Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Den Mann in der Mitte töten

"Killing the middle man" umschreibt in der Betriebswirtschaft den Vorgang, nutzlose Kostenverursacher bei einer Transaktion auszuschalten., Beim Vermietergeschäft muss man als Besitzer vielleicht bald den Makler selbst zahlen - höchste Zeit also, sich über dessen Beseitigung zu unterhalten.

Das Bluten ist des Mieters Lust.
Bayerisches Volkslied (glaube ich)

Mieter hassen Makler.

Höre ich hin und wieder. Und ich kann an dieser Stelle die Mieter beruhigen: Auch Vermieter sind auf Makler oft nicht gut zu sprechen. So, wie Mieter unendlich viele Geschichten über porschefahrende Gierschlünder erzählen können, kursieren bei uns auch unschöne Gerüchte: Dass Makler Wohnungen zurückhalten, um sie günstig an Bekannte zu vergeben, dass sie faul und unengagiert sind, und obendrein im Verdacht stehen, nicht den besten Mieter zu nehmen, sondern den Querulanten, der ihnen schwarz noch etwas auf die Maklergebühren drauflegt. Ungeachtet dessen bin ich dennoch der Meinung, dass derjenige den Makler bezahlen sollte, der ihn anheuert. Weniger, das gebe ich auch als Vermieter gerne zu, aus Gründen der Gerechtigkeit. Sondern weil es mir mein Geschäft erheblich erleichtern wird.

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Zu verdanken habe ich das der SPD, die im kommenden Jahr mit einem entsprechenden Vorschlag Wahlkampf führen möchte. Das Versprechen lautet, man werde die armen, geschröpften Mieter von jenen Kosten für den Makler entlasten und sie den Vermietern aufbürden. Die Götter und die für sie arbeitenden Lobbyorganisationen wissen, warum die SPD nicht lieber bei einer Deckelung der Verwaltungskosten oder beim Wucher mit den Energiepreisen für Privathaushalte ansetzt; vermutlich sieht der private Vermieter für die Sozialdemokratie weniger wehrhaft als ein Stromkonzern oder ein Immobilienverwalter aus.

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Ausserdem hat der Wähler beim Makler und Vermieter ein klares Feindbild vor Auge, während er von den anderen ihn schröpfenden Organisationen allenfalls die unvermeidlichen Rechnungen, Mahnungen und Warteschleifen kennt. Eventuell lernt er niedrige Anwälte und andere Sklaven Leibeigene Miethandlanger Angestellte des Konzerns kennen, aber niemals, wie beim Makler, einen echten Profiteur. Und Wahlen in Deutschland gewinnt man nun mal so mit Mietern, wie man sie in Italien gegen die Hausbesitzer verliert. Der Mieter ist die heilige Kuh des Wählerpotenzials, und weil diese Kuh sich im Moment von allen Seiten allzu schlimm gemolken sieht, wird man ihr auch parteiübergreifend helfen. Dort, wo sie sind und das auch mit kurzem Hirn verstehen, dort, wo die berühmten Schauergeschichten aus jenen Bestlagen kursieren, in denen sich alle Mieter unter den Augen gelangweilter Porschefahrer und Chanelträgerinnen um die ideale Wohnung drängeln.

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Nun ist der Immobilienmarkt in einer ordentlichen Stadt wie München natürlich anders als in Bremerhaven, Hoyerswerda und anderen gottverlassenen Käffern im Taunus. Jenseits der gewohnten Zivilisation, in die jeder ziehen möchte, ist das Brot der Makler und Vermieter hart, und bei Quadratmeterkaltmieten von weniger als 9 Euro frage ich mich schon, wie die eigentlich Gemäldegalerien im Hausflur finanzieren wollen. Das Problem, das die SPD angehen möchte, sind eher die Zustände in den begehrten Wohnlagen, wo die Mieter um Besichtigungstermine betteln und heftig draufzahlen müssen. SIe wendet sich an klassisches Aufsteigerpublikum mit Hang zu Bestlagen, Parkblick, Seenähe, U-Bahn und Tiefgarage. Sie denkt an Leute, die mit den durchschnittlichen 40 Quadratmetern der Deutschen nicht zufrieden sind, 50 Quadratmeter pro Person als Menschenrecht erachten und noch nicht verstanden haben, dass die in anderen Kreisen nicht unüblichen 200 Quadratmeter an zwei guten Wohnorten logischerweise zur Folge hat, dass 20 andere auch mal auf 30 Quadratmetern leben müssen. Oder gar in Berlin Mitte.

