Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Mit der Gelassenheit kommen die Lösungen

© Picture AllianceKnutschalarm: Ein zweites Kind in der Familie kann ein Riesendrama bedeuten – muss es aber nicht.

Als ich mit meinem zweiten Kind schwanger wurde, mischte sich in die Vorfreude auch die Sorge, ob auch beim zweiten Mal alles gut gehen würde – in der Schwangerschaft, bei der Geburt und überhaupt im Leben zu viert. Man hört und googelt ja so viel, und leider bin ich in solchen Dingen traditionell ein ängstlicher Typ.

Vor zwei Wochen sind wir nun zum zweiten Mal Eltern geworden, und was soll ich sagen: Es ist, Gott (und ein paar Göttern in Weiß) sei Dank, alles gut gegangen. Und nicht nur das. Trotz der gewaltigen Umstellung, die wir gerade durchleben, sind mit unserem zweiten Sohn eine Zuversicht und ein Selbstvertrauen bei uns eingezogen, die ich bis vor kurzem nicht für möglich gehalten hätte – und die ich nach der Geburt meines ersten Kindes vor vier Jahren auch nicht (so früh) so empfunden habe. Das liegt zum einen sicher daran, dass unser Zweitgeborener, Lukas, bislang ein ausgesprochen entspannter Zeitgenosse ist. Er trinkt, schläft, pupst, wie es sich für ein Neugeborenes gehört und sieht dabei – da bin ich zugegebenermaßen befangen – relativ possierlich aus. Drama ist nur angesagt, wenn das Essen nicht schnell genug geliefert wird, da kommt er ganz nach mir.

Es kann aber nicht allein am Kind liegen, denn unser großer Sohn Ben war, wenngleich etwas anstrengender, auch alles andere als ein schwieriges Kind. Mein Mann und ich haben vielmehr in den letzten Tagen bemerkt, wie sehr wir uns mit und seit der Geburt von Ben verändert haben: Wir haben einfach unglaublich viel gelernt. Das klingt banal, doch es war uns nicht so bewusst. Einiges an Erlebtem und Erlerntem kommt jetzt, da sich die Szenen wiederholen, erst wieder – und hilft uns, diesmal gelassener zu bleiben. Wir zucken nicht jedes Mal zusammen, wenn Lukas anfängt zu schreien oder sich beim Trinken einmal verschluckt. Wir halten und heben ihn vorsichtig, aber wissen auch, dass sein Arm nicht gleich abfällt, wenn man ihn durch den Ärmel zieht. Wir fotografieren seinen Windelinhalt bei auffälliger Färbung nicht, um ihn mit der Bildersuche von Google abzugleichen (wovon ich an dieser Stelle auch explizit allen anderen Eltern abraten möchte). Wir haben unsere Babywaage von vor vier Jahren noch, benutzen sie aber nicht – denn Lukas ist zwar wie sein Bruder ein zierliches Kind, aber es reicht, wenn die Hebamme ihn wiegt und uns sagt, dass er zunimmt. Und während es bei Ben bereits in der Klinik allerlei Hilfsmittel zum Füttern gab, weil das Stillen nicht gleich perfekt klappte, habe ich mir diesmal mehr Zeit gegeben (und auch das Klinikpersonal war geduldiger), und siehe da, es funktioniert – und zwar ohne Still-Tracking-App, die mich bei Ben monatelang wahnsinnig gemacht hat.

Nun ist all dies natürlich sehr subjektiv und kann bei anderen ganz anders laufen; ganz sicher gibt es Familien, in denen das erste Kind weniger Trubel verursacht hat als das zweite, aus welchen Gründen auch immer. Nicht zuletzt kann ich nur deshalb so halbwegs lässig daherreden, weil ich zwei gesunde Kinder habe, die über ihre Neugeborenen-Ansprüche hinaus keine besonderen Bedürfnisse haben. Aber wir haben drei frisch gebackene Elternpaare in unserem Freundeskreis, die Ähnliches berichten wie wir: Entspannteres zweites Kind, entspanntere Eltern – und umgekehrt, denn vermutlich wirkt sich die Gelassenheit der Eltern auch wiederum positiv auf das Kind aus. Das bestätigt auch meine Hebamme.

Das heißt natürlich nicht, dass wir den Dreh nach den ersten zwei Wochen für alle Zeit raus haben. Vielleicht ist das noch eine Art trügerische Neugeborenen-Glückshormonblase, in der wir uns bewegen. Natürlich mache ich mir weiterhin Sorgen um nunmehr zwei Kinder – und das, machen wir uns nichts vor, perspektivisch bis zu meinem letzten Atemzug auf dieser Welt. Bislang nur in Ansätzen erprobt ist beispielsweise, wie unsere zwei Söhne miteinander auskommen. Bisher akzeptiert Ben den Neuzugang ohne Probleme und beklagt sich auch nicht, wenn ich längere Zeit mit dem Baby beschäftigt und daher nicht für ihn verfügbar bin. Hier hilft es ungemein, dass mein Mann zu Hause ist und übernehmen kann. Spannend wird, wie sich das nach seiner Elternzeit entwickelt. Was mache ich, wenn Ben einen seiner seltenen, dann aber überaus eindrucksvollen Wutanfälle bekommt, während ich allein mit den Kindern bin und das Baby stille? Keine Ahnung. Aber der Gedanke daran macht mich nicht verrückt. Irgendetwas wird mir dann schon einfallen.

Ich bin mittlerweile überzeugt: Gelassenheit kann man sich nicht vornehmen oder einreden oder aufzwingen, aber man erlangt sie sukzessive durch seine Erfahrungen, auch die schlechten. Zumindest solange am Ende immer alles gut geht, und das tut es gottlob in den allermeisten Fällen. Und mit der Gelassenheit kommen die Lösungen. Für den Typ Bedenkenträger, zu dem ich charakterlich gehöre, ist das eine ungeheuer erleichternde Erkenntnis. Und es gibt vielleicht auch anderen werdenden Eltern eines zweiten Kindes – gerade solchen, die mit dem ersten Kind am Anfang eine harte Zeit hatten – etwas Zuversicht, dass alles gut wird. Weil sie schließlich nicht von Null anfangen müssen, auch wenn kein Kind ist wie das andere. Zugegeben, es gibt im Leben keine Garantie für ein „Happy End“ – aber so ein „Happy Beginning“ ist ja auch schon eine ganze Menge wert.