Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Glück allein macht auch nicht glücklich

Alle wollen glücklich werden. Aber was heißt das?

Babys machen auch nicht immer glücklich© dpaBabys bringen auch nicht das pure Glück

Wäre es nicht besser, man würde das Bruttoinlandsprodukt überhaupt nicht mehr messen? Die Kritik am BIP ist jedenfalls groß: Umweltzerstörung werde nicht ordentlich berücksichtigt. Freiwillige Arbeit erhöhe das BIP auch nicht. Und überhaupt: Dass die Deutschen heute nicht mehr 1000 kostenpflichtige SMS im Jahr, sondern ein Vielfaches an kostenlosen Whatsapp-Nachrichten verschicken, wird nicht mitgezählt. Ebenso wenig der gebührenfreie Zugriff auf Wikipedia.

Wäre es da nicht besser, in Zukunft den schnöden Mammon zu ignorieren und danach zu fragen, ob die Menschen glücklich sind? Viele fragen so – doch Vorsicht! Denn mit dem Glück ist es gar nicht so leicht. Bedeutet viel Geld auf dem Konto Glück? Oder eine große Familie? Oder ein sonniger Tag am Baggersee? Und was, wenn man sich zwischen diesen schönen Dingen entscheiden muss? Tatsächlich beginnen die Experten erst langsam zu verstehen, was Glück überhaupt ist.

Drei Arten von Glück

Mindestens drei unterschiedliche Arten von Glück haben Psychologen und Ökonomen bis jetzt gefunden.

Die erste ist ein ziemlich kurzfristiges, emotionales Glück: Wer die Menschen schlicht danach fragt, ob sie „glücklich“ sind, bekommt oft eine ziemlich launische Antwort. Freitagabends sind die Menschen demzufolge glücklicher als am Montagmorgen. Wenn die Sonne scheint, sind fast alle glücklicher. Und wer schlecht geschlafen hat, gibt sich selten eine hohe Punktzahl. Aber: Auch nach schweren Schicksalsschlägen, etwa nach dem Tod von Angehörigen, pendelt sich das kurzfristige, launische Glück fast immer relativ schnell auf den alten Wert ein, der vom individuellen Temperament abhängt.

Bei der zweiten Art von Glück lautet die Frage: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben?“ Der dritte Typ Glück zielt noch weiter auf Erfolg und Lebensumstände. Wenn sich Menschen vorstellen sollen, wo sie auf der Leiter des Lebens stehen – ganz unten oder weiter oben –, dann betrachten sie ihr Leben eher als Ganzes.

Entsprechend unterschiedlich sind die Antworten. Wenn die Menschen ihr ganzes Leben betrachten, kommt es plötzlich nicht mehr so auf Wochentag oder Wetter an. Sondern mehr auf klassische Erfolgskriterien. Auch Geld spielt plötzlich eine größere Rolle. Zusätzliches Geld verbessert die Laune praktisch nicht mehr, wenn man erst mal ungefähr 60.000 Euro im Jahr verdient. Wer aber die Leiter des Lebens betrachtet, der kann gar nicht genug Geld bekommen.

Kinder machen nicht immer glücklich

Ein paar Lebensumstände wirken sich auf alle Arten des Glücks gleichermaßen aus. Wer ständig Schmerzen erleidet, der ist oft weder mit dem Leben zufrieden noch richtig gutgelaunt. Doch oft ist es mit dem Glück vertrackt. Alles auf einmal bekommt man selten. Wer zum Beispiel arbeitslos ist, der ist oft mit dem Leben unzufrieden, angesichts der vielen Freizeit aber kurzfristig gar nicht schlecht gelaunt. Mit Kindern verhält es sich genau umgekehrt: Eltern bewerten ihr Leben oft deutlich besser als Kinderlose – doch wer unausgeschlafen Kinder beaufsichtigen muss, hat dabei nicht die beste Laune.

Und wie wägt man jetzt zwischen diesen unterschiedlichen Arten von Glück ab? Das ist gar nicht so leicht. Von Platon bis Nietzsche haben Philosophen darüber nachgedacht, was wirklich glücklich macht, und sind zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen. Stattdessen könnte man die Menschen selbst fragen. Das haben in den vergangenen Jahren gleich zwei Ökonomen-Teams gemacht, und zwar mit Tausenden Amerikanern.

