Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Die Leitkultur der gestutzten Hecken und Kapellen

Wer sucht, der findet.

Diese Geschichte über den Brexit und seine Auswirkung an der Schule ist der beste Text, den ich letzte Woche gelesen habe.

Ein Teil meiner Familie kommt aus dem fränkischen Teil des Altmühltals, wo früher die katholische Dominanz in Bayern endete, und auch andere Konfessionen siedeln durften. Wenn mein Ururgrossvater mit dem Zug aus der kleinen, dummen, katholischen Stadt an der Donau in die alte Heimat fuhr, musste er sich trotz des Ansehens der Familie beim Fahrkartenkauf dumme Sprüche anhören. Woswuisdnbeidene, was er bei denen wollte. Tatsächlich lebt im Altmühltal ein anderer Menschenschlag, aber wenn man langsam, von Dorf zu Dorf über das Land fährt, stellt sich die Veränderung langsam ein. Nimmt man den Zug oder heute das Auto und steigt dort aus, erscheint die Veränderung abrupt. Und früher war es so, dass der radikale Bruch der Regionen schon erlebt wurde, wenn an einem anderen Ort die Katholiken in der Minderheit waren. Wer dorthin fuhr, machte sich verdächtig. Es gab ein laut Gesetz tolerantes Königreich Bayern, und darin intolerante Fahrkartenkontolleure, die ihre Position zur religiösen Gesinnungsschnüffelei nutzten.

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Es waren Leute, die sich wie die Brexitanhänger an der Schule verhielten. Es waren Leute, die sich wie Berliner, Hamburger und Münchner Journalisten verhalten, die voller Verachtung auf das Land schauen und Sachsen jetzt gern von der Landkarte radieren würde, weil man dort im Fall von Jaber A. ein finales Polizei- und Justizversagen hat – aber erst nach einer langen Reihe von Versagen der deutschen Geheimdienste und der für die Migration verantwortlichen Politiker, unter denen Migranten wieder nach Syrien in den Krieg reisen und sich in Berlin mit Kontaktpersonen treffen können, die bislang offensichtlich noch nicht verhaftet wurden. Der Bruch zwischen rein katholischen Landesteilen und religiös gemischten Regionen war über Jahrhunderte staatlich gewünscht und kirchlich forciert, aber ich weiss nicht, ob es gerade eine gute Idee in unserer toleranten Epoche wäre, bei Spiegel Online oder der Zeit zu erwähnen, man besuchte zum Zwecke der Erholung die sächsische Schweiz. Unsere Gesellschaft zerbricht nicht an der alten Religion, sie wird mit der Ideologie der Willkommenskultur und der rassistischen Hetze gegen Einheimische zerbrochen.

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Einheimische, die bei uns das Notlager, das in ihrem Dorf errichtet wurde, hilfsbereit durch die freiwillige Feuerwehr errichteten, spendeten, halfen und dann, als das Notlager wieder geräumt wurde, die Bewohner mit einem Blasmusikkonzert verabschiedeten. Besagte Journalisten kommen nur in Scharen, wenn es von Seiten der Einheimischen gegen Migranten kracht, oder es so scheint, als würde es krachen. Was sie nicht sehen, weil ihnen das Verständnis für die Art der Menschen fehlt, sind die tiefen Veränderungen in dieser Gesellschaft, der ihre Identität mit allen medialen Mitteln als braun, rechts und falsch ausgeredet werden soll. Journalisten nehmen die Brüche wahr, wenn Pegida marschiert und Identitäre das Brandenburger Tor besetzen. Eine Kapelle entlang meines Radwegs nehmen sie nicht zur Kenntnis.

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Sie sehen nicht die frische Farbe und die sauber gestutzte Hecke. Sie sehen nicht, dass hier jemand seinem Gott ein kleines Haus errichtet hat und offensichtlich viel Zeit damit zubringt, es zu erhalten. Sie kennen die weltlichen Besitzer nicht. Das sind Leute, die hier in der Region einigen an Grund und auch zukünftigen Baugrund haben. Im nächsten Dorf, 500 Meter weiter, steht ihr stattlicher Hof, und nicht weit weg eine Kirche. Aber sie haben ihre eigene Kapelle, gross genug für eine ganze Familie, wenn sie eng zusammenrückt. Ich sehe sie öfters, wenn sie Blumen bringen, den Rasen mähen oder die Hecke schneiden. Ich war, obwohl ich Atheist bin, auch schon öfters drin – es gibt einen Vorraum, in dem man Regen und Gewitter überstehen kann. Es gibt da drin einiges zu sehen und zu lesen, und wer genau hinschaut, lernt viel über die Lebenseinstellung, die hinter so einer Kapelle steht. Gott und Maria haben darin einen festen und zentralen Platz.

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Es ist nur eine Kapelle am Wegesrand, mag man vielleicht glauben, aber ich komme hier oft vorbei, und ich kenne sie auch an den Tagen, da sie benutzt wird. An Maria Himmelfahrt beispielsweise, einem Feiertag, den man im Norden nur kennt, weil die Bayern ungerechterweise schon wieder frei haben. An diesem Tag sind bei der Kapelle Andachten, inzwischen mit Priester, mit Gebeten, Musik und Fahnen. Fahnen des Landes und Fahnen der Kirche. Und weil ich hier seit 10 Jahren vorbei komme, sehe ich auch, wie sich das entwickelt. Gemäss dem Fortschreiten der Aufklärung dürften hier nur noch alte Männer und Frauen sein. Aber dieses Jahr war es völlig überfüllt mit Menschen jeden Alters. Dieses Jahr bremsten dort Radler und schlossen sich an. Die Leitkulturdebatte wird hier nicht mehr geführt. Sie ist bereits entschieden.

