Punk – wer hat’s erfunden? Darüber streiten sich die Gelehrten. Als heißester Kandidat aber muss wohl Richard Hell gelten, der mit dem zweiten Song, den er überhaupt schrieb, die Basis legte.
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Blank Generation
I was saying ‚let me out of here‘ before
I was even born, it’s such a gamble when you get a face
It’s fascinating to observe what the mirror does, but
When I dine it’s for the wall that I set a place
I belong to the Blank Generation, and
I can take it or leave it each time
I belong to the _____ generation, but
I can take it or leave it each time
Triangles were falling out the window as the doctor cursed
He was a cartoon, long forsaken by the public eye
The nurse adjusted her garters as I breathed my first
The doctor grabbed my throat and yelled ‚God’s consolation prize!‘
I belong to the Blank Generation, and
I can take it or leave it each time
I belong to the _____ generation, but
I can take it or leave it each time
To hold the T.V. to my lips, the air so packed with cash
Then carry it up flights of stairs and drop it in the vacant lot
To lose my train of thought and fall into your arms‘ tracks
And watch beneath the eyelids every passing dot
I belong to the Blank Generation, and
I can take it or leave it each time
I belong to the _____ generation, but
I can take it or leave it each time
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Punk, was soll das schon sein? Der naturgemäß schwer zu beeindruckende New Yorker zuckte allenfalls mit den Schultern, als er Ende der 1970er Jahre „PUNK IS COMING!“-Plakatierungen über den Weg lief, die plötzlich massenhaft Manhattans Lower East Side bevölkerten: „Ich dachte, hier kommt eine weitere beschissene Band mit einem noch beschisseneren Namen“, erinnerte sich Blondie-Sängerin Debbie Harry.
Tatsächlich kündigte sich aber noch keine Band, sondern ein selbstgefertigtes Magazin an. Zum damaligen Zeitpunkt war „Punk“ noch nichts Besonderes, ein Wort für Abfall, Herumlungerer, Mist und Müll. Später ist bekanntlich doch noch einiges geworden aus dem Punk. Zumindest in einer verdichteten Form der Musikgeschichtsschreibung waren es die Verse von „Blank Generation“ aus dem Mund eines Endzwanzigers, zum allerersten Mal vorgebracht am Abend des 19. Novembers 1976 auf der stickigen Konzertbühne des New Yorker Nachtclubs CBGSBs, der den tatsächlichen oder zumindest symbolischen Paukenschlag für den Punk als Musikgattung und vielleicht mehr noch als Lebensgefühl bedeutete.
„I was saying ‚let me out of here‘ before / I was even born”, beginnt die erste Strophe energisch, doch wer weiter zuhört, bemerkt: schon das fiebrige Versprechen der Welt bringt ihren cool formulierten Abgesang mit sich.
Es folgt eines der treffendsten und lustigsten Bilder für die Zufälligkeit des eigenen Ichs, das da kurz nach der Geburt seinen Platz in der Welt beansprucht: Mit „It’s such a gamble when you get a face”, wird das Identität stiftende Gesicht zum Resultat reinen Zufalls erklärt, um fortzufahren: “It’s fascinating to observe what the mirror does, but / When I dine it’s for the wall that I set a place.” – „Es ist faszinierend zu sehen, was der Spiegel macht, aber / Wenn ich speise, ist es die Wand, für die ich einen Platz eindecke.“
Die Leibwerdung und die Einsamkeit bleiben das bestimmende Thema dieses Liedtextes, der sich weiter im Kosmos zwischen Krankenhaus, Arzt und Geburt entfaltet. In der folgenden Strophe werden Dreiecke vom Himmel herabregnen, und die Krankenschwester rückt ihr Strumpfband zurecht, während der Erzähler, der von dieser sexuell konnotierten Geste zu diesem Zeitpunkt seiner irdischen Entwicklung eigentlich noch gar nichts wissen kann, seinen ersten Atemzug macht: „Triangles were falling out the window as the doctor cursed / He was a cartoon, long forsaken by the public eye / The nurse adjusted her garters as I breathed my first / The doctor grabbed my throat and yelled ‚God’s consolation prize!'“ Der Arzt, der den Neugeborenen schließlich an der Kehle packt und ihn als Trostpreis deklariert, erinnert nicht an einen Cartoon, er ist einer. In dieser Selbstverständlichkeit des phantastischen Erzählens erinnern Richard Hells Zeilen nicht zufällig an seine damaligen lyrischen Vorbilder und Wegbestreiter, die Beat-Poeten der späten fünfziger Jahre.
