Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Krugman und Finanzkrisen: Die Theorie hinter dem Euro (Teil 2 von 3)

Auf der Suche nach einer Theorie hinter dem Euro haben wir uns im ersten Teil mit der Diskussion um den „optimalen Währungsraum“ befasst und die drei wichtigen Arbeiten der Ökonomen Robert Mundell, Ronald McKinnon und Peter Kennen herausgestellt. Sie sind die Basis einer entsprechenden Fachliteratur und begründen wesentlich das theoretische Fundament der Währungsunion. Einen wichtigen, aber versteckteren Beitrag aus einer anderen Richtung hat ein sehr bekannter amerikanischer Forscher geleistet: der Nobelpreisträger und Blogger Paul Krugman.

Krugman studierte in den siebziger Jahren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Volkswirtschaftslehre. Im Jahr 1975 kam Rudiger Dornbusch an die schon damals äußerst renommierte Fakultät, ein Ökonom, der sich besonders für internationale Wirtschafts- und Finanzzusammenhänge interessierte. Krugman erinnerte sich in einem autobiografischen Aufsatz einmal daran, wie sehr ihn beeindruckt habe, dass Regierungen und Banken Dornbusch um Rat fragten. „Ich weiß nicht, ob die Möglichkeit eines solchen Bedeutungszuwachses neu war, auf jeden Fall war sie es für mich.“

Zu jener Zeit fragte der Präsident der portugiesischen Zentralbank, Jose da Silva Lopes, den damaligen MIT-Professor Dick Eckaus an, ob nicht eine Gruppe Fachleute von der Universität die Notenbank vorübergehend in einigen Fragen beraten könne. Ein Jahr später, 1976, entsandte das MIT dann eine Gruppe Studenten, darunter Krugman, nach Lissabon. Für Krugman war dies in mehrfacher Hinsicht eine wohl wichtige Erfahrung: „Was ich dort lernte war, wie mächtig einfache ökonomische Ideen sind und zugleich wie unnütz Theorien, die keinen praktischen Bezug haben.“

Das erste Währungskrisen-Modell

Der Notenbankpräsident hat ihn in vielerlei Hinsicht inspiriert, schrieb Krugman später einmal in einem Nachruf. Ein Satz ist im besonders im Gedächtnis geblieben. Es ging um Währungsreserven und Lopes sagte zu Krugman: „Wenn ich sechs Monate Reserven habe, dann bedeutet das, ich werde gar keine Reserven haben.“

Basierend auch auf dieser Aussage schrieb Krugman etwas später, im Jahr 1979, einen Aufsatz mit dem nüchternen Titel „A Model of Balance-of-Payments Problems“, den das Journal of Money, Credit and Banking druckte. Rückblickend ist dies so etwas wie das erste echte Währungskrisen-Modell. Krugman befasst sich darin mit der Frage, ob und warum ein Währungs-Regime stabil ist. Zum Beispiel, ob ein Land nachhaltig in der Lage ist, den Wechselkurs seiner Währung auf einem bestimmten Niveau zu fixieren oder nicht.

Es geht um die Erwartungen

Kurz zusammengefasst ergibt sich aus Krugmans Modell das Folgende: Die Entscheidung, die Währung zu fixieren (oder frei schwanken zu lassen) muss insgesamt zur Wirtschaftspolitik passen, um stabil zu sein, darf nicht in Konflikt geraten zu den finanzpolitischen und geldpolitischen Zielen. Entscheidet die Notenbank eines Landes beispielsweise, ihre Politik expansiver auszurichten und will sie gleichzeitig den Wechselkurs der Währung stabil halten, muss sie dafür im Endeffekt Währungsreserven aufwenden.

Zunächst liegt die Vermutung nahe, dass die Währungsreserven langsam und stetig sinken bis auf null und die Notenbank danach entweder den Wechselkurs freigeben oder ihre Geldpolitik wieder straffen muss. Ein wesentliches Ergebnis von Krugmans Analyse ist nun, dass dies nicht in dieser Weise geschieht, sondern an einem Punkt die Währungsreserven auf einen Schlag komplett aufgebracht werden müssten infolge einer spekulativen „Attacke“. Die Anleger wollen in diesem Szenario schon in Erwartung einer Abwertung ihre Anlagen in heimischer Währung komplett umtauschen in ausländische Währung und absorbieren schlicht die bereitgestellten Währungsreserven der Notenbank zu jedem Zeitpunkt komplett.

Außerdem geht aus diesem Modell-Rahmen hervor, dass ursächlich für die Währungskrise zumal die erwartete Fiskal- und Geldpolitik des Landes ist und nicht die vergangene. Ein in der Vergangenheit zum Beispiel erzielter Haushaltsüberschuss ist demzufolge kein vernünftiger Grund dafür, die Möglichkeit einer künftigen Währungskrise grundsätzlich auszuschließen.

Was TARGET macht

Eine essentielle praktische Schlussfolgerung aus dem Modell , die sich offenkundig nicht nur innerhalb der Wirtschaftslehre damals vermittelt hat, lautet: Ein System fester Wechselkurse ist stabil, wenn die beteiligten Länder eine nachhaltig solide Finanzpolitik betreiben, die auch so wahrgenommen wird. Die beiden Ökonomen Robert Flood und Peter Garber haben im Jahr 1984 dieses Modell etwas verfeinert (nach Ansicht Krugmans haben sie es besser und klarer aufgeschrieben als er selbst) in einem Beitrag, der unter dem Titel „Collapsing Exchange Rate Regimes. Some Linear Examples“ im Journal of International Economics erschien.

Nun ist der Euro kein klassisches System fester Wechselkurse. Vielmehr haben die beteiligten Länder ihre Währungen aufgegeben und es gibt nur eine gemeinsame. Im vor 25 Jahren unterzeichneten Vertrag von Maastricht sind die Ergebnisse des Krugman-Modells gleichwohl ziemlich präsent: Es gibt Kriterien für die Haushalts-Defizite der Staaten der Währungsunion und für ihre Verschuldung insgesamt. Sie soll(t)en eine solide Finanzpolitik gewährleisten und dem Euro-Raum ebenjene beschriebene Art Währungskrise ersparen.

Die Euro-Erbauer haben aber noch mehr gemacht als das. Womöglich unter der Ahnung, dass einmal unter bestimmten (Wachstums-)Annahmen gefasste konkrete Haushaltskriterien nicht ausreichen, um die Währungsunion dauerhaft robust zu machen, haben sie im Grunde die Währungsreserven der Notenbanken der beteiligten Länder gebündelt. Guido Lorenzoni, Professor an der Northwestern University in den Vereinigten Staaten, erklärt das in einem lesenswerten Überblicksartikel über Finanzkrisen so: „Die Situation in einer Währungsunion ist äquivalent zu einem System fixer Wechselkurse, in dem die nationalen Notenbanken daran gebunden sind, sich gegenseitig unlimitiert Reserven bereitzustellen, um den Peg zu verteidigen. Im Kontext der Europäischen Währungsunion ist so ein Arrangement explizit gemacht worden im Funktionieren des Zahlungssystems, des sogenannten TARGET2-Systems.“ Wie dieser Stabilitätsmechanismus in der Praxis funktioniert, zeigte sich infolge der Euro-Krise bekanntlich in den Veränderungen der TARGET-Salden. Ein klassisches System fester Wechselkurse hätte einen entsprechenden Stress mutmaßlich nicht ausgehalten.