Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Frauen wählen Trump und geschenkte Möbel

53% of White Women voted Trump ? I just don’t understand, at all. At all , at all.
Lily Allen

Da ist sie platt, die Sängerin Lily Allen. Tatsächlich ist das die grosse Überraschung der US-Wahlen: Dass die klare Mehrheit der weissen Frauen Trump gewählt hat. Hillary Clinton hat sich selbst als wichtigstes Ereignis in der Geschichte der Frauenbewegung stilisiert, und Trump als sexistischen Teufel dargestellt. Es war der Kern des gesamtem Wahlkampfs, und alle Medien zogen mit: Die gute, erfahrene Frau gegen das vorsintflutliche Monster. Das wurde unablässig perpetuiert. Die Huffington Post hatte sogar eine redaktionelle Linie, Trump als Sexisten zu bezeichnen. Und mit dem Skandalvideo, auf dem er sagte, er könnte Pussy grabben, gibt es den ultimativen Beweis. Wie können Frauen nur so jemanden wählen?

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An dieser Stelle eine kleine Exkursion, wenn Sie erlauben. Ich plane gerade die Anschaffung einer Küchenmaschine. Es ist nicht so, dass ich nicht genug Küchengerät hätte, aber ich bin vom alten Schlag und arbeite gern mit Messern, Reiben und Kuchenformen, die schon unter dem Prinzregenten in der Familie waren. Aber es gibt eben auch den Gästeflügel und dortselbst natürlich Gäste, die modernes Gerät wie Mixer und Rührmaschinen gewohnt sind. Und ich merke, wenn ich mit Gästen das Thema anschneide, ein bestimmtes Verhaltensmuster an mir. Ich kommuniziere das Anliegen so, dass es nach rein praktischer Erwägung aussieht, was es auch ist. Was ich nach Kräften vermeide, ist der Eindruck, es ginge hier darum, sich etwa eine Gunst zu erkaufen. Früher, unter dem Prinzregenten, war es so, dass der Mann der Frau den Wunsch einfach von den Augen oder vom Fächer ablas, oder, auch das gab es in meiner Familie, von der Frau das von ihr behütete Geld bekam, um eine neue Kuchenform zu kaufen. So rückschrittlich war das damals im Patriarchat! Heute ist alles komplizierter und natürlich möchte ich nicht, dass es wie eine Bestechung aussieht.

Es ist halt so eine Sache mit den Gunstbeweisen in der Gegenwart. Die grosse Mehrheit der Frauen, die ich kenne, geht nach dem Essen im Restaurant kurz die Nase pudern, was aus purem Zufall eine wundervolle Gelegenheit ist, die Rechnung zu begleichen – das wurde uns im ausklingenden Patriarchat noch so beigebracht. Man nimmt heute Frauen nicht alle Lasten ab, aber eben doch so viel, dass sie beschwingt und federleicht gehen können und dennoch so aussehen, als trügen sie ihren fairen Anteil an den Einkäufen. Man hält Frauen die Tür auf. Man zeigt ihnen, dass sie einem nicht egal sind, und dass man für sie und ihre Wünsche mitdenkt. Man tut Dinge, damit Frauen von einem irrtümlich denken: “Wer so etwas tut, kann eigentlich gar kein ganz schlechter Mensch sein.“ Vielleicht, denken sich manche Frauen: “Will er etwas von mir, aber selbst wenn es so ist, habe ich die Kontrolle, und warum soll ich das nicht annehmen.“ Es ist halt ein Spiel. Junge Feministinnen finden das vielleicht ganz schauderhaft, aber ich kenne ihre Instagram-Accounts, wo sie, mit kiloweise Photoshop und Filter bekleistert und weit ausgeschnittenen Hemden um Herzchen und Awwwws anderer Nutzer buhlen. Am schönsten ist die Anerkennung, wenn sie folgenlos bleibt. Don Giovanni und Zerlina, Conte Almaviva in Le nozze de Figaro, Mustafa in Die Italienerinnen in Algier: Das Narrativ “Mann begehrt eine Frau, umwirbt sie, versucht es mit vielen Mitteln, weil sie ihm zusagt, und am Ende nimmt sie einen anderen“ gefällt dem Publikum bis heute. Aus irgendwelchen Gründen. Ende des Exkurses.

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Clintons Lager hat versucht, uns alle auf den zweiten Teil des Skandalvideos hinzuweisen, in dem Trump sagt, er könnte pussygrabben, weil er reich ist. Das ist nicht schön, keine Frage, aber Lily Allen hat die Titelmusik zur Ekelsendung “Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ geschrieben und dafür kassiert. In dieser Serie werden Menschen gedemütigt und dafür von einem reichen Sender bezahlt, und von Millionen Menschen angegafft. Das ist das System der moralischen Grab-the-pussy-Verkommenheit, in dem wir uns heute leider bewegen – ich finde so etwas abstossend, aber ich bin ja auch ein alter, weisser Mann aus einer vergangenen Epoche. Auf der anderen Seite ist es aber durchaus so, dass das Vermögen eines Mannes im Auswahlverfahren der Frauen nicht ganz bedeutungslos ist – es gibt da beispielsweise eine Untersuchung von OKCupid, die zeigt, dass Männer ihr Alter und den körperlichen Verfall mit Vermögen aufwiegen können. Trump hat da eine sehr unschöne, nicht korrekte, gern verschwiegene Peinlichkeit in einer sehr hässlichen Form ausgesprochen. Es war eine Form, über die man sich prima aufregen kann, weil sie Frauen auf den Körper reduziert, aber gestern besuchte ich die Onlineausgabe der Prantlhausener Zeitung und sah dort, dass eine Frau zu einem “Loyalitäts-Roboter“ runtergeschrieben wurde. Und das muss sie sich von einer Journalistin gefallen lassen, deren Wohnsituation vermutlich nicht wirklich so aussieht, als würden Frauen dort gern ihren Nerzmantel fallen lassen.

