Domenica, sempre Domenica
Mario Riva
An Quadratmetern hat es uns eigentlich nie wirklich gemangelt. Schaue ich mich bei meinen Bekannten um, so gab es immer irgendein Haus, das bei einem Erbfall plötzlich da war, dann noch eines, und wenn ein Kind wirklich Ansprüche auf nennenswerte Wohnflächen hatte, war einfach schon genug Auswahl da. Zuerst vielleicht noch ein ausgebautes Dach, später eine ordentliche Wohnung mit 85 Quadratmetern zusätzlich, und wenn dann noch ein Partner oder eine Partnerin kam, konnte man damit schon etwas anfangen. Das wirklich eigene Haus kommt dann aber erst mit dem Bund der Ehe. Und daran, dass ich an einem Samstag Zeit habe, das zu schreiben, und es, wenn ich nicht in Sizilien wäre, von der klassischen 3-Zimmer-Wohnung aus täte, erkennt man, dass es bei mir nie so weit gekommen ist.
Allerdings endet auch meine Zeit an den südlichen Gestaden des Kontinents, den man früher Europa nannte und der heute eine deutsche-merkelsche Einflusssphäre ist, so wie der Warschauer Pakt halt auch nicht Warschau, sondern der Befehlsempfänger des Politbüros der KPdSU gewesen ist. Zum einen, weil jeder Luxus irgendwann enden muss und zum anderen, weil in Deutschland viel zu tun wäre; so etwa sollte irgendwann im Sommer, wurde mir bedeutet, die gute Freundin T. einer guten Freundin heiraten, die allerdings schon länger unvermittelbar ist und die folglich jemanden braucht, der mit ihr geht. Dieser Hochzeitsgast wäre dann eventuell ich gewesen. Das zumindest war der Plan, und er war so lange gut, bis die Eltern der Braut gönnerhaft den Vorschlag machten, dem jungen Paar doch das leicht restaurierungsbedürftige Haus zu geben, das sich irgendwie in das Familienvermögen geschlichen hatte, gut lag, hübsch war und obendrein dem Gatten jede Menge Gelegenheit böte, seine handwerklichen Fähigkeiten einzubringen. Denn es sei doch einiges daran zu tun.
Im Grossen und Ganzen kann man das als faires Geschäft bezeichnen, denn die Familie der T. ist nicht auf der Brennsuppn, sondern eher auf dem Kesselfleisch dahergeschwommen, und die Familie des Bräutigams hat ein paar Kinder zu viel, als dass man jedem Spross ein halbes Haus schenken könnte. Wer die heutigen Handwerkerpreise kennt, weiss natürlich, was man mit so einer Regelung alles sparen kann, und wenn man ehrlich ist, hätte die Familie T. für eine Sanierung sicher eine Viertel Million zahlen müssen. So wurde sie also ein Vermögensrisiko los, das junge Paar hatte einen leichten Start ins Leben, und der Gatte konnte der T. beweisen, dass er ein ganzer Mann war. Man kennt solche Aufgaben ja auch aus den Märchen, bei denen sie am Ende immer noch leben, wenn sie nicht gestorben sind.
Der Bräutigam ist dabei nicht gestorben, und man muss auch sagen, dass sich so ein Garten im Frühjahr leicht ausholzen lässt. Ausserdem waren die vorhergehenden Bewohner sauber und ordentlich gewesen; die Hauptarbeiten im Inneren waren also keine allzu grosse Sache. Wenn man an den Mauern nichts änderte. Allerdings wollte die T. einen grossen Hauptraum mit Kücheninsel, wenn sie schon kein wirklich neues Haus bekam, wie es andere auch mitunter bekommen, und das stellte sich dann doch als schwierig heraus, weil auch ein Teil des Gangs integriert werden sollte und… und so geriet die überschaubare Arbeit dann doch etwas umfangreicher als erwartet. Zuerst sah es noch so aus, als würde das Bad erst nach der Hochzeit neu gefliesst werden, dann aber wurde deutlich, dass man eventuell ein wenig die Hochzeit würde verschieben müssen, damit zumindest die Halle fertig wird. Wie ein Ritter lud der Bräutigam deshalb andere Recken für das Abenteuer ein, seine Freunde halfen ihm, und so schien es, als würden für ein paar Kasten Bier und ein paar Scheine alle Gefahren für das junge Glück aus dem Weg geräumt werden.
