgt ein geldpolitischer Impuls in einem Land für ein vorübergehendes Überschießen des Wechselkurses über sein eigentlich angemessenes Niveau. Diese Übertreibung korrigiert sich im Laufe der Zeit. Das heißt: Sollten wir aktuell in einer “Dornbusch-Welt” sein, wird sich die Abwertung des Euro nicht als Einbahnstraße erweisen. Eine sehr schöne Zusammenfassung und Einordnung des Overshooting-Modells stammt von Ken Rogoff.