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Trump ist sicher noch vulgärer als die Prantlhausener Zeitung. Aber ich vermute, Frauen wie Männer wissen, dass es neben der gesellschaftlich erwünschten Fassade auch noch dunkle Ecken gibt, in denen besser kein Mikrophon stehen sollte. Vielleicht hätte der Sager dennoch gereicht, genug Frauen abzuschrecken.

Aber Frauen sind oft kompliziert und denken in grösseren Zusammenhängen als Männer. Das Pussygrabben ist nur ein Aspekt des Skandalvideos. Der erste Teil, der mit ausgestrahlt wurde, zeigt etwas ganz anderes. Da erzählt Trump freimütig, dass er eine verheiratete Frau umworben hat, mit allen Mitteln, und mit ihr Möbeln kaufen ging. Und dann abblitzte. Das ist die Geschichte eines Mannes, der Reizen verfällt und erkennen muss, dass er eben doch nicht alles haben kann. Ein Mann, der bereit ist, sich in Unkosten zu stürzen und es akzeptiert, wenn er keinen Erfolg hat. Das mag in der Welt der Clintons und ihren Millionengeschenken aus Saudi-Arabien nach Sexismus klingen. Für Clintonunterstützerin Lena Dunham ist das sicher ein Beweis dafür, dass sie recht hat mit ihrer Forderung, man müsste den alten, weissen Mann auslöschen. Das ist empörend in progressiven Zirkeln der globalen Elite(tm), die schlecht bezahlte Mülljobs in den Medien gegen Ärmere verteidigen können, weil sie jeden Monat von Papa das Geld bekommen und an Weihnachten entschuldet werden.

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Aber draussen in der Welt geht es nun mal etwas anders zu, und “Möbel bekommen und den reichen Mann abblitzen lassen“ ist sicher eines der kleineren Probleme für die Mehrheit der Frauen, die wie die meisten Männer nie so weit kommen, dass sie eine Glasdecke durchbrechen könnten. Die Geschäfte mit Sex und Beziehung sind in der Welt da draussen billig, und werden nicht von einem Prominenten an der Südküste Floridas offeriert. Das Establishment möchte doch bitte einmal mit alleinerziehenden Müttern über ihre Einkommenssituation sprechen, und wie diese dann von Arbeitgebern teilweise unschön ausgenutzt wird. Das Establishment sollte einmal mit denjenigen reden, die in der Pflege arbeiten, und fragen, warum ein hoher Anteil der Sexarbeiterinnen in Deutschland aus diesem Sektor stammt. Das System, das die Mehrheit erlebt, ist keines, das einem für einen Augenaufschlag die Wohnung einrichtet. Da sind die Tarife erheblich niedriger, und die Gegenleistung kann von den Frauen nicht optional behandelt werden. Das Schlimmste, was Clintons Lager gegen Trump vorbringen kann, ist ein Verhalten, das Frauen immer noch mehr Möglichkeiten als die Jobs gibt, mit denen in New York, Boston und San Francisco nur Rumpelkammern mit 2 Stunden Fahrzeit zum Arbeitsplatz finanziert werden können.

Das sind die Probleme einer Realität, die niemals auch nur in die Nähe von Wohlstand und Anerkennung kommt. Trump kauft Frauen Möbel, Clinton möchte mehr Managerinnen in Führungspositionen und Safe Spaces für College Studentinnen. Das ist die Wahl, die die Amerikanerinnen hatten. Ein spendabler Sexist und eine Vertreterin eines Systems ohne Ausweg und Hoffnung, dass es besser für die Masse wird. Einer, der Amerika wieder gross machen will und eine, die mit anderen zusammen stärker werden will. Clinton spricht die Managerinnen an, die weiter nach oben wollen, Trump die Frauen, die sich nie Schuhe von Louboutin leisten können und auch gern mal neue Möbel hätten. Die einen halten Trump für einen Sexisten und verstehen es nicht. Clintons digitale Mobs ziehen durch das Internet und schreien, das sei die Rape Culture und Trump werde gewählt, gerade weil er für Frauenfeindlichkeit steht. Das ist die Botschaft derer, die nicht akzeptieren wollen, dass es jenseits der politisch korrekten Medien weitere Sichtweisen auf das Skandalvideo geben kann.

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Diese Sichtweisen muss man bedenken, oder man muss sich wundern, warum die minutiös geplante Kampagne weitgehend scheitert. Die anderen stehen mit Food Stamps an der Kasse, hoffen, dass es bis zur nächsten Miete reicht und wären froh, würde sie jemand zum Essen einladen oder sagen, dass sie phantastisch aussehen. Was Clintons oder wahlweise auch Manuela Schwesigs Elitenprojekt nie für jene unterhalb der feministischen Glasdecke des Jessica-Valenti-Lena-Dunham-Establishments tut, at all, at all, at all.