Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Prinzenmangel und Prinzessinnenüberschuss

Jeder Topf findet seinen Deckel, und jeder Blick auf die Singlehaushalte in den grossen Städten beweist, dass es nicht wahr ist: Hochherrschaftlichen Wünschen der Damenwelt steht ein sehr begrenztes Angebot gegenüber.

I want an oldfashioned house with an oldfashioned fence and an oldfashioned millionaire.
Eartha Kitt

In Italien ist “Principessa” ein ernsthaftes Kompliment bar jeder Ironie, so wie man dort “Principe” auch nicht mit einem Märchenprinzen, sondern eher einem zupackenden Kriegsherren, Latifundienbesitzer oder skrupellosen Politiker verbindet. In Deutschland dagegen hütet man sich gemeinhin, eine Frau mit dem Wort “Prinzessin” zu umschmeicheln, wenn es ernst wird, und als “Prinz” wird man generell nicht bezeichnet. Das jedoch ist recht erstaunlich, bedenkt man, dass der Wunsch nach Prinzen sehr ausgeprägt ist; er wird als ein Grund für die mangelnde Vermehrung der Deutschen sehr treffend angebracht – unter Punkt 4, Wir haben keinen Partner, heisst es: Mal liegt es an den Männern, die mit Mitte 30 noch den Lebenswurf von 16-Jährigen haben, mal an den Frauen, die kein Auge für Normalos haben und sich einen Prinzen auf dem Pony wünschen.

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Ich mit meinen 40 Rennrädern und meiner verantwortungsvollen Tätigkeit der Lebensbeschreibung eines nicht ganz armen Nichtstuers kann hier natürlich klar sagen, dass beide Aspekte richtig sind. Ja, es gibt kindische Männer, die ernsthaft an so etwas wie Karriere, sozialen Aufstieg und die Freuden der Lebensversicherungsauszahlung glauben, und deshalb an ihrer Vita basteln, als wäre es Playmobil oder Lego, und mit Powerpoint Phantasien malen und glauben, alle werden einmal ganz reich, wie bei der Monopolygruppe der Jungen Union Karlshuld. Und es gibt die Frauen, die natürlich keinen infantilen Erbsenzähler wollen, sondern den romantischen Prinzen auf dem Turnierpferd. Jeder Mann wird nach dem prinzlichen Kern abgeklopft und durchleuchtet, und, sollte sich da nichts zeigen, abgelegt und schnell ersetzt. Das ist ein wenig wie eine Lotterie, namentlich eine ohne Hauptgewinn, denn richtige Prinzen sind nicht nur selten – sie könnten auch aus Heerscharen von Bewerberinnen auswählen. Das machen sie oft im Märchen, und auch heute ist das nicht anders, wenn es sie denn geben sollte.

Vor zwei Wochen wurde ich selbst Zeuge so einer Prinzensuche, namentlich am eigenen, komplett angezogenen Körper, und wie mir dann danach indirekt mitgeteilt wurde, geruhe ich nicht, zu jener Gattung zu gehören – was ich der betreffenden Person auch gleich hätte sagen können. Nach meiner Beobachtung nämlich ist so ein Prinz idealerweise eben nicht nur die romantische Märchenfigur, wenn er um die Frau wirbt (das sollten Prinzen dringend tun), sondern daneben auch noch sehr kompetent im Umgang mit den Widerwärtigkeiten des Daseins, so ein moderner Drachentöter, der den besten Steuerfachmann in der Familie hat, einen Luxusautoimporteur, einen Schlossbesitzer für die Hochzeit und einen Villenbesitzer für den Urlaub, wenn schon keine eigene Zweitimmobilie da ist. Ironischerweise habe ich das so lala zwar alles irgendwie im Bekanntenkreis oder wenigstens – Stichwort Luxusautomobile – als Vater des geschiedenen Mannes einer Frau, die auch nach einem neuen Prinzen sucht und mich dabei als Konzertbegleitung benutzt. Aber das, was einen Prinzen wirklich ausmacht – eine Familie von Geblüt und Vermögen, die alles regelt – das ist schwer zu finden.

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Und alles, was so aussehen mag, ist meist mit gravierenden Nachteilen behaftet. Der eine Schlosserbe zum Beispiel hat einen Bruder, bei dem der Erbstreit vorprogrammiert ist. Die einzig mögliche Schlosserbin – es soll auch Männer auf der Suche nach Prinzessinnen geben – zieht das richtig durch, also mit Landwirtschaft und Pferd und Ausritt, wenn es richtig kalt ist, was keine Rolle spielt, weil die Bruchbude im Wald, die da romantisch „Jagdschloss” genannt wird, bei genauerer Betrachtung eine Eishöhle ist, in der man besser angezogen zu Bett geht. Und diese Zweitwohnsitze, das stellt man sich immer so prächtig vor. Dabei geht es uns allen gleich: Dort landet das an Mobiliar, Büchern, Leipziger Schule und Porzellan, was man nicht wegwerfen möchte. So einfach hinfahren kann man da nicht, da muss erst jemand kommen und die schlimmsten Geschmacksausrutscher wegräumen, und vielleicht auch mal die sich dort türmenden Unterlagen beseitigen – Steuerzeug gehört nämlich auch zu den Dingen, die man gern mal in einem Nebenraum in der Ferne vergisst, und damit noch einen Monat bis zur Vollstreckung herausschindet.

