Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Es gibt keinen richtigen Rassismus in der falschen Ausbeutung

Gottes Marmor aus christlicher Frohnarbeit, der Reichen Benzin aus Nigeria und die Sandalen der Aktivistin aus China: Man kann Europa keinesfalls vorwerfen, dass es rassistische Vorurteile bei seinen Vorteilen hegt.

Schreib Kränkungen in den Staub, Wohltaten in den Marmor!
Benjamin Franklin

Jeder dürfte den Godwin kennen, diese erstaunliche Entwicklung, dass bei politischen Debatten gleich welcher Natur ein Teilnehmer sich irgendwann des Arguments nicht enthalten kann, die anderen seien ja wie Hitler, Nazis und Faschisten. Uns Journalisten behandelt man etwas besser, wir sind entweder wie die BILD oder der Herausgeber wird gefragt, wann man uns zum höheren Ruhme der Zeitung vor die Tür setzt (der sogenannte “Berliner-Piraten-Pressearbeits-Godwin”). Und dann gibt es noch so einen speziellen Godwin bei internationalen, sozialen Fragen, wie jene, die sich gerade mit den Flüchtlingen aus Afrika, Asien und Südosteuropa stellen: Dass wir uns, denen es gut, besonders gut oder gar bestens geht, mit idealer Wohnlage und bar aller existentiellen Nöte, gar kein Recht hätten, andere zu beurteilen, die traumatisiert und verfolgt unser Land erreichten und dort nun unbegrenzte Teilhabe fordern.

Der perfekte Godwin zur Niederschlagung jeder Debatte geht in etwa so: Da sind die ausgebeuteten und von ihren Regimen unterdrückten Flüchtlinge, die den gefahrvollen Weg über das Meer genommen haben, um in Lampedusa erst interniert und dann vertrieben zu werden – und eigentlich schuld sind daran die Europäer und ihre Konzerne, die die Bodenschätze ausbeuten, Waffen liefern und korrupte Diktatoren stützen, weshalb das Leben dort unerträglich wird und wir mit den Flüchtlingen die Quittung für unseren unverantwortlichen, eigentlich nur zusammengeraubten Wohlstand erhalten. Weshalb wir überhaupt kein Recht haben, sie abzuweisen, verdammt nochmal die Grenzen öffnen und global etwas unternehmen sollen, denn kein Mensch ist illegal außer die fiesen, fetten Ausbeuter, die wir idealtypisch sind. Ja, es gibt sogar welche, die laut Wahlwerbespot die Abschaffung der Außengrenzen der EU verlangen feat. einen Weltraumaufzug, den sog, “Vernunft-Godwin”.

Nun bin ich gerade im schönen Italien, und dort stellt sich das Problem natürlich etwas anders als in Deutschland dar: Im italienischen Süden wurden Flüchtlinge gezielt aus Afrika eingeschleust, um etwa kostensenkend in der Landwirtschaft zu arbeiten. Internationale Produktfälscher und ihre Kunden – auch das gibt es übrigens unter marxistischen Expiratinnen – setzen beim Vertrieb der Imitate auf den Straßenhandel durch Flüchtlinge. Und dann ist da noch der Umstand, dass nicht jeder Konflikt in Afrika und nicht jede Korruption eine Folge westlicher Misswirtschaft ist, sei es, weil die Chinesen überall dort weitermachen, wo Europäer heute nicht mehr bestechen dürfen, oder sei es, weil unverantwortliches Verhalten mitunter auch aus den Leuten selbst heraus kommt. Man muss eben genau hinschauen, was einem dann den Ruf eines herzlosen Relativierers und Schreibtischtäters einträgt. Die Flüchtlingsdebatte setzt das grenzenlose Leid gegen den Anschein des mittelweißen, männlichen Profiteurtäterverbrecher, ja fast schon Nazi….

Und natürlich den eines Rassisten, wenn man nicht erbaut ist, von Flüchtlingen um Spenden massiv bedrängt zu werden, wie einem das in Italien durchaus passieren kann. Wie überhaupt ja alles, was man zu dem Thema vorbringt, und nicht auf Linie der sehr deutschen Asylaktivisten ist, seinen Urgrund im tiefsitzenden Rassismus haben soll, der uns auch dazu verleitet, diese Menschen auszubeuten und postkolonial neu für unsere Interessen zu versklaven. Ich möchte deshalb in dieser kleinen Rubrik, die sich mit unserem schönen, alten Europa beschäftigt, zurückgehen in eine Zeit, als der Flüchtling der Moderne hier noch Sarazen oder Mohr hieß und die Küsten Italiens ohne Asylsuche ansteuerte, sondern zum Ausrauben, so wie eben auch der ungläubige Hund aus Spanien und Italien beizeiten die nordafrikanischen Küsten für Raub und Mord und Sklavenhandel ansteuerte, und zu diesem Zweck Häretiker an die Ruder seiner Kriegsschiffe setzte. Das war das damals übliche Geschäft und außerdem waren die anderen sowieso nur Heiden.

