Pop-Anthologie

Daniel Johnston: „True Love Will Find You in the End“

Ein Mutmachlied für kranke Seelen: Das ist ein schönes Vermächtnis von Daniel Johnston, der zeitlebens Schmerzenslieder sang und im vergangenen Sommer gestorben ist.

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Pilgerort für Fans des am 11.9. verstorbenen Johnston: Eine Wand in Austin

Der Plattenladen „Sound Exchange“ im texanischen Austin ist wie etliche seiner Art längst Geschichte, aber sein berühmtestes Aushängeschild begrüßt Passanten bis heute aufs Freundlichste: „Hi, How Are You“ prangt über der Wandmalerei, die einen alienhaften Comicfrosch mit zaghaft lächelndem Mund zeigt. Der Ladenbesitzer hatte die Zeichnung 1993 beim Musiker und Künstler Daniel Johnston in Auftrag gegeben – Jeremiah, der Frosch, zierte bereits dessen zehn Jahre zuvor auf Kassette aufgenommenes, gleichnamiges Album.

Und es ist diese so grundfreundliche Geste, man könnte sie leicht als naiv missverstehen, die auch Johnstons bekanntestes Lied „True Love Will Find You In The End“ trägt. Ein Lied über die wahre Freundschaft, nicht so sehr die partnerschaftliche Liebe, und als solches eines der vielleicht besten: Drei kurze Strophen ohne Refrain, in denen der Sänger einen grundlegenden Optimismus verbreitet, aber zugleich sehr sanftmütig auch den eigenen Anteil am Gelingen dieses Unterfangens in Erinnerung ruft.

Für Daniel Johnston, dessen 26 Jahre alte Wandmalerei nach seinem plötzlichem Tod am 11. September 2019 zu einem Pilgerort von Fans und Musikfreunden geworden ist, waren Comickunst und Musik von Anfang an miteinander verknüpft: Die Comicwesen bevölkerten beispielsweise die Hüllen seiner Kassettentapes, auf denen er seit 1981 insgesamt knapp zwanzig Alben selbst aufnahm und kopierte.

Johnston wird 1961 im kalifornischen Sacramento geboren und wächst anschließend in West Virginia in einer Erzählungen nach  liebevollen, fundamentalchristlichen Familie auf. Zwei Umstände deuteten sich früh an: Die psychischen Probleme, die der junge Daniel entwickelt. Und sein unbändig schöpferischer Schaffensdrang. Sein erstes verbrieftes Album, 1981 mit einem billigen Ghettoblaster zu Hause aufgenommen, nennt der Musiker „Songs of Pain“, den Nachfolger „More Songs of Pain“. Es ist, trotz aller Selbstreflexion, vermutlich wenig Koketterie daran. Mitte der 80er Jahre zog Johnston nach Austin, die texanische Hauptstadt, auf die damals wohl noch stärker zutraf, womit man sich heute auf allen Souvenirartikeln schmückt: weird, ergo irgendwie anders, merkwürdig zu sein. Hier verschenkte der Musiker bemalte Kassettentapes an wildfremde Menschen und machte bald mit gut besuchten Konzertgigs von sich reden.

Daniel Johnston 1961-2019 (Photo by Jana BIRCHUM / various sources / AFP)

Was Johnston über die Bekanntheit eines lokalen Geheimtipps hinaushalf, war sein Status als artist’s artist: Musikerkollegen liebten seine extremen Lo-Fi-Lieder mit dem rohen Sound und den anrührenden, zarten Gesangslinien. Die fehlende Technik wurde nicht als Mangel, sondern als Befreiung empfunden: „Wir nahmen unser ‚technisches Scheitern‘ als Ehrenabzeichen, das wir den Leuten ins Gesicht drückten, “ erinnert sich zum Beispiel der später geborene Songwriter Jeffrey Lewis an die Selbstermächtigung, die Johnstons Musik für ihn bedeutete.

Schon bald nahm Daniel Johnston mit dem damals Kultstatus genießenden Produzenten Kramer in New York auf. Und spätestens nachdem Kurt Cobain vor laufenden Kameras ein T-Shirt mit dem ikonischen Comicfrosch trug, klopften dann auch die Plattenlabel an (der Legende nach just zu dem Zeitpunkt, als sich Johnston gerade wieder in einer Psychiatrie befand): Ein Angebot von Elektra Records schlug der Musiker aus, aus Angst vor der dort ebenfalls unter Vertrag stehenden Band Metallica und deren vermeintlich „satanischen Botschaften“. Zwischenzeitlich war er bei Atlantic unter Vertrag, doch dort wurde er bald wieder rausgeworfen, und so setzte Johnson immer wieder auf das bewährte Format der Homerecordings. Dazwischen Touren, Psychiatrieaufenthalte, Auftritte, und, auch das, der Weg zurück ins elterliche Haus.

