Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Instagram und Snapchat: So kommuniziert unser Nachwuchs

Digital Natives kommunizieren nicht nur verbal, sondern auch mit Bildern. Das obligatorische Selfie gehört für sie selbstverständlich dazu.

Meine 15-jährige Tochter Lara sitzt mir am Esstisch gegenüber. Wir plaudern ein bisschen, während sie sich ein Toast mit Käse überbackt. Zwischendurch hält sie ihr Smartphone hoch, legt den Kopf schief und lächelt. Klick. Sie beugt den Kopf zur anderen Seite, etwas ernster. Klick. Dann drapiert sie ihr Toast auf dem Teller. Klick. Nebenbei unterhält sie sich mit mir und hämmert dabei mit fettigen Fingern auf ihrem Handydisplay herum. Multitasking. „Was soll das eigentlich?“, frage ich genervt, weil mir ihre ständige Fotografiererei auf die Nerven geht. „Ich kommuniziere mit meinen Freundinnen. Snapchat“, erwidert sie. „Du verschickst blöde Fotos“, sage ich. „Und das ununterbrochen.“ Lara seufzt, und weil sie gerade Zeit und gute Laune hat, bekomme ich von ihr einen kleinen Einführungskurs in die Welt der modernen U25-Kommunikation.  

Die junge Generation tauscht sich nämlich nicht ausschließlich verbal aus, sondern sie kombiniert Text- und Sprachnachrichten mit Bildern. Vorzugsweise benutzt sie dafür Snapchat, Instagram und Whatsapp. Snapchat erklärt Lara, bedeutet sozusagen „Ihr Fenster zur Welt“. Hier erfährt sie, wo eine Party steigt, wer sich gerade auf dem Weg ins Freibad befindet, oder an welcher Stelle sie ihre Leute in der Stadt antreffen kann. Dabei versucht sie möglichst regelmäßig mit ihren Freunden zu chatten, sonst verliert man auf Snapchat nämlich seine Flammen. Flammen? Chatten? Snapchat? Snapchat ist doch die App, mit der man lustige Hasenöhrchen-Selfies machen kann?! Manchmal, wenn ich mit Maja, meiner Elfjährigen, auf dem Sofa sitze – ungeschminkt, mit zerzausten Haaren und Augenringen – albern wir mit der App auf meinem Handy herum. Dem Snapchat-Filter ist es nämlich egal, wie ich gerade aussehe. Er zaubert mich in Nullkommanix schön: Makelloser Teint, perfekter Lidstrich, Kulleraugen und Kussmund. Maja und ich verwenden den Babyfilter, tauschen unsere Gesichter oder benutzen den Stimmverzerrer für ein Video. Dass die junge Generation aber eigentlich in erster Linie über Snapchat (im Grunde sagt es der Name aber schon!) kommuniziert, war mir nicht so klar.

Während wir alten Facebook-Hasen also langsam Instagram für uns entdecken und denken, wir wären modern und auf dem neuesten SocialMedia Stand, haben uns die Digital Natives schon längst wieder virtuell ausgesperrt und tummeln sich auf einer neuen Spielwiese. Sie schaukeln auf Snapchat und wir sollen ruhig weiter im Sandkasten spielen. „Snapchat ist ziemlich privat. Man kann einen Snap nur zweimal anschauen, dann ist er weg. Man entscheidet, wem man seinen Snap schicken möchte und blockiert die Leute, die ihn nicht bekommen sollen. Das geht bei Instagram nicht, weil man einfach zu viele Follower hat. Zu viele Stalker“, sagt Lara und grinst. Ich fühle mich angesprochen. Bei Snapchat bleibt man unter sich.      

Wieder was Neues gelernt. Dabei dachte ich, dass ich mich in den sozialen Medien und im Internet einigermaßen sicher bewege und auskenne. Ich nutze Instagram, Facebook und zwei Messenger-Dienste (vorzugsweise Whatsapp), mal mehr, mal weniger aktiv, aber definitiv täglich, schon aus beruflichen Gründen und – zugegeben – weil ich denke, ich könnte irgendetwas da draußen verpassen. Aber im Grunde finde ich den Trend, alles fotografieren und posten zu müssen, ziemlich gruselig. Zeitraubend ist es allemal. Ich schaue mir die Posts auf Instagram nur sporadisch an und kämpfe oft mit der Einstellung. Dann muss ich meine Tochter um Hilfe bitten. Lara scrollt, herzt und kommentiert in Rekordgeschwindigkeit. Sie ist technisch viel versierter als ich.

Die Fotos auf Instagram sind schöner, bunter und appetitlicher als im Real Life und nicht immer authentisch. „Das ist eine Art Kunst“, sagt meine Tochter, der durchaus klar ist, dass im Netz gefaked, überbelichtet, retuschiert und gefiltert wird, was die Linse hergibt. Mit dem richtigen Filter und einer guten Belichtung kann sich selbst Quasimodo binnen Sekunden zu einem Hollywoodbeau verwandeln.

