Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Der Wettbewerb hat Europa stark gemacht

Europas Kultur dominiert die Welt. Doch dafür hat Europa Jahrhunderte lang einen hohen Preis gezahlt.

Musketen hatten auch die Europäer, als sie in Amerika eingewandert waren.© APMusketen hatten auch die Europäer, als sie in Amerika eingewandert waren.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten in einer Zeitmaschine zurück ins Jahr 900 reisen und dort ein paar Monate verbringen. Wohin würden Sie reisen wollen? Der Wirtschaftshistoriker Philip Hoffman vom California Institute of Technology gibt seinen Lesern in seinem neuen Buch einen Rat: Gehen Sie bloß nicht nach Westeuropa. Die Region war arm, voller Gewalt und im politischen Chaos versunken. Wie hat es diese einst hoffnungslos rückständige Region geschafft, im 18. und 19. Jahrhundert fast die ganze Welt zu erobern und mit ihren ehemaligen Kolonien die Welt bis ins 21. Jahrhundert hinein zu dominieren?

Wie schafften es kleine Eroberertruppen der Europäer in Südamerika, große Heere in die Knie zu zwingen? Wie bekamen sie die nötigen Verbündeten?

Hoffmans erste Antwort ist nicht weiter überraschend: Die Europäer profitierten davon, dass sie den Umgang mit Schießpulver gut beherrschten und ihre Kriegskunst immer weiter verfeinert hatten. Er rechnet sogar vor, wie die Produktivität der europäischen Gewehre im Lauf der Jahrhunderte immer besser wurde, weil sie in der Anschaffung günstiger wurden und gleichzeitig besser trafen.

Europas Fürsten standen immer im Wettbewerb

Warum aber schaffte es ausgerechnet das rückständige Europa, sich militärisch so fortzuentwickeln? Der Historiker argumentiert: Es war der Wettbewerb. „Turnier“ nennt Hoffman den nicht enden wollenden Konkurrenzkampf zwischen den Mächten in Europa. Auf diesem kleinen Stück Land bildete sich keine Macht, die den Kontinent befriedete. Gleichzeitig hatten Europas Fürsten gut ausgebaute Finanzsysteme zur Verfügung, dank derer sie sich immer wieder neues Geld für ihre Feldzüge beschaffen konnten.

So trieb der Wettbewerb die europäischen Staaten immer wieder gegeneinander in den Kampf. Sie warben einander das Personal ab, das Strategie und Technik beherrschte. Und sie entwickelten beides weiter – in der immerwährenden Auseinandersetzung. Als die europäischen Handelskompagnien nach Asien kamen, hatten die dortigen Herrscher ihnen nichts entgegenzusetzen. Die Europäer bauten leichte Festungen, und keiner in Asien wusste sie zu knacken. Nur der chinesische Herrscher Koxinga lernte dank eines deutschen Überläufers, wie man gegen so eine Festung ankam. Doch bald nach seinem Tod war das Wissen wieder vergessen. Die Europäer bauten ihre Festungen zwar in den nächsten Jahrhunderten weiter aus – das taten sie aber vor allem im gegenseitigen Konkurrenzkampf, argumentiert Hoffman. Von den Chinesen hatten sie nichts zu befürchten.

Doch der immerwährende Kampf war für die Bevölkerung nicht angenehm, argumentiert Hoffman. Sie hatten mehr zu leiden, als es ihnen lieb war. Im 18. und 19. Jahrhundert hatten die europäischen Staaten Kolonien auf der ganzen Welt – aber was half es ihnen? Nicht genug, findet Hoffman. Auf der anderen Seite gilt aber auch: Die Staaten, in denen es diesen Wettbewerb nicht gab, waren die eroberten. Ihnen ging es sicher nicht besser.

Philip T. Hoffman: Why did Europe Conquer the World? Princeton University Press, 312 Seiten, 29,95 Dollar.

 

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