Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Die Geldpolitik hat kaum Einfluss auf die Zinsmarge der Banken

Eine populäre These besagt: Wenn die Leitzinsen steigen, kommen Banken in Schwierigkeiten, weil sie die kurzfristigen Einlagen ihrer Kunden höher verzinsen müssen, während die oft für viele Jahre festgelegten Zinssätze für die vergebenen Kredite nicht schnell erhöht werden können. Eine Studie aus Amerika besagt: Die These ist unsinnig.

In den meisten Banken ist die durchschnittliche Laufzeit der Forderungen, das sind in erster Linie vergebene Kredite und Wertpapierbestände, größer als die durchschnittliche Laufzeit der Verbindlichkeiten, zu denen in erster Linie die Einlagen der Kunden zählen. Das ist von den Banken so gewollt, weil normalerweise die langfristigen Zinsen höher sind als die kurzfristigen Zinsen.

Die Differenz, die sogenannte Zinsmarge, ist eine entscheidende Bestimmungsgröße für die Gewinne der Banken aus dem Zinsgeschäft. Die unterschiedliche Fristigkeit von Forderungen und Verbindlichkeiten einer Bank wird in der Fachwelt als “Fristentransformation” bezeichnet.1)

Wo ist das Problem? Nehmen wir einmal an, die Notenbanken erhöhten ihren kurzfristigen Leitzins. Das wäre, wie vor allem Finanzunternehmen und ein paar notorisch aufgeregte Ökonomen beklagen, eine Quelle großer Probleme für die Banken, weil sie dann die Zinsen für ihre kurzfristigen Kundeneinlagen erhöhen müssten, aber die oft auf Jahre festgelegten Kreditzinssätze erst nach Jahren heraufsetzen könnten. Das heißt, die Zinsmarge der Banken reduzierte sich und die Banken  würden leiden. Das führt manche Zeitgenossen in der deutschen Finanzbranche zu der düsteren Prognose, dass die Notenbanken in einer Fall säßen, weil alles zusammenbreche, wenn sie es wagen sollten, ihre kurzfristigen Leitzinsen zu erhöhen. Das ist die Fiktion.

Fakt ist: Die These ist zumindest für die Vereinigten Staaten unsinnig, wie eine bemerkenswerte Arbeit dreier Ökonomen der New York University belegt. Sie haben den Bankenmarkt der Vereinigten Staaten für den Zeitraum von 1955 bis 2013 untersucht. Die Fristentransformation war dort recht ausgeprägt, denn die durchschnittliche Zinsbindung der Verbindlichkeiten betrug 0,4 Jahre, jene der Forderungen der Banken aber 4,1 Jahre.

Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse stehen im Gegensatz zu liebgewordenen Überzeugungen:

  • Es gibt keinen engen Zusammenhang zwischen der Zinsmarge der Banken und ihrer Gesamtkapitalrendite auf der einen Seite und der Zinspolitik der Notenbank. Obgleich der Leitzins der Fed sehr stark schwankte, bewegte sich die Zinsmarge in einem schmalen Korridor von 2,2 und 3,7 Prozent.
  • Der wesentliche Grund hierfür ist die Marktmacht der Banken, die es ihnen gerade bei steigenden Notenbankzinsen gestattet, starken Einfluss auf den Zins für ihre kurzfristigen Kundeneinlagen zu nehmen. 70 Prozent der Verbindlichkeiten der Banken bestehen aus solchen Kundeneinlagen.
  • Die Marktmacht lässt sich erkennen, indem man den Zinssatz für kurzfristige Kundeneinlagen mit einem Zins für kurzfristige Geldmarktpapiere vergleicht. Der Abstand zwischen diesen beiden Zinsen nimmt immer dann zu, wenn die Notenbank ihren Leitzins erhöht. Mit anderen Worten: Wenn die Fed ihren Leitzins erhöht, steigt, wie zu erwarten, der Zinssatz für kurzfristige Geldmarktpapiere schnell, während die Banken ihre Marktmacht nutzen, um den Einlagenzins nur mit Verzögerung zu erhöhen.

Die Autoren ziehen zwei Schlüsse, die fruchtbare Diskussionen anregen sollten:

  • Der erste Schluss ist, dass die Kundeneinlagen von Banken nicht alleine als Kostenblock, sondern auch als Instrument zur Gewinnerzielung gesehen werden.
  • Und zweitens erweist sich Fristentransformation in diesem Modell nicht als Quelle von Risiken, sondern als Instrument zur Reduzierung von Risiken – Forderungen mit langer Zinsbindung sind ein Bestandteil einer Bankpolitik, die auch bei großen Schwankungen des kurzfristigen Notenbankzinses eine weitgehende Stabilisierung der Zinsmarge gestattet.2)

 

Anmerkungen:


  1. Die Fristentransformation steht im Widerspruch zur ehrwürdigen “Goldenen Bankregel”, nach der Forderungen und Verbindlichkeiten identische Laufzeiten haben sollen, um Zinsänderungsrisiken zu begrenzen. Es gibt nicht nur Spezialfinanzierer, die sich an der “Goldenen Bankregel” orientieren, sondern auch normale Banken, die durch Termingeschäfte mit Zinsprodukten (“Zinsswaps”) aus der Fristentransformation entstehende Risiken reduzieren. Es ist kein Zufall, dass Zinsswaps die mit Abstand umsatzstärksten Finanz-Terminprodukte sind – die Bilanzsteuerung von Banken spielt hier eine wichtige Rolle.
  2. Nicht unser Thema heute ist die moderne, ziemlich komplex gewordene und überdies in Bewegung befindliche Theorie der Bank, zu der die Autoren einen Beitrag leisten wollen. Hier ein Zitat: “Our contribution is to offer an explanation for why banks engage simultaneously in maturity transformation and deposit taking. We argue that market power in deposit markets and the costs associated with maintaining it lower the interest rate sensitivity of banks’ expenditures so they resemble fixed-rate liabilities. Under these conditions, maturity mismatch actually reduces interest rate risk. Consistent with this view, we find that banks set their maturity mismatch so that they face minimal interest rate risk. This has allowed the banking sector to maintain near-constant profitability in the face of deep cycles and prolonged trends in interest rates over the past sixty years…  Instead of a risk-taking explanation, we provide a risk-management explanation for why banks engage in maturity transformation, one that does not require the presence of a term premium. While both risk-taking and risk-management are consistent with maturity transformation in general, the risk-management explanation makes the strong prediction that we should observe one-to-one matching between between banks’ interest income and interest expense.”