In seinen nicht einmal drei Minuten treibt „Blank Generation“ sich selbst permanent voran, obwohl die Voidoids ihre Takte längst nicht so schnell wie andere Bands schrammelten, die man bald unter dem Schlagwort „Punk“ zusammenfasste. Schon der Einstieg beginnt mit einem kleinen Trick, für dessen Effekt völlig egal ist, ob er absichtlich konstruiert ist oder nicht: Nennen wir es hier das Geheimnis der stolpernden Takte, die stets einen Schlag daneben zu liegen scheinen.
Radikales Weglassen
Tatsächlich beginnt die Gitarre rhythmisch recht ausgeklügelt mit der Akzentuierung des Off-Beats, wodurch der dann folgende Standard-Rock-Rhythmus mit dem Einsetzen des Schlagzeuges zuerst vollkommen aus der Reihe zu fallen scheint – das Ordinäre wirkt hier zunächst verschroben. So leicht lassen sich die einmal ins Schwingen gebrachten Gehirnwellen verunsichern. Wie wunderbar passen dazu Richard Hells Texte, die sich im Enjambement von Vers zu Vers hangeln, mal durch ein „but“, mal ein „before“ auch in ihrer Kategorie als zeitliche Präpositionen immer schon an den permanenten Ablauf erinnernd.
Während der Ende der siebziger Jahre ebenfalls noch präsente Glamrock, den grandiosen Moment auskosten und in ihm gern noch ein Riff, ein Vibrato länger verweilen wollte, scheint hier jeweils schon der übernächste Augenblick ins Visier genommen. Das Lied treibt und hechtet voran, und wenn es dabei stolpert, dann mag das musikalisch einem zelebrierten Dilettantismus geschuldet sein (vielleicht auch nicht), lyrisch aber hatte Hell alias Meyers alias eine seiner sonstigen poetischen Personae auch mit Mitte 20 eine Ahnung von der Wirkung seiner Arbeit.
Eigentlich wollte Hell/Meyers, der in den sechziger Jahren zusammen mit seinem Schulfreund und späteren „Television“-Bandkollegen Tom Verlaine aus Kentucky in den Big Apple gekommen war, Dichter werden. Rimbaud war sein Vorbild. Im großartigen Standardwerk der Rock’n’Roll-Oral History „Please Kill Me“ erzählt er von den ersten Konzerten und ihren Begehrlichkeiten: Die Bühne schien so viel einfacher und sexier als die einsame Arbeit am Schreibtisch, also wurde er erst einmal Sänger und Bassist (später und bis heute dann Schriftsteller). „Blank Generation“ war der zweite Song, den er jemals schrieb. Eigentlich hätte der schon 1973 von der Vorgänger-Band „Television“ aufgeführt werden sollen – doch Verlaine verbannte in einem egozentrischen Anflug alles, was nicht aus seiner eigenen Feder stammte, aus dem Band-Repertoire.
Eine knappe Er- und Auflösung bietet der Song dann im Refrain, der mit ebenfalls nur vier Verszeilen so kurz und knapp ausfällt wie das gesamte Lied: „I belong to the Blank Generation, and / I can take it or leave it each time“, lautet die Selbstverortung, die natürlich eine negative ist. Und dieses Prinzip setzt Hell dann auch noch lautmalerisch – oder sollte man leisemalerisch sagen? – um. Im dritten Vers des Refrains wird die „blanke Generation“ durch eine Leerstelle illustriert („I belong to the _____ generation), die wiederum das genaue Gegenteil von Stadionrock und Schützenfestschunkeln meint. Wo dort die Menge frenetisch klatscht und grölt, um die absichtlich ausbleibende Textpassage zu ersetzen, geht es hier um das Weglassen des tatsächlichen Weglassens wegen.
In dieser Leerstelle liegt auf den ersten Blick vielleicht schon die größte Gemeinsamkeit der Sex Pistols und der Voidoids (und insbesondere ihres Songwriters Richard Hell) – und auf den zweiten der Unterschied ums Ganze: Während Hell das Nicht- als Präfix zu allem, was noch folgen möge, wörtlich nimmt, füllen es die britischen Punks schnell mit, wie ernsthaft auch immer verfolgten, Zielen („Anarchy in the UK“) und Feindbildern („God save the queen and her fascist regime“). Gemeinsamkeiten gab es im Look, dem der Punk später natürlich einen Großteil seines Appeals verdanken sollte. Malcom McLaren machte kein Geheimnis daraus, dass er sich von Hell inspirieren ließ für seine ungezogene Flegel-Boyband, die er als Manager mit exzentrischer Mode seiner damaligen Freundin Vivienne Westwood ausstaffierte.
