Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Kind?

Wenn das Kind aus dem Gröbsten heraus ist: Michelle Hunziker und ihre Tochter Aurora beim Shoppen in Mailand.

Zur Abwechslung weiß Professor Brinkmann mal keinen Rat, aber dafür Schwester Elke. „Mit über 50 Kinder zu kriegen, finde ich verantwortungslos“, befand die Schauspielerin Barbara Wussow neulich in einem Interview. Dabei bekam sie ihre Tochter auch erst mit Mitte 40. Sozusagen noch im Teenageralter, zumindest verglichen mit Promis wie Brigitte Nielsen, die noch mit 54 Mutter wurde, Caroline Beil mit 51, und die natürlich in diesem Zusammenhang niemals zu vergessene italienische Sängerin Gianna Nannini mit 54. Der Trend zur vergreisenden Mutterschaft scheint damit gesetzt.

Oder sind das alles Extremfälle? Schließlich gibt es ja auch noch Adele, die ihr erstes Kind mit 24 Jahren bekommen hat. Und Michelle Hunziker, die gerade einmal 19 war, als sie mit Eros Ramazzotti zusammen war und mit Tochter Aurora schwanger wurde.

Ja, alles Extremfälle, in die eine wie die andere Richtung. Und dennoch stimmt es, das durchschnittliche Alter beim Kinderkriegen ist in den vergangenen Jahrzehnten angestiegen. Laut Statistischem Bundesamt ist die durchschnittliche Mutter heute beim ersten Kind 29,8 Jahre alt, also das Kinderkriegen sozusagen ein statistisches Risiko kurz vor der Party zum 30. Geburtstag. 2010 waren Mütter bei ihrem ersten Kind noch im Schnitt 28,9 Jahre – je oller, desto doller also, zumindest in Sachen Kinderkriegen.

Wir bekommen die Kinder später, weil wir es können

Die Gründe für diese Tendenz sind vielfältig, aber vor allem: Wir bekommen die Kinder später, weil wir es können. Sowohl medizinische Fortschritte als auch geänderte Normen, in welchem Alter das Kinderkriegen gesellschaftlich akzeptiert ist und wann eben weniger, sorgen für gewandelte Rahmenbedingungen. Zudem verbessern sich seit Jahren die Bildungskarrieren von Frauen, immer mehr Frauen schließen die Schule mit Abitur ab, studieren danach und wollen auch noch etwas von ihrem Job haben, bevor ein Kind zumindest kurzzeitig etwas Wind vom beruflichen Segel nimmt.

Aber wo ist die Grenze? Ist es noch vernünftig, mit über 40 ein Kind zu bekommen? Gar mit 45 oder 50? Ab circa 35 Jahren steigt unbestritten das medizinische Risiko bei Schwangerschaften, ab 40 oder gar mit 45 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt signifikant erhöht, auch genetische Defekte kommen bei den Babys häufiger vor. Aus rein medizinischer Sicht, so viel ist klar, ist eine Schwangerschaft mit 27 besser als mit 43.

Aber eine solche rein medizinische Sichtweise wäre blind für die Realitäten. Eine Schwangerschaft mit 40 gilt gemeinhin, aus medizinischer Sicht, noch als vertretbar, zumal viele Frauen (und auch Männer) nicht immer frei wählen können, wann sie ein Kind bekommen. Vielleicht gibt es medizinische Probleme und viele Versuche, die nötig sind. Vielleicht fehlt lange Zeit der richtige Partner oder die richtige Partnerin. Vielleicht sorgt der Zufall dafür, dass das Kinderkriegen jahrelang nicht klappt. Das Thema ist vielfältig, einseitige Schuldzuweisungen oder auch nur gutgemeinte Ratschläge sind fehl am Platz.

Abseits der medizinischen Argumente für eine frühe Schwangerschaft, es gibt auch eine Vielzahl an guten Gründen, die eher für eine spätere Schwangerschaft sprechen. Und eben so viele, die dagegen sprechen. Aber vielleicht hilft es, sich das Für und Wider einmal zu vergegenwärtigen.