Man selbst hatte natürlich den richtigen Glauben und baute zu diesem Zweck Kirchen wie eben den Dom in Siena. Und weil man an den richtigen Gott glaubte und mitunter auch gut verdiente, sei es durch Sklavenhandel oder Hehlerei der Waren von einem Mohrenhandelsschiff, konnte man sich auch privat etwas leisten. Im späten Mittelalter etwa war man stolz auf üppige Fensterfronten mit adretten Säulen und Kapitellen aus feinstem Marmor, wie man sie auch von den Blendarkaden der Kirchen kennt, und wir Reisende pflegen den weißen Schimmer an den Gebäuden in römischer Tradition zu sehen, zu seufzen und das Gefühl zu haben, hier vor einer durchgehenden antiken Tradition zu stehen, deren letzte Ausformung wir selbst darstellen. Wo Vergil sang und Dante schmachtete, lässt der deutsche Tourist gönnerhaft 20 Cent auf dem Tisch und der illegale Einwanderer in der original italienischen Küche bekommt davon nichts ab. Und das alles, weil uns Säulen und Kapitelle dieses famose Gefühl einer hohen Kultur geben, selbst wenn die Vorfahren im 18. Jahrhundert noch auf einem Strohsack im Schweinestall residierten. Tourismus adelt jedoch, und der Reisende schaut hinauf und denkt sich, langsam wie rieselnder Kalkstaub, solche Dinger, die gibt es doch auch in – Heike-Helga, wo war das wo Du damals diese Sportsandalen gekauft hast da waren doch auch so Säulen?

Das war vielleicht in Lucca oder irgendeiner anderen Stadt Italiens, man kann es wirklich schlecht auseinanderhalten. Denn all diese hübschen, monotonen Marmorsäulen und einander sehr ähnlichen Kapitelle kommen ursprünglich zumeist aus Carrara, nicht weit von hier gelegen. Hoch in den Bergen wurde der Marmor in harter Arbeit gebrochen, weiter unten dann in Massenfertigung von bluthustenden Ausführenden in Standardformen gemeißelt, mit gefährlichen Rutschkarren zu Tal gebracht und dort dem Genueser übergeben, der tatsächlich auch noch andere Tätigkeiten außer Falschmünzerei, Sklavenhandel und Freibeuterei kannte – auch wenn das der Ruf war, der den Genuesern zu jener Zeit anhaftete.Genua hatte damals unter anderem das Monopol auf den Handel mit Marmor aus Carrara und lieferte auf Wunsch in die ganze christliche Welt, und alle wollten diesen feinen, weißen Marmor zum Ruhme Gottes oder ihrer Handelshäuser. Für Genua war es das weiße Gold und für die Kunstgeschichte macht es die Arbeit schwer, weil die Massenproduktion der Teile die genauere Datierung von Gebäuden, Kirchen und Kreuzgängen nicht eben erleichtert. Und natürlich blieb der Gewinn in Genua hängen – Christenmenschen in Carrara hatten die gefährliche Plackerei und die Veredelung, aber nichts von den abnormen Profiten.

Und die Bauherren in Siena und Lucca mussten zähneknirschend den Genuesern jene Steine teuer abkaufen, die nah ihrer eigenen Heimat gebrochen wurden. Nicht ganz von ungefähr erinnert dieser Handel an die Förderung von Öl in Nigeria oder Uran im Kongo, denn auch wir hassen die Benzinpreise und ärgern uns, wenn die Regierung am Ende den Betreibern der AKWs die Restrisiken abnimmt, wenn sie uns vorher über die Stromrechnung ausgepresst haben. Aber wie man sieht: Das war schon früher in Europa so, wir verdanken diesem System trotzdem unsere schönsten Bauwerke, und wenn die Mille Miglia am Dom von Siena vorbei führt, springen manche aus ihren Automobilen, beenden kurz die Verbrennung vielleicht nigerianischen oder libyschen Ausbeuterbenzins und lichten sich passgenau mit ihren bei einem asiatischen Skalvenkonzern gebauten Mobiltelephon ab.

Das ist natürlich kein Rassismus und kein Kolonialismus, das ist einfach die traditionelle Einstellung des alten Europas. Sie ist wahrhaft grenzenlos und frei von allen Vorurteilen, sie nimmt, wo es ihr vorteilhaft erscheint und macht keine Unterschiede zwischen schwarz und weiß, Christ und Heide, Genuesern und Deutschbankstern. Und vor allem macht sie sich nicht gerne Gedanken, sondern erfreut sich mehr an schönen Dingen und dem Gefühl, etwas Besonderes zu sein, und in der besten aller möglichen Welten zu leben, die mit dem Freihandelsabkommen mit den USA sogar noch besser wird, und die Sandalen für Heike-Helga noch günstiger herstellt, damit sie in Deutschland wieder zu ihrem Refugeeaktionsmeeting oder zur THF100-Propaganda hatschen kann, oder was sie sonst so zur Gewissensoptimierung treibt.

HINWEIS:

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