Stützen der Gesellschaft

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Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Montenegro: Monte Carlo für Russen und andere Arme

Ich höre in letzter Zeit viel über Montenegro. Manche sagen, das sei die neue Toskana, andere meinen, es könnte das neue Monaco werden. Inzwischen tummeln sich dort Investoren aller Art, und neben der Aussicht und dem Yachthafen locken auch gewisse Steuervorteile, die selbst den deutschen Spiesser über manch kleinen Schmutzfleck hinweg sehen lassen, der glücklicherweise ohnehin nicht erwähnt wird, wenn Medien dergleichen in schönsten Farben anpreisen. Leider habe ich meine rosa Brille in Meran vergessen, und meine Koffer von Louis Vuitton zahle ich auch selbst - nur so kann man meine berufsuntypische Unfreundlichkeit im folgenden Beitrag erklären.

Da ertönt unser Siegesgeschrei:
Hoch lebe das brausende Meer, – Hoch lebe die Seeräuberei!
(Seeräuberlied, trad.)

Nicht alle in meinen Kreisen hätten etwas dagegen, eine monegassische Staatsangehörigkeit zu besitzen – auch, wenn das einen auf eine Stufe mit Sportlern, Schlagersängern und Glücksspielern stellt. Auch ein Wegzug an die Goldküste des Zürichsees erscheint manchen angebracht, und wenn es dann an das Vererben geht, gilt Österreich als erste Wahl. Denn Monaco hat keine Einkommenssteuern, an der Goldküste sind die Steuern marginal, und in Österreich gibt es keine Erbschaftssteuer. Kurz, wir haben in Deutschland eine Elite, die ihre – meist liberal-konservativen – Leasingpolitiker viel von Patriotismus und Verantwortung reden lässt, sich selbst aber stets auf der Flucht vor diesem Staat und seinen Forderungen sieht. Steuern sind folglich eines der wenigen Themen, die man bundesweit mit allen Vertetern dieser Schicht gleichermassen diskutieren kann. Will man sich auf der Gartenparty interessant machen: Neue Ideen zur Steuerflucht werden immer gern gehört. Selbst bei jenen, die sich prestigeträchtige Adressen in Monte Carlo oder in Zollikon noch nicht leisten können.

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Wir aber leben im Kapitalismus, wo jeder Nachfrage auch ein Angebot zeitigt, wo jedem Prestigedenken ein edel aufgemachter Elektroplunder entgegen steht, wo die Angst der Steuerzahler Heerscharen von Zahlentricksern und Fondsinitiatoren ernährt, und dort, wo der Journalist die Prostitution seiner Textarbeit verrichtet, ist meist auch der Investor nicht weit, der, um es auf  gut Bayerisch zu sagen, der fetten Sau den A**** schmiert, und sei es, um auch Ärmeren und Neureichen durch die unabhängige und unbestechliche Presse eine Alternative zur mondänen Riviera zu bieten.

Womit wir bei Montenegro wären. Montenegro erfreut sich momentan in vielen Publikationen mit hohem Glanz bester Presse. Das ist etwas erstaunlich für den Kenner; nach dem Zerfall Jugoslawiens kauften fragwürdige Russen in Montenegro sehr viele Hotels auf, in bar und ohne Fragen zu stellen, und schufen so eine touristische Infrastruktur, die nun nicht gerade des Deutschen Spiessers Wunderland sein sollte. Montenegro ist nicht das, was man ohne Erröten als westliche Demokratie bezeichnen würde, Korruption ist an der Tagesordnung, politische Morde kein unbekanntes Thema, und obendrein gilt das kleine Land an der Adria manchen als EUrsumpf für Geldwäsche, Drogenschmuggel und Zigaretten-“Reimporte”. Wegen Letzterer wurde in Italien gegen  Milo Đukanović ermittelt – der Herr ist gerade Premierminister dieser Perle an der Adria, und wird mitunter auch als Mafiaboss bezeichnet. Der grosse Boom in Montenegro ist seit dem Beginn der Finanzkrise eigentlich vorbei; diese “russische Riviera” hatte nach ihren besten Zeiten mitsamt Immobilienblase einen Preisrückgang von rund einem Viertel zu verzeichnen.

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Sagte ich “russische Riviera”? Oh Gott, wie konnte mir das nur passieren, da hat wohl jemand die publizistische Landschaftspflege vergessen. Das darf man in Deutschland natürlich nicht schreiben, wo man so gerne Teile dieses adriatischen Himmels verkaufen möchte. Glücklicherweise liest man sonst wo davon nichts, wenn die Medien auf Porto Montenegro zu sprechen kommen. Porto Montenegro ist ganz anders: Ein Luxusprojekt, frei von allen Skandalen, nur beste Namen und beste Lage: In der Bucht von Kotor – ein Weltkulturerbe – bauen bekannte Namen der Geschäftswelt einen ehemaligen Mlitärhafen zu einer Marina der Spitzenklasse um, 650 Liegeplätze mitsamt Hotel, Eigentumswohnungen, Villen, Einkaufszentrum und Casino. Mit dabei ist Peter Munk, Chef der weltweit grössten Goldföderfirma Barrick Gold, der Franzose Bernard Arnault, dem ein grosser Teil des Luxuskonzerns LVMH gehört, der Name Rothschild fällt, und auch Oleg Deripaska  ist mit von der Partie – letzterem verkaufte Milo Đukanović schon den grössten Konzern des Landes. Dass Deripaska momentan von der Gnade seiner geldgebenden Banken abhängig ist, wird bei den blumigen Schilderungen meist irgendwie “vergessen”.