Das spricht für spätere Schwangerschaften (zwischen 35 bis 42):

  • Bessere finanzielle Rahmenbedingungen der Eltern. Vielleicht ist schon das Häuschen gebaut und die schimmelige Studenten-WG mit den angetrockneten Essensresten in den Küchenfugen Geschichte.
  • Mehr Erfahrung und Lebenswissen in Sachen Gesundheit für Kind und Familie. Weniger Partys, weniger Rauchen, besseres Essen, weniger Alkohol oder sonstige Substanzen.
  • Stabilere Partnerschaft. Mit Anfang 20 wechseln Partner häufiger als mit 40.
  • Größere Souveränität in Stresssituationen. Nicht mehr allen gefallen wollen, möglicherweise ein besseres Standing im Job und damit neue Möglichkeiten für Teilzeit, Home Office und flexiblere Arbeitseinsätze.
  • Apropos Job: Mit Mitte 30 sind Ausbildung oder Studium beendet, der Abschluss längst in der Tasche, die ersten Jahre Arbeitserfahrung sind gesammelt. Eine gute Grundlage, um lebenslang beruflich erfolgreich zu sein.
  • Genügend Zeit, sich mit 25 oder 30 die Dinge zu erfüllen, von denen junge Eltern nur träumen. Mit dem Rucksack durch Papua-Neuguinea, Sprachreise nach Australien, intensive Pflege des Freundeskreises.

Das spricht für frühere Schwangerschaften (bis 35):

  • Mit 22 ist man fitter als mit 40. Durchwachte Nächte sind ein geringeres Problem, Anstrengungen steckt man schneller weg. Je älter, desto weniger belastbar.
  • Möglicherweise ist man zeitlich flexibler und noch nicht so (übertrieben) anspruchsvoll. Auch ein Leben unter einfacheren Umständen, etwa in einer billigen Studentenbude, ist ja nicht in erster Linie ein Problem fürs Kind.
  • Eine frühe Elternschaft bedeutet: Man begleitet das Kind länger und hat gute Chancen, auch noch beim 60. Geburtstag des eigenen Kindes dabei zu sein.
  • Die Großeltern sind noch fit und können sich kümmern. Vielleicht leben sogar noch einzelne Urgroßeltern, die bereichernd die Rolle der „Stammesältesten“ einnehmen können, während die Großeltern noch einigermaßen sportlich mit dem Kind auf dem Boden herumturnen.
  • Der Job kann im mittleren Alter um die 40 sehr aufreibend sein. Wenn da die Kinder aus dem Gröbsten schon heraus sind, lässt es sich beruflich nochmal richtig durchstarten.

Wahrscheinlich sind das längst nicht alle Argumente für oder gegen eine spätere Schwangerschaft. Zumal die Väter natürlich nicht vergessen werden sollten. Teilen sich Partner die Kindererziehung und alles, was dazugehört, dann ist das auch für jüngere Frauen ein gutes Argument, trotz ihrer guten Ausbildung und dem vielversprechenden Job früh ein Kind zu bekommen. Und umgekehrt.

Zudem gibt es kein Schwarz oder Weiß in der Debatte: Wer mit 20 ein Kind bekommt, muss natürlich überhaupt nicht auf Freundschaften oder Hobbys verzichten. Mit der entsprechenden Organisation und vor allem Motivation lassen sich die eigenen Vorlieben weiter bedienen und ausbauen.

Niemand muss sein eigenes Leben an den Nagel hängen, nur weil ein Kind da ist. Aber ein paar Zugeständnisse sind dann doch zu machen – und da ist die Frage, ob das ganz jungen Eltern (18 oder 19) leicht fällt, die voller Pläne und Tatendrang sind und erst so wenig erlebt haben. Und es ist auch die Frage, ob das ganz alten Eltern (45 oder 50) leicht fällt, die zwar schon viel erlebt haben, aber auch in vielen Dingen schon sehr gesetzt und, man kann es negativ ausdrücken, festgefahren sind.