Dass er es allein Einschränkungen zum Trotz immer wieder erfolgreich hinaus in die Welt geschafft hat, auch von diesem Prinzip erzählt Daniel Johnston in seinem bekanntesten Lied „True Love Will Find You In The End“. Die wahre Liebe, also die wahre Freundschaft, heißt es hier, wird dich schon finden, aber du musst dich ihr eben auch zeigen, denn sie sucht ja! Johnston stellt diese Erkenntnis allerdings in die Vergangenheit: Entdecken wirst du das, ganz biblisch, erst im Rückblick (True love will find you in the end / You’ll find out just who was your friend). Und er bringt damit nebenbei die paradoxe Situation auf den Punkt, die vor einer jeden Begegnung steht: Wer als er selbst erkannt und geliebt werden will, der muss erst einmal genau von dort, aus sich selbst also heraustreten. Wie ungleich schwieriger dies doch sein muss, wenn man buchstäblich nicht aus der eigenen Haut beziehungsweise genauer dem eigenen Hirn kann, das nicht so will, wie man selbst gern möchte.

Selbst, wenn am etwas angestaubten Topos vom leidenden Künstler einiges dran ist und wenn man über psychische Leiden, siehe zum Beispiel die junge Sängerin Billie Eilish, heute nicht mehr im verschämten Flüstertonfall höchster Geheimnisoffenbarung, sondern vielmehr beiläufig öffentlich sprechen kann: Es gibt selbstverständlich Erkrankungen, die niemals gesellschaftsfähig sein oder gar als Distinktionsmerkmal für eine möglichst interessante Künstlerbiographie taugen werden. Zu solchen zählten Daniel Johnstons Schizophrenie und seine bipolare Störung, die ihm immer wieder manische wie psychotische Episoden bescherten. Und so sehr Johnston den Kontakt zu Menschen suchte, so schwierig und unberechenbar blieb das Terrain zwischenmenschlicher Beziehungen für andere wie für ihn selbst: Auf dem Rückflug von einem Konzert 1990 schmiss der Musiker in einem Anflug von Manie plötzlich den Steuerschlüssel aus dem Flugzeug. Sein Vater, ein erfahrener US-Airforce-Pilot, schaffte es gerade, die Maschine samt seines Sohnes und ihm selbst trotz Bruchlandung sicher zu Boden zu bringen.

Eingedenk dieser und vermutlich unzähliger ähnlicher, wenngleich nicht immer unmittelbar bedrohlicher Situationen, zeigt sich „True Love Will Find You In The End“ umso mehr als Mutmachlied: keines der lautstarken „Du schaffst das!“-Fraktion, sondern eines, das um die Schwierigkeiten des hier formulierten Findens schmerzlich genauestens weiß („Don’t be sad / I know you will“).  Demut kann man darin erblicken.

„True Love Will Find You In The End“ ist Ansingen gegen die eigenen Unzulänglichkeiten, die das, von dem man da spricht, oft genug verunmöglichten (es sei schon mehr als ein Triumph, überhaupt noch am Leben zu sein, hatte Johnston bereits 2005 in einem Interview zu Protokoll gegeben). Die aufrichtige, simple Handreichung, die Johnstons Musik für so viele Menschen bedeutete, zeigt sich in den zahlreichen Coverversionen; auch dieses Lied wurde von Bands und Musikern wie Beck oder Wilco interpretiert. Geschrieben und gesungen vom Songschreiber selbst aber erhält „True Love Will Find You In The End“ noch eine ganz andere Dringlichkeit. Wenn man es in Johnstons hoher Stimme vorgetragen hört, der sich seine Erkrankungen niemals ausgesucht hat, wird das Lied zu einem umso bittereren Trost. Aber eben doch, auf eine Weise, Trost.

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True love will find you in the end

You’ll find out just who was your friend

Don’t be sad, I know you will

But don’t give up until

True love will find you in the end

This is a promise with a catch

Only if you’re looking can it find you

Cause true love is searching too

But how can it recognize you

If you don’t step out into the light, the light

Don’t be sad I know you will

Don’t give up until

True love will find you in the end

www.youtube.com/watch?v=Ma7lyfYzIw8