Das Werk also gedieh und die Braut und die Schwiegereltern waren zufrieden mit dem Fortgang des Märchens. Aber irgendwann müssen sie dann zusammengesessen sein und sich gesagt haben, dass die Leistung des Gatten schön und gut sei, aber man mal mit ihm wegen des Eigentums reden müsste. Und ob er einverstanden sei, dass das Eigentum am Haus in der Hand der Frau im Sinne einer Gütertrennung bliebe. Der Mann, ein echter Cavalier und wirklich überzeugt, das ganze Leben mit der T. zu verbringen in guten Tagen wie an den Tagen, da sie ihren Tennislehrer ihrer zukünftigen Tochter traf, sagte ja. Worauf sich dann die Familie der T. noch einmal zusammensetzte und den Gatten lobte. Dann aber folgende Rechnung aufmachte:
Die Eigenleistung des Ritters sei ja eigentlich auch nur eine Art Leistung dafür, dass er in dem Hause wohnen konnte. Also so eine Art abgearbeitete Miete. Auf Reallohn umgesetzt, wären das aber nur die Mietkosten, die er in so einem schönen, toprestaurierten Haus in Bestlage in wenigen Jahren würde aufbringen müssen. So gesehen wäre das geleistete Werk natürlich nur eine kleine Anzahlung, um dann ein ganzes Leben lang von der Familie der T. zu profitieren. Und wenn es ihm wirklich nicht um materielle Dinge ginge, dann wäre es doch nur gerecht, wenn er sich auch weiterhin an dieser tollen Immobilie beteiligte: Neben den Arbeiten und Nebenkosten stünde man deshalb auch vor der Frage, ob er folglich nicht auch eine Art Miete würde beitragen wollen. Nicht zu den marktüblichen Preisen der Region natürlich, schon eine Vorzugsmiete. Ich möchte an dieser Stelle einschieben, dass es sich in vielen gescheiterten Ehen als weise herausgestellt hat, auf Gütertrennung zu bestehen, und ich möchte auch sagen, dass es Fälle schamlosester Ausnutzung von Grosszügigkeit gibt. Und es ist natürlich jedem selbst überlassen zu überlegen, ob er wirklich die Preise für den Zutritt in diese Kreise zu zahlen bereit ist. Glauben Sie mir, man zahlt immer, auch ich zahle, ein Leben lang, aber es ist mir die Sache wert und ich kenne es nicht anders: Aber jeder muss selbst wissen, ob er in so einem System unten anfangen will. Da, wo er der Gattin im gemeinsamen Haus als Untermieter dient.
Ich war nicht dabei, ich war in Sizilien, das ich im April wirklich empfehlen kann, so blau ist das Meer und so grenzenlos blau ist der Himmel übe dem Hochzeitspaar, das hier letzte Woche vor dem Normannenschloss ausgelassen feierte. Jedenfalls, vielleicht stellte die T. die Frage nach der Miete ausgerechnet nach einem Tag, an dem der von ihr gewünschte Wasserhahn um Ver****** nicht in den von ihr gewünschten Marmortrog passen wollte. Oder dem Gatten waren vielleicht schon vorher gewisse Zweifel gekommen. Oder es wurde ihm schlagartig klar, dass er hier nicht eine Frau, sondern ein ganzes Abhängigkeitssystem mit Frauenfassade heiraten und lieben müsste. Nicht nur jetzt, sondern jedes einzelne Mal, denn natürlich gibt es bei uns auch Systeme, die grosszügig und freigiebig sind. Aber mit der T. hatte der Bräutigam halt eine von den materiell eingestellten Personen erwischt, über die wir sagen: Von den Reichen kann man das Sparen lernen. Und warum sollte man sich ein ganzes Leben etwas antun, das kein Reichtum ist, sondern eine Erwartungshaltung, der zu entsprechen eher schwierig ist?
Jedenfalls, der Moment war nicht günstig, ein Nein ergab das andere Nein. Eigentlich ist es ja zwangsläufig: Keine Miete, kein gemeinsames Haus, kein gemeinsames Leben, also kann man sich auch die Hochzeit sparen. Und deshalb sieht es jetzt so aus, als könnte ich eigentlich noch lang im schönen Sizilien bleiben.
Ich möchte den Vorgang natürlich öffentlich nicht bewerten, denn es ist nicht schön und ausserdem wird es jetzt, mit dem liegengebliebenen Haus, auch noch teurer als manche Scheidung, und das würde mir sicher viel Zorn einbringen. Allerdings: Ich würde so etwas nicht verlangen. Generell bin ich der Meinung, dass man bei der Heirat über Klassengrenzen hinweg dem Partner eine Art Trainingsgegner sein darf. Es ist vermutlich leichter, die Rituale an jemandem zu lernen, den man liebt, als dass man nach der Hochzeit vergleichsweise unvermittelt soziale Gegensätze ausbaden muss. Idealerweise legt man sich vorher für die Tanten ein paar arrangierte Ehen, Internetbeziehungen mit 100%-Deckung und Vernunftbeziehungen unter Gleichen zurecht, die krachend gescheitert sind, um den Clans zu verdeutlichen, dass erst das Unbezahlbare kommen muss, damit man über Preise reden kann. Oder man macht es wie die T., und hat jetzt wieder alle Optionen offen, ausser vielleicht ihrem Ex, mir, und all jenen, denen diese Geschichte gerade unter dem Siegel der äussersten Verschwiegenheit zugetragen wird. Wie gsagt: Wir alle zahlen den Preis.
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