Pop-Anthologie

The Buggles: „Video Killed the Radio Star“

Dieser Song war der erste, den MTV 1981 ausstrahlte. Perfekt passte er zu dem neuen visuellen Musikprogramm. Der Sender zeigt keine Pop-Videos mehr. Warum triumphiert der Refrain der Buggles heute im Radio?

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MTV-Pioniere: The Buggles, 1981

Im Angesicht der eigenen Kapitulation werden noch einmal alle Kräfte gebündelt: Energien, die man bisher in die Abwehr nach Außen investiert hatte, stehen einem plötzlich wieder selbst zur Verfügung. Kapitulation, das „Sichbeugen unter eine größere Macht“, kann daher zumindest einige Momente lang ein paradoxes Gefühl mit sich bringen: das der absoluten Überlegenheit. (Psychoanalytiker C.G. Jung und seine bis heute recht einleuchtende Theorie vom Genuss bringenden Todestrieb als Gegenspieler der Libido lassen grüßen.)

Vom freudigen Kapitulieren handelt in gewisser Weise auch dieses Lied von den Buggles, und man darf annehmen, dass es nicht zuletzt deshalb heute zu den beliebtesten Popklassikern aller Zeiten gehört, weil es die eigene Hilflosigkeit vor der höheren Macht, hier dem technologisch-medialen Zeitgeist, in mitgrölbaren Hedonismus transformiert: „Video Killed the Radio Star“ ist eine textlich eigentlich nur grob skizzierte Beschreibung vom Untergang des Tonmediums durch das Bild, die zunächst sentimental eine untergegangene Ära beklagt (die Vorlage, erklärte Bandmitglied Trevor Horn, bot ihm die Kurzgeschichte „The Sound-Sweep“ über einen stummen Jungen in einer musiklosen Welt, der auf eine Opernsängerin trifft).  Aus der Kombination mit dem auch soundtechnisch kontrastierenden Refrain, lieblich-quietschig vorgetragen von Backing-Sängern Debbie Ross, in den alle gut gelaunt einstimmen dürfen, und dem Umstand, dass man als Band zugleich unweigerlich selbst auch jener untergehende Radio-Star ist, gewinnt die Erzählung ihren appellhaften Charakter: Lasst uns den eigenen Untergang , den Lauf der Dinge, wenigstens zelebrieren! Ein Popsong als etwas wehmütige, aber doch Abrissbirne, die auch gegen die potentielle eigene Zukunft als Musikstar geschleudert wird.

Diese Geste machte sich dann auch der besungene Zerstörer höchstselbst zu Nutze: Als am 1. August 1981 ein neuer Kanal namens Music Television in den Vereinigten Staaten auf Sendung geht, sind es die langsam aufdrehenden Synthie-Akkorde der Buggles, die seine Zuschauer zuallererst zu hören bekommen (und das zugehörige Video zu sehen), gefolgt von der ersten Strophe:

I heard you on the wireless back in fifty two,
Lying awake intent at tuning in on you,
If I was young it didn’t stop you coming through

wendet sich Sänger Trevor Horn direkt an seinen ungenannten Musikstar, dem er in der guten alten Zeit noch übers Radio lauschen konnte, und beklagt im Anschluss sogleich die technologischen Neuerungen – allerdings auch dies so banalstmöglich formuliert, dass das Augenzwinkern über die vorgetragene Wehmut nicht zu überhören ist. So ist hier unter anderem die Rede von Symphonien, die von Maschinen neu geschrieben werden, und, durchaus wieder tagesaktuell, geklauten Urheberrechten:

They took the credit for your second symphony,
Rewritten by machine on new technology,
And now I understand the problems you can see

Danach und zwischendurch nur ein paar „Oh, A Oh“-Rufe der Band, und dann sehr, sehr oft der Refrain, der immer wieder die hermetische Aquariums-Akustik der Strophen, die wohl an den Radio-Äther erinnern sollen, aufbricht:

Video killed the radio star,
Video killed the radio star

Jeweils angehängt an den Refrain: Kleine Zweizeiler, die dem fies-fröhlichen Popstück dann doch zu einigen aufrichtig traurigen Momenten verhelfen. “In my mind and in my car“ – im Kopf oder im Auto, der Resonanzraum spielt keine Rolle, wird dem Ich-Erzähler das Musikerlebnis durchs bewegte Bild zerstört. Und: „Pictures came and broke your heart“ – die Schuld dafür solle man dem Videorekorder, dem VCR, geben. Apropos: Was zeigt nun das zugehörige Musikvideo zum Song und was bleibt im visuellen Gedächtnis, mit dem Wissen von heute? Richtig: Es ist Hans Zimmer, der später weltberühmte Hollywood-Komponist, der dort am Keyboard steht und eigener Aussage zu Folge noch überhaupt keinen Plan hatte, wohin seine musikalische Reise einmal gehen würde.

