Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Jungs erzählen mehr Bullshit

Eine Studie bestätigt die Klischees.

Auch Fußballfans tolerieren Bullshit nicht immer. Foto: dpa

Bullshit, so hat es der amerikanische Philosoph Harry Frankfurt in einem sehr spaßigen Büchlein festgestellt, ist ein Satz dann, wenn man weder die Wahrheit sagt noch lügt – sondern wenn es einem komplett egal ist, ob man gerade die Wahrheit erzählt oder nicht. Eng verwandt ist das mit dem „Humbug“, wie ihn der Philosoph Max Black definiert hat: eine irreführende Falschdarstellung der eigenen Gedanken. Es gibt aber gewisse Unterschiede zu dem wissenschaftlich vollständig anerkannten Dunning-Kruger-Effekt: Wer von einem Thema wenig Ahnung hat, ist sich seiner Meinung oft besonders sicher – und wer sich gut auskennt, zweifelt häufig eher an sich. Das liegt daran, dass man mit besserer Kenntnis auch die Grenzen des eigenen Wissens besser einschätzen kann. Das heißt aber auch: Wer dem Dunning-Kruger-Effekt zum Opfer fällt, glaubt selbst an die Wahrhaftigkeit seiner Worte – wer Bullshit verbreitet, dem ist das vollkommen egal.

Jeder kennt Leute, die mit viel Bullshit durch die Welt kommen, und manche davon sind ziemlich erfolgreich. Besonders viel Aufmerksamkeit bekam Frankfurts Buch in Amerika nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten. Eine neue Studie zeigt jetzt systematisch, wer am meisten Bullshit verbreitet – und es sind: reiche Jungs.

Reiche Jungs erzählen am meisten Bullshit

Die Daten stammen aus einer Zusatzfrage im Pisa-Test 2012. Die Schüler mussten dafür nicht nur Matheaufgaben rechnen, sie sollten auch einige andere Fragen beantworten – unter anderem, wie sicher sie sich mit einigen mathematischen Konzepten fühlen, seien es quadratische Funktionen, lineare Gleichungen oder Wahrscheinlichkeitsrechnung. Unter die 13 tatsächlichen mathematischen Konzepte hatten die Forscher drei geschmuggelt, die es gar nicht gab: „ordnungsgemäße Zahlen“, „subjunktive Skalierung“ und „deklarative Brüche“. Dann konnten sie vergleichen, wer bei den erfundenen mathematischen Konzepten öfter mal großes Wissen vorgetäuscht hatte.

Diese Frage stellten die Forscher den Schülern in sechs englischsprachigen Ländern vom Vereinigten Königreich bis Australien – insgesamt mehr als 40 000 jungen Menschen. Ausgewertet wurden die Daten von den drei Wissenschaftlern John Jerrim, Phil Parker und Nikki Shure, dei am University College in London und der Australischen Katholischen Universität arbeiten.

Ob diese Testfrage die Bullshit-Definition nach dem Lehrbuch umfasst, ist umstritten – vielleicht waren die Wissens-Vortäuscher auch glatte Lügner. Sicher ist jedenfalls: Die Ergebnisse lesen sich, als wären sie mit dem Klischeestempel aufs Papier gedruckt worden.

Das beginnt mit dem Ländervergleich: Kanada und die Vereinigten Staaten standen in der Bullshit-Skala ganz vorne, Großbritannien und Irland ganz hinten. Generell waren es die Jungs, die mehr Bullshit verbreiteten, und es waren die Schüler mit dem höheren gesellschaftlichen Status – also die Reichen. Auch Einwanderer hatten im Durchschnitt einen höheren Bullshit-Wert als die Einheimischen. Allerdings: In den Ländern, in denen Bullshit besonders verbreitet war, holten die Frauen, die Armen und die Einheimischen besonders schnell auf. In Ländern, in denen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten besonders groß ist, geht es am Ende offenbar allen so.

Wer Bullshit erzählt, ist oft Optimist

Die Autoren berichten nur relative Ergebnisse und verschweigen, wie viele Menschen insgesamt ihr Wissen überschätzt haben. Klar wird aber: Wer in Mathematik zu den Bullshittern zählt, der gibt auch für andere Lebensbereiche vorteilhafte Antworten. Bullshitter fanden überdurchschnittlich oft, ihr Interesse an einmal begonnenen Aufgaben würde nicht nachlassen und sie arbeiteten an diesen Aufgaben, bis alles perfekt sei.

Dann wurden sie gefragt, was sie tun würden, wenn ihr Handy plötzlich keine Textnachrichten mehr versenden würde. Es waren die Bullshitter, die eher behaupteten, sie läsen dann die Anleitung oder dächten darüber nach, wie das Problem entstanden sein könnte. Die ehrlicheren Leute dagegen neigten eher zur Antwort „Ich drücke jeden möglichen Knopf, um herauszufinden, was nicht in Ordnung ist“. Ähnlich bei Orientierungsaufgaben: Wie kommt man zusammen mit dem Bruder zum Zoo, wenn man den Weg nicht sicher kennt? „Das überlasse ich meinem Bruder“ antworten die ehrlicheren Leute. Wer durch Bullshit auffällt, antwortet eher „Ich schaue mir eine Karte an und ermittle den besten Weg“.

Der große Optimismus übertrug sich aber auch auf Fragen, bei denen es nicht so sehr um eigene Leistung geht – sondern darum, wie beliebt man an der Schule ist. „An der Schule finde ich leicht Freunde“ oder „Ich fühle mich, als ob ich an der Schule dazugehöre“: Auch bei solchen Sätzen waren es die Bullshitter, die eher zustimmten. Laut eigener Aussage fühlen sie sich an der Schule glücklicher als die anderen und sind auch mit der Schule selbst zufriedener.

Damit kommt man bei der nächsten Frage an: Wenn Bullshit und eine glückliche Schulzeit so miteinander einhergehen, stellt sich direkt die Frage: Ist es besser, keinen Bullshit zu verbreiten, oder ist es besser, glücklicher zu sein?


 

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Patrick Bernau