Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Beim zweiten Kind ist man entspannter? Von wegen!

© Picture AllianceManchmal sind Aufregung und Übelkeit schwer zu trennen.

Wir bekommen unser zweites Kind. Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Wie die meisten Eltern wissen, sind erstgeborene Kinder das ultimative Verhütungsmittel. Doch wir überspringen beherzt dieses Kapitel und landen im zu Ende gehenden 5. Monat einer bislang unkomplizierten Schwangerschaft, einer von gefühlt 2 Millionen in der Hauptstadt (zumindest ploppen derzeit überall Kugelbäuche auf, Sie sehen sie doch auch?). Mit einem Dreijährigen namens Ben, der bis vor kurzem noch nicht vollends vom Sinn eines Neuzugangs in der Familie überzeugt war – bis wir ihm eröffneten, dass es wieder ein Junge wird. Der ist jetzt genehmigt, ein Mädchen hätten wir, Zitat, „wegschicken“ müssen. Puh.

Ein Kommentar, den ich seit Beginn der Schwangerschaft immer wieder gehört habe, ist: „Beim zweiten Mal ist man ja viel gelassener.“ Ach? Ich nicht. Und das sage ich nicht nur, weil solche Verallgemeinerungen über Schwangerschaften aus Prinzip schon Widerstand verdienen. Ich mache mir so viel mehr Sorgen als beim ersten Mal. In einer Kontaktanzeige käme es nicht so gut, aber hier kann ich es ja sagen: Ich bin der Typ, bei dem das Glas nicht nur halb leer ist, sondern wackelt und bestimmt gleich umfällt. Der Typ, der hinter jeder Ecke Unheil lauern sieht.

Das Bizarre dabei: Diese Angst, dass im Leben nicht alles glatt läuft, scheint größer zu werden, je länger es glatt läuft. Geradezu, als ob sich das Glück-Guthaben mit der Zeit aufbraucht, nach dem Motto: JETZT muss es aber bald knallen. Nicht, dass bei uns immer die Sonne scheint (dafür kann ich reichlich Belege liefern, sofern Sie hier dranbleiben), aber alles in allem haben wir es ziemlich gut.

Und gerade deshalb frage ich mich immer wieder: Fordern wir das Glück unnötig heraus? Darf man nach einem gesunden ersten Kind wie selbstverständlich erwarten, dass auch das zweite gesund ist und alles gut wird? Ich meine, wir sind mit dem Dreijährigen schon so weit gekommen – er steckt sich nicht mehr unkontrolliert Dinge in den Mund, er geht aufs Klo, er kann singen: „Ich hab‘ ne Zwiebel auf dem Kopf, ich bin ein Döner!“ Wollen wir wirklich wieder von vorne anfangen?

Ja, wollen wir. Das hat die Evolution schon ganz clever eingerichtet. Und dennoch – diese Angst, dass es schiefgeht. Dieses ständige In-den-Bauch-Horchen. Wann hat es sich das letzte Mal bewegt? Warum ziept es unten rechts so ätzend? War der Käse gestern eigentlich pasteurisiert oder aus Rohmilch?

Quatsch, oder? Sagen Sie bitte, dass es Quatsch ist. Auf die Hormone kann ich es leider nicht schieben, denn ich war schon immer so, also schiebe ich es… auf Google.

Ja, das ist gut. Google ist kein Freund von glücklichen, optimistischen Schwangeren. Google ist voll von Schwangerschaftsforen-Einträgen wie diesen:

  • „Ich habe mir unglücklicherweise an einem Schrank heftig den Kopf gestoßen, hatte aber danach keine Beschwerden. Könnte man so eine unentdeckte Hirnblutung haben, die dann bei der Geburt bei den Presswehen platzen könnte?“
  • „Kann ich Milchreis, den ich gestern gekocht und, als er abgekühlt war, in den Kühlschrank gestellt habe, heute ohne Bedenken essen (hab ihn schon gegessen) oder bilden sich da Listerien oder ähnliches?“
  • „Ich habe heute bei meinen Eltern deren neues Bad angeguckt und in dem Moment hat ein Handwerker aus dem Gipskarton etwas ausgefräst und leider war ich nicht schnell genug aus dem Raum und habe sicher etwas eingeatmet.“

Wie soll man dabei nicht verrückt werden?! Und dabei habe ich bewusst die Einträge herausgelassen, die von wirklich schlimmen Erfahrungen handeln. Davon gibt es weiß Gott genug.  Die hingegen, bei denen alles unauffällig, undramatisch ist, findet man nicht bei Google – oder nur selten. Nur besorgte und/oder hysterische Menschen schreiben Schwangerschaftsforen voll. Und nur besorgte und/oder hysterische Schwangere lesen das Zeug. So schließt sich ein unheilvoller Kreis.

Ja ja, man sollte einfach weniger googeln. Aber man sollte auch seinen Facebook-Account löschen, die Treppe statt den Aufzug nehmen, seine Steuererklärung machen und jeden Tag leben, als wäre es der letzte. Dieses Internet abzuschalten halte ich ebenfalls für übertrieben. Aber man könnte es vielleicht mit ein paar mehr schönen oder zumindest ermutigenden Dingen vollschreiben. So wie Instagram, nur ohne die Filter, denn es soll ja trotzdem echt sein. Und ohne die Fotos. Und ohne die Fitnesstee-Werbung. Ich werde mich bemühen, in diesem Blog etwas dazu beizutragen, aber eine Garantie geben kann ich Ihnen nicht. Denn wer weiß, ob das Glas nicht doch noch kippt.