Bei der Qualität der heutigen Kameras und den Pixelzahlen ist es auch eigentlich kein Wunder, dass alle Filter über ihre Fotos laufen lassen. Wer will das denn? Immer diese brutal ehrlich und gestochen scharfen Fotos, auf denen man jede Pore, jeden Pickel und jede Falte erkennen und beliebig heranzoomen kann?! In meiner Jugendzeit brauchten wir keine Filter, weil die Fotos mit der Pocketkamera sowieso immer etwas verschwommen aussahen. Der aktuelle Lieblingsfilter meiner Tochter heißt deswegen Huji, ein Retrofilter, der die 90er-Jahre nachempfinden soll. Besonders toll findet sie den Lichteffekt, der einen orange-überbelichteten Streifen aufs Bild setzt. Die Fotos sehen dann so aus wie unsere Fotos von damals, wenn wieder mal die Kamera runtergefallen war und sich dadurch kurz die Filmklappe geöffnet hatte. Auf Fotos, die mit der Polaroid-Selbstbildkamera aufgenommen waren, kam man grundsätzlich ganz gut weg. Da war der Weichzeichner praktisch schon eingebaut. Vielleicht sind deswegen die großen, unhandlichen Selbstbildkameras auch heute wieder total angesagt bei den Jugendlichen.

Lara legt viel Wert darauf, dass ihr Feed auf ihrem Instagram-Konto stimmig ist. Die Fotos müssen farblich harmonieren. Von der künstlerischen Seite habe ich Instagram und Co. noch nie betrachtet. Ich poste z.B. ein Foto von einem niedlichen Käfer, dann ein Foto, auf dem ich vor einem schönen Gebäude stehe und anschließend ein Foto von meiner Kaffeetasse mit dem Hashtag #Pause. Dass nun das graue Gebäude mit der dunkelbraunen Farbe des Kaffees, dem grünen Käfer und den unterschiedlichen Belichtungen für den Betrachter nicht harmonisch erscheinen könnten, ist mir bis dato noch nie in den Sinn gekommen. Und es ist mir auch egal. Aber Lara ist es wichtig. Ihrer Generation ist es wichtig. Fotos müssen ästhetisch und hübsch anzuschauen sein, gerade, wenn sie für die breitere Öffentlichkeit bestimmt sind. Für die nicht so breite Öffentlichkeit gibt es ja Snapchat. Das zählt dann nicht zur Kunst, sondern zur Kommunikation.

Vielleicht müssen wir das nicht alles verstehen und gut finden, nur weil uns diese Art der Kommunikation manchmal fremd und oberflächlich erscheint. Jede Generation hat ihre eigene Sprache, ihre eigene Mode und ihre eigenen technischen Möglichkeiten, mit der sie selbstverständlich experimentieren. Schon im Hinblick auf die berufliche Zukunft betrachtet, kommt man an den Sozialen Medien nicht vorbei. In den letzten Jahren sind neue Berufe wie der Social Media Manager entstanden. Nahezu jede Firma präsentiert sich inzwischen auf Instagram und Facebook für ihre Kunden. Die Firmen, die das gut und professionell machen, achten auf einen stimmigen, harmonischen Feed und auf interessante, innovative Inhalte und schnelle Reaktionszeiten. Sonst erreicht man das jüngere Klientel oder den Nachwuchs nicht.

Unsere Digital Natives sind mit den neuen Technologien wie selbstverständlich aufgewachsen und daher nutzen sie die dann auch mit einer großen Selbstverständlichkeit. Warum sollte man neben all der Diskussion über den zu großen Handykonsum der Jugend nicht auch einmal diese Seite betrachten? Am digitalen Fortschritt kommen wir schließlich alle nicht vorbei. Ich habe zumindest den Eindruck, meine Tochter weiß sehr genau was sie tut.

Übrigens ist die Nutzung der meisten Apps wie Snapchat und Instagram erst ab 13 Jahren vorgesehen. Hier sehe ich die Eltern in der Pflicht zu hinterfragen, was ihre Kinder mit dem Smartphone anstellen und ob sie damit verantwortungsvoll umgehen. Kommunikation ist auch hier der Schlüssel. Es reicht nicht, die Schultern zu zucken oder alles zu kritisieren, nur weil einem der ganze Kram so fremd ist und früher „alles anders war“.

Und so sehr unterscheidet sich der Austausch meiner Tochter mit ihren Freunden von meiner Kommunikation früher dann auch wieder nicht. Ich habe als Teenager täglich mit meinen Freundinnen telefoniert und stundenlang das Telefon blockiert, auch wenn wir uns gerade erst gesehen hatten. Keine Ahnung, was es ständig zu bequatschen gab. Es ging sicher über Belanglosigkeiten. Vielleicht habe ich meiner Freundin erzählt, dass ich mir gerade ein Toast überbacke und ihr beschrieben, wie es aussieht.  Und hätte es damals schon die Möglichkeit gegeben, hätte ich ihr bestimmt ein Foto von diesem Toast geschickt. Telefoniert wird übrigens trotzdem noch, zusätzlich, wenn der Mund dann wieder frei ist und der Stalker aus der Küche verschwunden ist. Stundenlang.