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Bei uns sind es die Kapellenpfleger, die ein Angebot an die Identität machen, das gern angenommen wird. Das funktioniert hier, weil Religion, ob man es mag oder nicht, ein wichtiger Bestandteil der Kultur ist. Woanders konnte der Kommunismus so schalten und walten, wie er es heute noch in manchen Redaktionen tut. Erlaubte Identität gab es nur in Zusammenhang mit dem Welt- und Internetproletariat, Marx, Stalin und dem historischen Materialismus, dem sich die Geschichte unterzuordnen hatte. In diesen Regionen gibt es Bürgerlichkeit und Religion nicht mehr als einigende und gestaltende Kraft. Dort marschiert dann Pegida, die Nazis werben für “national befreite Zonen“, und die AfD ist auf dem Weg zur stärksten Partei. Da ist er, der offen sichtbare Bruch in unserer Gesellschaft. Zwischen denen im medial-politischen Komplex, die glauben, man sollte doch arabisch lernen und Deutsche, oder “Deutschomane”, wie sie die Zeit nennt, müssten integriert werden, und dem, was bei uns manchmal an Kapellen zu sehen ist, tobt kein lauter Krieg. Aber die Gegensätze sind kaum zu überwinden.

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Das ist normalerweise nicht schlimm. Gefestigte Gesellschaften halten unvereinbare Positionen aus, und haben meist ein ausgleichendes System, das auch die Belange von Minderheiten berücksichtigt. Das geht prima, wenn inhaltliche Differenzen weniger schwer als ein System von einigenden Werten wiegen, die man als “Identität“ oder “Leitkultur“ bezeichnen kann. Genau das aber wurde in Deutschland mit der Migrationskrise aufgekündigt, mit dem Ergebnis, dass im Görlitzer Park die Dealer stehen, und an der Kapelle die Gläubigen. Beide Gruppen sind in absehbar nicht in die Vorstellungswelt des “Wir schaffen das“-Weltbildes integrierbar, weil die einen ihr Terrain erobert haben und halten, und die anderen ihren Werten zugunsten eines derartig anderen Landes nicht abschwören. Beide Welten schliessen sich aus. Und das Christentum auf dem Dorfe ist zwar hilfsbereit, aber nicht dumm: Es führt von hier auch kein Weg zu denen, die bedingungslose Einwanderung in Sozialsysteme ohne Gegenleistung befürworten.

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Ich bin hier aufgewachsen. So war die Einstellung früher, so ist sie auch heute noch. Man bekommt das hier aus den Leuten nicht heraus. Die sind so. Das ist ihre Leitkultur, und dafür brauchen sie weder einen Parteitagsbeschluss noch eine Feuilletondebatte. In England hat man Menschen die Gelegenheit gegeben, diese Leitkulturvorstellungen mit dem Brexit zum Ausdruck zu bringen, und die Folgen sind nicht schön. Ich bin in der heckenschneidenden, kreuzpflegenden und kirchgehenden Leitkultur selbst ein Fremder, und wir haben nicht vergessen, dass sie uns damals fragten, warum wir nach Pappenheim fahren. Leitkultur ist, wenn man auf solche Vorbehalte keine Rücksicht nehmen muss, und so, wie diese Leute in der Debatte allenfalls als Fehlgeleitete auftauchen, ist man hier auf der falschen Seite, wenn man einer Veränderung des Landes durch den Islam das Wort redet.

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Pegida mag verschwinden, und die Identitären sind vielleicht eine Modeerscheinung. Junge Männer werden zu alt für Frei.Wild-Konzerte, und irgendwann bekommen sie auch Kinder, die Annamirl heissen, oder sie geben ihnen Zweitnamen wie Korbinian, Agatha und Quirin, passend zum Heiligenkalender der Kirche. Das war in meiner Jugend wie die meisten Traditionen völlig aus der Mode, heute kommt es wieder. Es gibt mit der kulturell verwurzelten Religion noch etwas, an das sich die Menschen hier halten können, also tun sie es. Das gibt ihnen sonst keiner. Sie sprengen deshalb keine Flughäfen in die Luft und fordern keine Meinungsverbote. Ob ich ihnen traue oder nicht, spielt keine Rolle. Sie sind einfach da. Es sind viele. Wer der Meinung ist, sie sollten arabisch lernen, sich integrieren oder ihre Leitkultur ändern, sollte nicht mit ihm genehmen Journalisten im sicheren Berlin reden, sondern einfach an Maria Himmelfahrt von Gerolfing nach Dünzlau radeln. 500 Meter vor dem Dorf wartet viel harte, echte Arbeit im Garten des Herrn. Wer sucht, der findet. Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott.

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Wie gesagt, ich kenne die Leute und ich weiss, warum ich lieber hier im Internet über gestutze Hecken und Kreuze zwischen Bäumen rede, von denen es dort draussen viele gibt, als dort über die Anpassung an die Wünsche von Migranten, Journalisten und Willkommenspolitikern.