Und des is des wo I sog, sogt man im schönen Bayern, auf solche Dinge wird man abgeklopft, und wenn man erzählt, wie das wirklich so ist und dabei noch nicht mal die Namen all derer erwähnt, die auf diesem Fischgrätparkett dem Tod entgegentraten, bröckelt die Romantik. Dann war es wohl nicht der Richtige, sagt sich die Aspirantin und zieht weiter in der Hoffnung, doch noch jemanden zu finden, der seine 700 Quadratmeter Spätrenaissance komplett vom Personal machen lässt. Während er im Drawing Room neckisch lächelnd selbst den Tee serviert – in solchen Häusern hat das Personal natürlich immer Ausgang. Ja, das wäre schon nett. Ist aber in der gängigen Marktgrösse der Kleinmillionäre so gut wie nicht zu finden, wird mir so berichtet.

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Schön wäre es dann also, wenn es wenigstens zum Start ein sicheres Zuhause gäbe. Das ist dann die italienische Variante, wo jede Frau eine Principessa und jeder Stall in einem Kaff ein Corte ist – rustikal, bescheidener, aber effektiv: Gesucht wird einer, in dessen Immobilie man wenigstens konfliktfrei einziehen kann, sagen wir mal, 120 Quadratmeter, 20 allein für das Bad, zwei Tiefgaragenstellplätze, und wenn darüber noch eine andere Wohnung läge, könnte der Prinz daraus so ein schickes Duplex machen. Bei mir, ich darf das kurz erwähnen, wäre das Äquivalent das Abhängen eines die Nymphe verführenden Fauns und die Öffnung der dahinter liegenden Tür, und das wäre dann die Erweiterung, aber keinesfalls für einen Billardtisch, so wie ich mir das ausmale, und das war dann auch der Moment, da ich nicht zum ersten Male wirklich uninteressant wurde. Gewünscht wird zumindest das gemachte Nest, das man auf italienischen Hochzeitspostkarten so oft sieht. Vielleicht muss man es auch andersrum sehen: Wer so etwas mitbringt, ist mehr Prinz als jene, die das nicht haben. Morgen ist dann der 22. Dezember, da sind die Weihnachtskonzerte, ich werde mich nicht entziehen können, und sanfte Augen werden mich anblicken und fragen: Ab wie vielen Kindern werden wir am See dazukaufen müssen? Weihnachten ist in der Hinsicht stets brandgefährlich, denn all die Frauen würden sich in leichter Festbekleidung in den Kirchen nicht der Lungenentzündung aussetzen, wenn dem Risiko nicht auch Gewinn entspringen könnte. So ist das an Weihnachten: Die einen entscheiden sich, dass es so mit DEM nicht mehr weitergeht, und reichen die Scheidung ein, und die anderen stehen immer noch allein im Konzert und entscheiden sich, dass es ohne EINEN auch nicht mehr weiter geht.

Ich – und mit mir meine 40 Rennräder im Wert eines Oberklasse-SUVs im theoretisch ausbaubaren Speicher – begrüsse das. Daraus entspringen nämlich durchaus sinnvolle und bodenständige Geschichten, wie etwa die Entscheidung, dass man sich zusammentun muss, und eine gemeinsame Wohnung suchen. Beim banalen Umzug lernt man sich und die Freunde des anderen besser kennen, als man es auf einem Rokoko-Reenactment in einem bitterkalten Schloss tun würde. In ein Barockmonstrum in siebter Generation hineingeboren werden ist kein Verdienst, das Abbeizen des Küchenschranks der Tant’Lore dagegen schon. Man bekommt das, was man will, das man schätzt, und das einen haben möchte, und nicht eine nur so mittelgute Realität, die man sich zum Traumprinzen zurechtlügen muss. Das können sie besten Ehen werden, oder auch nicht schlimmere Scheidungen als die, die bei uns so passieren, Habe ich Ihnen schon die Geschichte vom Vermögensverwalter P. erzählt, also ich hab das vom Anwalt S., der hat das verhandelt, weil der P, also, der hat sich letztes Jahr mit seiner adligen Frau so betrunken und ihr dann mit der Nymphenburgterrine aber so eine auf den

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Oh, es klingelt, das muss die I. sein, wir wollten heute noch einmal über all die Familiendinge reden, die hier nicht stehen. Sie Bewohner der grossen Städte, die sie einsam sind: Nehmen Sie eine netten, unprätenziösen Partner, und meiden sie Männer mit 40 Rädern und Frauen mit Edelsteinen, so gross wie Eiswürfel: Das ist die Sache einfach nicht wert.

(Die Stützen der Gesellschaft werden wie jedes Jahr auch an Weihnachten mit dem neuesten Tratsch und Plausch vom Tegernsee zu berichten wissen)