Ansonsten bleibt das Video bis auf einige aus dem Bauschutt brechende Fernsehbildschirme recht unaufgeregt. Seinen Erfolg verdankte „Video Killed The Radio Star“ dann doch weniger seinen produzierten Bildern denn seinem vom New-Wave geprägten Sound, der schmissigen Hook und dem zwischen Hedo- und Zynismus sowie dann und wann aufblitzend ernsthaft traurigen Sentiment changierenden Text. Schließlich überwiegt in der Pop-Musik die Mutmach-Rhetorik: Don’t give up, wie schlimm das Leben auch sein mag, es geht schon irgendwie weiter. Lass dich nicht hängen! Die Buggles wussten es besser: Der eigentliche und eigene Triumph, so insinuiert „Video Killed the Radio Star“, liegt in der Party. Nicht im drögen Weitermachen, das ja immer auch mit Anstrengung und Arbeit verbunden ist.

Arbeit, die, im Angesicht der medialen Umwälzungsprozesse, nun auch relativ vergeudet wäre. Der Stummfilm konnte dem Tonfilm, die Schreibmaschine dem Computer nichts entgegensetzen. Die Halbwertzeit von CDs scheint im Rückblick betrachtet lächerlich, während die Schallplatte sich als Ergänzung zur digitalen Musiksammlung re-etabliert hat; manches weithin angepriesene neue Digitalformat kann heute auf keinem Gerät mehr abgespielt werden. Trotzdem: Einer Stummfilm-Diva wie der fiktiven Norma Desmond aus Billy Wilders „Sunset Boulevard“ würde es herzlich wenig bringen, dass ihre Filme heute wieder mit großem Orchester fürs gut zahlende Publikum aufgeführt werden. In dem Moment, da sich neue Medienformen etablieren, erscheinen sie erst einmal absolut.

Am Ende lacht der am besten, der zuletzt lacht: 40 Jahre nach „Video Killed The Radio Star“ ist zumindest das klassische Musikfernsehen seinerseits Geschichte, derweil die Buggles an diesem einen Lied noch immer gute Tantiemen verdienen dürften. Neue Videostars bringt YouTube hervor, doch auch die müssen irgendwann im Audioformat vorkommen, um tatsächlich als Musikstars gelten zu dürfen. Ob man jedoch jemals wieder an die Unschuld des rein auditiven Erlebens zurückkehren können wird, sich der Vorrang des bewegten Bildes wird umkehren lassen, das scheint aktuell eher unwahrscheinlich.

„Video Killed the Radio Star“

I heard you on the wireless back in fifty two
Lying awake intent at tuning in on you
If I was young it didn’t stop you coming through
Oh a oh

They took the credit for your second symphony
Rewritten by machine on new technology
And now I understand the problems you can see
Oh a oh

I met your children
Oh a oh

What did you tell them?
Video killed the radio star
Video killed the radio star

Pictures came and broke your heart
Oh, a, a, a, oh

And now we meet in an abandoned studio
We hear the playback and it seems so long ago
And you remember the jingles used to go
Oh-a oh

You were the first one
Oh-a oh

You were the last one

Video killed the radio star
Video killed the radio star
In my mind and in my car, we can’t rewind we’ve gone to far
Oh-a-aho oh
Oh-a-aho oh

Video killed the radio star
Video killed the radio star
In my mind and in my car, we can’t rewind we’ve gone too far
Pictures came and broke your heart
Put down the blame on VCR

Oh, you are a radio star
You are a radio star
Video killed the radio star
Video killed the radio star
Video killed the radio star
Video killed the radio star

Video killed the radio star
Video killed the radio star
Video killed the radio star
Video killed the radio star