Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

“Griechenlands Schulden sind nicht tragfähig”

In der Eurozone ist es um Griechenland ruhig geworden. Jetzt meldet sich mit eine internationale Ökonomengruppe mit der These: Athen wird auf Dauer mit der Schuldenlast nicht umgehen können. Sie spielen drei Szenarien durch.

Vorausgeschickt sei eine Warnung: Langfristige Analysen der Schuldentragfähigkeit eines Landes sind schwierig, weil die wirtschaftliche und politische Entwicklung über Jahrzehnte schwer prognostizierbar ist und in langfristigen Simulationen häufig schon geringe Änderungen von Annahmen – etwa über das Wirtschaftswachstum oder die Inflationsrate – die Ergebnisse nachhaltig verändern können.1)

Eine Gruppe internationaler Ökonomen2) hat sich in einer interessanten Studie mit der langfristigen Tragbarkeit der griechischen Staatsverschuldung befasst. Und anders als die Eurogruppe ist sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verschuldung nicht tragfähig ist. Die Studie besteht neben einer Kritik an der Position der Eurogruppe aus der Präsentation von drei alternativen Wegen, mit der griechischen Staatsverschuldung umzugehen, von denen aus der Sicht der Autoren aber nur einer gangbar ist: Griechenland braucht irgendeine Form der Umschuldung.

Nach den Vorstellungen der Eurogruppe soll Griechenland über Jahrzehnte kontinuierlich Primärüberschüsse – der Primärsaldo ist der um Zinszahlungen bereinigte Haushaltssaldo – erzielen und damit seine Schulden langfristig abtragen. Neue Schulden sollen über den Kapitalmarkt finanziert werden, wobei die Eurogruppe davon ausgeht, dass der Kapitalmarkt eine unsolide Haushaltspolitik mit hohen Renditeforderungen für die neuen Anleihen bestraft.

Die Ökonomengruppe schüttelt ob dieser Vorstellungen fassungslos den Kopf – anders kann man ihre Reaktion nicht deuten. Zum einen verweist sie darauf, dass in der Vergangenheit auch wirtschaftlich deutlich stärkere Länder Schwierigkeiten hatten, über lange Zeit kontinuierlich Primärüberschüsse zu erzielen. Diese Länder hatten zudem eine eigene Währung und konnten versuchen binnenwirtschaftliche Schwächeperioden mit einer die Exporte fördernden Abwertung ihrer Währung zu überbrücken. Auch die Idee, dass Kapitalmärkte unsolide Politik sanktionieren, hat in den vergangenen Jahren gelitten. Zudem könnte die griechische Regierung am Kapitalmarkt Anleihen mit relativ kurzen Laufzeiten begeben, die zurückgezahlt werden, bevor die mittlerweile mit langen Laufzeiten versehenen Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen Gläubigern fällig werden.

Die Gruppe diskutiert dann drei Alternativen: einen Plan, der eine begrenzte Umschuldung gestattet, eine weitere Finanzierung Griechenlands mit ESM-Krediten sowie eine Laufzeitverlängerung und andere erleichternde Maßnahmen nicht nur, wie bisher, für die Verbindlichkeiten gegenüber dem Euro-Fonds ESFS, sondern auch für andere Verbindlichkeiten Griechenlands.

Tauglich erscheint ihr nur ein Plan, der eine gewisse Umschuldung ermöglicht, ohne Griechenland damit Anreize für unsolides Verhalten zu geben. Und zwar schlägt die Gruppe vor, innerhalb bestimmter Grenzen die Erzielung überdurchschnittlich hoher Primärüberschüsse mit einer Schuldenreduzierung zu verbinden. Damit soll Athen Anreize für eine Finanzpolitik erhalten, die in der eigenen Bevölkerung nicht nur Freude auslösen dürfte. Ein Beispiel: Von Griechenland wird die Erzielung eines Primärüberschusses von 1,5 Prozent des BIP erwartet. Erzielt Griechenland einen Primärüberschuss von 2 Prozent, werden dem Land Staatsschulden in Höhe von 0,5 Prozent des BIP erlassen. Für diese Schuldenerleichterung wird aber im Vorhinein eine Obergrenze (“cap”) festgelegt.

Zwei Schlussbemerkungen: Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat kürzlich in einem Interview noch einmal eine Umschuldung Griechenlands abgelehnt. Und auch für die Berechnungen der Ökonomengruppe gilt der Einwand, dass langfristige Schuldentragfähigkeitsanalysen schwierig sind. Aber es gehört wenig Phantasie für die Prognose, dass die griechische Staatsverschuldung auch in Zukunft ein Thema bleiben wird.

 

 

  1. In diesem Zusammenhang eine Frage an die geschätzte Leserschaft. Da es derzeit in der deutschen Finanzszene wieder Mode ist, Italien für bankrottgefährdet zu halten: Wer könnte einen Hinweis auf eine einigermaßen aktuelle Analyse der langfristigen Schuldentragfähigkeit Italiens geben? Als ich kürzlich in einem Finanzhaus, das öffentlich die katastrophalen Folgen eines finanziellen Untergang Italiens beschwört, nach einer solchen Analyse fragte, lautete die offene Antwort: “Wir haben keine.”
  2. Zu den Mitgliedern gehört unter anderem Beatrice Weder di Mauro, ein früheres Mitglied des deutschen Sachverständigenrats.