Aber es gibt wunderbare Computeranimationen, wie das ganze einmal aussehen soll, es gibt hübsche Zitate und viel Lob für die Schönheiten dieses aufstrebenden Landes, so viel, dass man sich unwillkürlich fragt, ob meine lieben Kollegen solche Beiträge in einem Pool voller alkoholischer Produkte von LVHM schreiben, und das Pressematerial im Koffer von Louis Vuitton kommt, mit Beschlägen des Hauses Barrick Gold und überbracht von Deripaskas Hofdamen. Immobilienblase? In Montenegro? Hat man noch nie was von gehört. Steht auch nichts davon im Pressematerial.

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Das Wort Steuerhinterziehung taucht natürlich nicht direkt auf, auch nicht Steuervermeidung und Steueroptimierung. Nachdem der Vergleich mit Monaco aber oft und gerne gebracht wird, kann man sich den Rest dazu denken: In Montenegro liegt der Spitzensteuersatz bei 23%, und auch da kann man noch etwas machen. Ob montenegrinische Steuerfahnder schon Kugelschreiber besitzen? Was kostet eigentlich so ein montenegrinischer Steuerfahnder? Dürfen die überhaupt in so ein exklusives Ambiente, wenn Premierminister und Investoren gut miteinander können? 183 Tage im Jahr muss man sich in Montenegro aufhalten, wenn man in den Genuss dieser Steuersätze kommen will. Man fragt sich, wie der Staat das angesichts einer exklusiv abgeschlossenen Wohnanlage überprüfen möchte. Viel muss man gar nicht sagen; “Monaco” reicht, und im Hirn des deutschen Steuerzahlers entstehen solche Fragen.

Und das zu einer Region auf, sprechen wir es ruhig aus, das B-Wort, dem Balkan, die man unter gängigen Gesichtspunkten vermutlich eher nicht als dauerhaften Wohnort in Betracht ziehen würde, egal wie schnell man mit dem Flugzeug in München oder dem Rennboot in Italien ist. Relativ zu anderen Objekten in Montenegro sind die Preise ab rund 4500 Euro pro Quadratmeter heftig, aber nicht jeder kann so einfach nach Monaco, und man muss ja auch sehen: Politische Protektion kostet extra. Die Nachfrage ist da, denn Vermögen muss immer vor den Staat gerettet werden. Und, auch das ist zu bedenken: Bei einer Wohnung in Montenegro hält sich der Neid der Nachbarn relativ zu Monaco in Grenzen. Über die Steuervorteile muss man ja nicht reden.

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Das Konsortium tönt nach all den genehmen Berichten bereits, es sei überwältigt von all den Nachfragen, man solle sich mit dem Kauf beeilen, und vermutlich treffen sich heute schon andere überschuldete Russen mit ehrenwertester Natur und leer stehenden Hotels mit deutschen Fondsinitiatoren, die wiederum Steuerberater kennen, die dergleichen Flöhe in vom Finanzamt gepeinigte Ohren setzen. Es geht aufwärts mit dem Balkan, nach dem Zigarettenschmuggel kam erst der russische Investor und inzwischen die Krone der bürgerlichen Schöpfung, der deutsche Steuervermeider, und sollte noch irgendwo in der Schweiz oder Liechtenstein etwas Schwarzgeld liegen: Montenegro hat keine eigene Währung, sondern benutzt einfach den Euro – traumhafte Bedingungen für Geldwäsche aller Art. Es wird sicher nicht lange dauern, bis auch die ersten Bankhäuser und Vermögensverwalter in Montenegro Töchter gründen.

So funkelt es aus den Gazetten, so formiert es sich in den Hirnen: Eine Welt für Reiche, steuerbefreit und traumhaft gelegen, kulturell ansprechend und einem oligarchisch regierten Hinterland, in dem alles billigst zu haben ist, Drogen, Frauen, Investitionsgelegenheiten für die anderen, die nachkommen: Die Bedenkenträger, die es zu spät verstehen, und dann mehr zahlen müssen, um Steuern zu sparen, in den neuen Seeräubernestern des internationalen Reichtums, wo die Politik noch ihre Freunde kennt und sie nicht einfach hängen lässt, wie die feigen Schweizer oder die letztlich doch kuschenden Monegassen, wo die Palmen auch nicht schöner sind, und das Meer das gleiche ist. Vielleicht werden wir schon bald von Projekten lesen, die speziell für den deutschen Anleger eine garantierte Russenfreiheit andeuten.

Denn nur, weil man wie ein russischer Oligarch Steuern spart, muss man noch lange nicht mit ihm die Poolliege teilen.