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Es geht nicht anders. Man kann eine Vorstadtvilla nicht teilen, oder die denkmalgeschützten Wohnungen des Rokoko in der Innenstadt umformen. Verbleibende Angebote und enorme Nachfragen regulieren den Preis, so ist das in der Marktwirtschaft, und dafür tragen die Anbieter auch die Risiken der Immobilien. Der Mieter in Bestlage möchte Flexibilität, dafür ist der Vermieter lokal und finanziell gebunden: Das kostet eben. Keiner hat Grund zu Klagen. Aber beim Makler kann man natürlich etwas machen, und ihn zwecks Bezahlung zum Vermieter schicken. Der wiederum hat in aller Regel seine Rendite im Auge, und wenn die durch Zusatzkosten sinkt, müssen eben die Preise ansteigen. Das ist fatal, wenn die Konkurrenz günstiger bleibt, aber völlkommen gleichgültig, wenn es alle machen. Und ich sehe offen gesagt keinen Grund, wieso Vermieter anders agieren sollten, als beispielsweise Ölkonzerne, die GEZ und mexikanische Drogenkartelle bei Ernteausfällen. Und seien wir ehrlich: Die 3% mehr Miete, die das kostet, wird die Liste der Bewerber kaum kürzen, wenn alle anderen Alternativen auch teurer werden.

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Klagen und Jammern gehört zum Mieten wie das Hassen der Makler, und das wird fraglos wieder kommen – aber erst nach der Wahl, wenn die Menschen merken, wie wenig das Gesetzesvorhaben gebracht hat. Auch wage ich schon mal zu behaupten, dass es der Unsitte des Maklerschmierens keinesfalls Einhalt gebieten wird; im Gegenteil, der ein oder andere Makler wird als Schurke, der er ist, in guten Lagen für eine Bevorzugung noch mehr nehmen, weil der Mieter sonst nichts zahlen muss. Es gibt, denke ich, keine Schurkerei, die ich einer Branche nicht zutrauen würde, die 24m²-Butzen in meiner dummen, kleinen Stadt an der Donau als „Luxus” und „exklusiv” anpreist. Trotzdem sehe ich privat mit unseren 7 Generationen Vermietererfahrung der Angelegenheit mit grosser Gelassenheit entgegen: Wir haben das im Blut. Wir brauchen keinen Makler. Wir machen das selbst, und es macht mir Spass. Es tut der Sache gut, wenn sich niemand gerne den Maklerhaien da draussen überantworten will: Je mehr schlimme Geschichten es gibt, je härter der Kampf zwischen Mieter, Vermieter und Makler ist, desto zufriedener ist der Mieter, wenn das alles unter Vermeidung von Zwischenhändlern funktioniert.

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Nachdem dies ein Blog über die Sonnenseite des Lebens ist, muss ich an dieser Stelle nicht darüber schreiben, wie übel so eine Regelung für Vermieter sein kann, wenn die Mieter nicht in Scharen kommen. Ich jedenfalls kann bestens damit leben, wenn der Mieter des skandinavischen Investors, dessen Makler alles Marktmögliche herausgeholt hat, bei jedem tropfenden Wasserhahn den Klempner ruft, und jeden Euro über den Mieterverein verteidigt. Kein Mitleid! Ansonsten orieniert man sich in meiner Lage bei der Mietpreisentwicklung grob am Markt und nimmt die Mieter, die einem am besten gefallen. Und fährt man in so einem Umfeld dann nach Meran in Urlaub, kann man auch die Mieter bitten, den Müll hinauszustellen und die Blumen zu giessen. „Hausgemeinschaft” nannte man das früher, bevor die Skandinavier kamen.

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Die Liegenschaften auf diesen Bildern sind übrigens aus dem schönen Meran in Südtirol, wo ich später einmal überwintern möchte, und auf einem Balkon liegen, das telefon neben mir, und dann ruft jemand an und erzählt, welcher alte Feind sich in Berlin den Oberschenkel auf einer Eisplatte gebrochen hat, während hier die Palmen unverschämt grünen. Dafür brauche ich zweierlei: Daheim Mieter, auf die ich mich verlassen kann, und hier eine Immobilie. Ich schaue jetzt schon die Maklerangebote an. Aber ich kenne auch jemanden, der einen kennt, der weiss, wo vielleicht ein hünscher, leicht sanierungsbedürftiger Altbau angeboten werden könnte, und zwar ohne Makler. Das ist hier wie überall: Man geht zu den selbstständigen Bäckern, Käsehändlern und Metzgern, wo die alten Leute ratschen, und ratscht dann mit den Inhabern. Wie schön es hier ist, und wie gern man hier überwintern würde, irgendwann, später, und idealerweise in einer Nachbarschaft, in der kein Makler wohnt.

Und kein Politiker.