Lieber ein hoch bezahlter Beruf? Oder viel Zeit zum Schlafen?

Beide Teams eint der Glaube, dass man die Menschen nicht direkt fragen kann, was ihnen am wichtigsten ist – die Antworten darauf wären zu wechselhaft. Stattdessen verfolgen die Forscher indirekte Strategien. Das erste Team ließ die Befragten entscheiden: Lieber ein hochbezahlter Beruf, der wenig Zeit zum Schlafen lässt? Oder umgekehrt? Lieber ins Konzert gehen oder lieber die Pflicht erfüllen? Und so weiter.

Das zweite Team probierte es auf anderem Weg: Es fragte die Leute, ob sie Ideen hätten, wie sie noch glücklicher werden könnten – oder mit ihrem Leben noch zufriedener. Dann fragten sie, ob die Ideen realistisch sind und warum die Leute sie bisher nicht verwirklicht hätten. Die Idee: Wenn die Leute keine realistische Idee mehr haben, wie sie eine Dimension des Glücks noch verbessern können – dann haben sie offensichtlich schon vorher viel dafür getan, besonders glücklich zu werden.

So unterschiedlich die Fragen auch waren, so ähnlich waren die Ergebnisse der beiden Teams. Die kurzfristige Laune scheint den meisten Leuten nicht so wichtig zu sein. Auch die ganz rationale Erfolgsmessung, ob man das bestmögliche Leben führt, ist nicht die relevanteste. Stattdessen sind die Menschen offenbar ziemlich gut darin, ihr Leben so einzurichten, dass sie selbst erst einmal zufrieden sind. Doch die Bemühungen haben Grenzen. Mindestens ein Zehntel der Leute verzichtet freiwillig darauf, sich das Leben schöner zu machen. Meistens tun sie das, um anderen in der Familie das Leben zu erleichtern. Junge Menschen stecken manchmal noch Zeit oder Geld in ihre Zukunft und verderben sich so das Leben teilweise. Erst im Alter hören die Menschen auf, Kompromisse einzugehen. Es ist dann auch nicht mehr so nötig, vermuten die Forscher.

Wer gutgelaunt ist, hat das Glück noch nicht gepachtet

Damit sind immerhin schon mal zwei Dinge halbwegs sicher: Wer nur gutgelaunt ist, hat das Glück noch nicht gepachtet. Wer mit seinem Leben zufrieden ist, der ist schon näher am großen Glück – aber eben auch nicht immer.

Einige große Rätsel bleiben: Welches Glück ist wichtiger – das, auf das wir uns freuen? Das wir gerade erleben? Oder an das wir uns erinnern können?

Nobelpreisträger Daniel Kahneman erklärt in einem hervorragenden Ted-Vortrag, wie unzuverlässig unsere Einschätzungen im Hinblick auf Erleben und Erinnern sind. Beispiel: Darmspiegelung. Das kann eine unangenehme Sache sein. Die Patienten haben aber eine bessere Erinnerung an die Prozedur, wenn der Arzt nach der eigentlichen Untersuchung nicht aufhört, sondern mit den Geräten noch eine Weile weitermacht – Hauptsache, er ist dann etwas sanfter. Fürs Erleben ist das nicht angenehm, fürs Erinnern offenbar schon.

Auch was das Geld betrifft, sind einige Fragen offen. Sicher ist: Je reicher ein Land ist, desto zufriedener sind die Menschen. Aber was passiert, wenn ein Land im Lauf der Jahre immer reicher wird – werden die Menschen dann auch immer zufriedener? Das ist hochumstritten. Manche Forscher sagen: Der ganze Fortschritt hat uns kein zusätzliches Glück gebracht. Zum Beispiel glauben viele Amerikaner, dass es dem Geburtsjahrgang 1950 im Leben besser ergangen ist als dem Geburtsjahrgang 1990. Doch wenn sie sich entscheiden müssen, in welchem Jahr sie lieber geboren wären – dann wählen viele Amerikaner trotzdem das Jahr 1990. Glücklich zu werden ist wirklich nicht leicht.

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