Thomas Piketty hat mit einem Ungleichheits-Buch Furore gemacht. Lange hieß es: Die Daten sind gut, aber die Folgerungen zweifelhaft. Jetzt werden auch die Daten angegriffen.
Der französische Ungleichheitsforscher Thomas Piketty kommt einmal mehr in die Kritik. In seinem 2013 erschienenen Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ trägt er Vermögensdaten der vergangenen Jahrhunderte zusammen und folgert, die Welt entwickle sich zu einer Erbengemeinschaft, in der die Reichen ihre Vermögen immer weiter steigern. Für diese Folgerung hat er von Anfang an viel Widerspruch bekommen. Nach einer Diskussion bei der amerikanischen Ökonomentagung sagte er selbst, seine Kernthese sei nicht das wichtigste Werkzeug, um Ungleichheit in der aktuellen Zeit zu erklären. Seine Leistung, historische Daten zusammenzustellen, galt dagegen bisher als vorbildlich. Wirtschaftshistoriker Hans-Joachim Voth fasste die Kritik mit dem Satz zusammen: Pikettys historische Analyse sei weitgehend richtig, doch seine Vorhersagen über die weitere Entwicklung der Ungleichheit ließen sich daraus nicht ableiten.
Doch nun mehrt sich auch die Kritik an Pikettys Daten. Der angesehene Wirtschaftshistoriker Richard Sutch hat für die Vereinigten Staaten nachgerechnet und einige fragwürdige Vorgehensweisen entdeckt, die er Piketty nun in der Fachzeitschrift „Social Science History“ vorwirft. Piketty peile zu viele Zahlen über den Daumen, und zwar mit unklaren Annahmen. Wenn ihm Daten fehlten, zeichne er gelegentlich einfach eine gerade Linie in seine Grafiken. Auf diese Weise gingen wichtige Ungleichheitstrends unter – zum Beispiel, dass in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in Amerika der Vermögensanteil der Reichen gesunken und später wieder gestiegen sei. Solche Details seien aber wichtig, um Politikmaßnahmen einzuschätzen. „Die Daten für den Vermögensanteil der reichsten zehn Prozent zwischen 1870 und 1970 sind unzuverlässig“, folgert Sutch. Gleiches gelte für das reichste Prozent im 19. Jahrhundert.
“Piketty dramatisiert langfristige Entwicklungen”
„Pikettys Datenmanipulation war dazu gedacht, langfristige Entwicklungen zu dramatisieren, ohne in der Erzählung zu viel Rücksicht auf kurzfristige Einzelheiten der Wirtschaftsgeschichte zu nehmen“, schreibt Sutch. „Historiker mit anderen Interessen als Piketty sollten seine Zahlen nicht unkritisch verwenden.“ Und: „Insgesamt entsteht ein irreführendes Bild der Entwicklung von Vermögensungleichheit.“ Piketty selbst verteidigt sich damit, dass er schon im Buch darauf hingewiesen habe, dass die Datenlage dünn sei. Die Zahlen seien „unsicher“, hieß es im Buch.
Sutch ist der erste angesehene Wirtschaftshistoriker, der Kritik an Pikettys Daten vorbringt. Er bestätigt mit seiner Arbeit weitgehend Vorwürfe, die zwei Wirtschaftshistoriker schon gemacht hatten, die unter Ökonomen gelegentlich als liberale Propagandisten gelten, nämlich Phillip Magness und Robert Murphy. Gleichzeitig stützt Sutch eine weitere Kritik, die vor drei Jahren kam: Damals hatte die „Financial Times“ Piketty Datenprobleme vorgeworfen. Piketty widersprach, doch Sutch stellt sich jetzt hinter die britische Zeitung. Wie hart die Kritik insgesamt ist, zeigt ein einzelner Satz: Sutch betont, dass er Pikettys Integrität als Forscher nicht angreifen möchte.
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