Songtexte sind keine Poesie
„Es gab keine einzige Rock & Roll-Band in der ganzen Welt mit kurzem Haar“, so erklärt Richard Hell in „Please Kill Me“, warum er Mitte der siebziger Jahre schon mit seiner Vorgängerband Television ein Exot unter den Exoten der Lower East Side war – „jeder andere trug damals noch Glitzer und Frauenkleidung.“ Er und seine Bandkollegen hingegen: sehr hagere, etwas heruntergekommene Typen, sehr jungenhaft gekleidet, mit löchriger Kleidung und Sicherheitsnadeln, die aggressiven, allerdings lyrischen Rock und später, nun, Punk spielten.
Hell blieb eine Art Stichwortgeber, seine kryptisch bleibende „Blank Generation“ eine Entscheidung im Zweifel für den Zweifel, die exakte Antithese zum betont vulgären Schnodderpunk der Sex Pistols jedenfalls, deren Raffinesse und Anziehungskraft natürlich gerade darin bestanden, immer gegen jegliche Feinheiten anzubechern, -lärmen, -spucken und -schreien.
Exzess war aber nicht den britischen Punks vorbehalten, wie man in dem hier noch einmal empfohlenen Band „Please Kill Me“ nachlesen kann. Die mit Abstand kryptischste, die dritte Strophe führt bei Richard Hell geradewegs ins Drogenerleben: Heroin, den später Geborenen vor allem aus der „Kinder vom Bahnhof Zoo“-Gosse bekannt, war im New York der sechziger und siebziger Jahre durchaus der Stoff, auf den man sich etwas einbildete. Hell nahm Drogen anfangs nur am Wochenende, wie alle zunächst der Vorstellung erliegend, ihnen immer einen Haken voraus zu sein. Die geldgeschwängerte Luft, die der Protagonist in „Blank Generation“ einsammelt und im Baugelände abwirft, um seine Gedankenzüge zu verlassen und sich den Armen seines Gegenübers zu ergeben, die Droge als vertrauter Mensch: „ To lose my train of thought and fall into your arms‘ tracks / And watch beneath the eyelids every passing dot“.
Eine tragische Liaison mit dem Heroin? Die böte sicherlich eine reellen Anknüpfung zur letzten Strophe. Eventuell sonnte man sich dereinst aber auch einfach gern ein wenig im „L’Art pour L’Art“, wie sich Hell 2013 in einem Interview an seinen Songtext erinnerte: „Es sollte vor allem interessant klingen.“ Und das hat dann musikalisch eben doch wieder mit Punk, respektive dem, was später unter dem Begriff zusammengefasst werden sollte, zu tun. Zum 40. Jubiläum haben die New Yorker Ende 2017 eine Jubiläums-Edition von „Blank Generation“ herausgebracht, auf der Hells lyrisches Talent grandios mit seinem eben erst gelernten Bass-Spiel und den stolpernden Takten überkreuz geht.
Ein guter Anlass, sich von der Anziehungskraft der ersten Richard Hell & The Voidoids-Platte (wieder) zu überzeugen und dabei, wenn gewünscht, ein wenig Punk-Exegese zu betreiben. Songtexte, sagt Richard Hell, seien keine Poesie. Gegen allzu sentimentale Geschichtsschreibung verwehrt er sich – und ist ohnehin längst wieder zum Schriftstellersein zurückgekehrt.
Seine Lieder und seine Person lieferten den Look und den Sog, das Label kreierten andere. Und obwohl Hell der ganze Zirkus um den Begriff relativ gleichgültig war, ärgerte er sich über eine Sache dann doch: „Ich war ziemlich angepisst, als ich zum ersten Mal ‚Pretty Vacant‘ von den Sex Pistols hörte. Malcom hatte die komplette Attitüde von ‚Blank Generation‘ geklaut“, gibt er 1996 in „Please Kill Me“ zu Protokoll. Aber Ideen seien eben – so Hell – nun einmal freies Gut.