Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Vergesst Andrej Holm, hier kommt der Sexzwang

Tanzen lass all sie wild durcheinander
Don Giovanni

Der Sozialismus hat uns nicht nur Stasi-Mitarbeiter vom Format eines Andrej Holm oder einer Anetta Kahane gegeben, die ein paar lumpige Ostmark oder gar Kuchen für ihre Dienste annahmen, sondern auch den Niedergang einstmalig privilegierter Lebensformen. Man spricht da von gefallenem Kulturgut, und kaum ein Kulturgut ist so gefallen wie meine Gruppe innerhalb der besseren Gesellschaft. Denn früher war das Leben als Single nur den die willigen Zerlinen flachlegenden Don Giovannis vorbebalten, oder den Don Alfonsos, die die Despinas dieser Welt für Dienste bezahlen konnten. Singledasein musste man sich leisten können, und wie prunkvoll es früher war, sieht man beispielsweise an der Würzburger Residenz, einem Luxusbau fränkischer Singlefürstbischöfe. Alte, weisse Männer, die es sich leisten konnten, auf die Meinung von leibeigenen und bildungsfernen Schweinehirten nichts zu geben.

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Die Bildungsferne von damals ist uns geblieben, aber die Leibeigenen wurden frei und statt Schweinehüten lernt man heute etwas mit sozialen Medien, etwa als hauptberuflicher Zensor im Auftrag von Bundesehernursomittelgrossinquisitor Heiko Maas. Im Barock blieb einem nichts anderes als die Heirat, wollte man Sex und gesellschaftliche Anerkennung, und nur die Reichsten und Unabhängigsten konnten sich sexuelle Freizügigkeiten ohne Sanktionen leisten. Heute steht das jedem offen, niemand wird ausgegrenzt, wenn er mit 20 noch nicht fest gebunden ist, die meisten leben sich und ihre Triebe lang aus, und besonders lang machen sie es dort, wo Kahane und Holm ihre Pflichten erfüllen: In Berlin. Ich kenne in Berlin enorm viele Leute, die auch im fortgeschrittenen Alter allein leben. Aber nicht wie bei unsereins, weil da nun mal der Stadtpalast ist und man standesgemäß lebt, wie es die Vorfahren taten, und die Partner aus der gleichen Schicht haben natürlich auch ihren eigenen Flügel in ihren eigenen Anwesen.

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Nein. Sie machen es im Eigentum anderer Leute. Single ist man heute mehrheitlich nicht mehr im eigenen Palast, so wie es Don Giovanni besang: “Reich mir die Hand mein Leben, komm auf mein Schloss mit mir. Kannst Du noch widerstehen, es ist nicht weit von hier.” Moderne Singles machen das in Mietwohnungen. Besonders in Berlin. Nirgendwo gibt es mehr Mieter, und besonders dort stiegen die Mieten – um das zu wissen, muss man sich übrigens nicht durch die altsozialistischen Elaborate von Andrej Holm arbeiten, jede Investorenseite zeigt die gleiche Entwicklung. Hier übrigens mit dem Anstieg der Mietpreise unter den beiden rot-roten Regierungen, die offensichtlich ihren Teil dazu beigetragen haben, eine Gentrifizierung zu schaffen, gegen die Holm nun als Staatssekretär der um die Grünen erweiterten Verursacherregierung antreten soll.

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Holm behauptet ganz in Tradition der DDR, das Problem seien Investoren, die die Preise der Wohnungen und Mieten nach oben treiben. Ich behaupte ganz in Tradition der Stadtpalastbesitzer, dass Holm keine Ahnung von den wahren Ursachen hat. Die wahre Ursache ist die Aufhebung der Leibeigenschaft in Verbindung mit der sexuellen Befreiung. Berlin hat nicht zu wenig Wohnraum, Berlin leidet am Sexualverhalten des Schweinehirtennachfahren. Speziell jener Landbevölkerung aus dem Süden, das sich aus den reichen Ländern aufmacht und in Berlin siedelt, weil es dort immer noch sagenhaft billig ist. Für die Miete meiner Wohnung in Schwabing bekäme man auch heute noch problemlos die dreifache Fläche in Friedrichshain. Ich habe selbst in Berlin gelebt: Es ist, verglichen mit Bayern, spottbillig. Selbst prekäre Existenzen, die von Aufträgen des Tagesspiegels abhängig sind, müssen nicht unter Brücken schlafen. Relative Armut in Bayern erlaubt in Berlin immer noch einen grosszügigen Lebensstil ohne den Zwang, sich mit anderen arrangieren zu müssen.

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Niemand, der Mitte 20 ist und zuwandert, muss sich daher mit Mitbewohnern herumschlagen, wenn er eine intoxinierte UdK-Studentin oder einen rumänischen Hoffentlichvolljährigen aus Schöneberg mit nach Hause nimmt. Diese Unabhängigkeit ist unkompliziert zu bewerkstelligen und macht das Sexualleben angenehm. Eventuelle Dauerpartnerschaften lassen sich mit zwei getrennten Wohnungen arrangieren, ohne dass man auf Zufallsbekanntschaften aus dem Dark Room verzichten müsste. So eine Singlewohnung garantiert Ausschweifung und Laster, und eine etwaige Vermüllung stört dann auch keinen. Ich hatte in meiner Wohnung in Berlin ein eigenes Zimmer für die Zwischenlagerung von Kronleuchtern! Es hat wirklich Vorteile. Man kann kommen und gehen, wann man will. Man kann leben wie ein fränkischer Fürstbischof. Und deshalb hat Berlin so exorbitant viele Einpersonenhaushalte. Mehr als jede zweite Wohnung in Berlin wird von einem Single bewohnt – und davon wiederum die Hälfte von noch leicht paarungsfähigen Menschen im Alter unter 50 Jahren. Die Hälfte der 881 613 Singlehaushalte.

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Runden wir wie so ein Koalitionsvertrag grob auf, auf eine halbe Million, die alle noch unter den Begriff Berufsjugendliche fallen können. Das sind 500.000 Bäder, die teilweise vermutlich genutzt werden. Und das sind 500.000 Küchen mit dem Aussehen von Kabul, die vermutlich nur seltenst einmal begangen werden. 500.000 Dielen. Und sicher mehrere hunderttausend Zweitzimmer, die als Rumpelkammer genutzt werden. Alle reden von Gentrifizierung, aber der übelste Platzfresser ist nicht der Milliardär in seiner Villa am See, sondern das Massenphänomen der allein wohnende Jungberliner, die sich mit niemandem arrangieren wollen. Jeder braucht sekundäre Flächen nur für sich allein, in denen er sich kaum länger als ein paar Minuten am Tag aufhält. Rot-Rot-Grün will das bekämpfen, indem “bezahlbare Wohnungen“ errichtet werden, die dann über kurz oder lang erneut dem Platzvernichtungsgrund Nummer Eins zum Opfer fallen: Dem privilegierten Sauhirtennachkommen, der seinen ungebundenen Lebenswandel will. Und neostalinistische Staatsübergriffe auf Investoren, damit er dafür wenig zahlen muss. Diese 500.000 jungen Singles – das sind dann auch die, die mehrheitlich Rot-Rot-Grün wählen.

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Zum Dank sprechen Aktivisten wie Holm dann auch nicht darüber, dass bei der Beendigung der Leibeigenschaft Fehler gemacht wurden, deren direkte Folge der rasante Anstieg der Singlehaushalte ist. Holm und Co. schicken Arme vor, die für weniger Miete und weniger Rendite der Investoren demonstrieren sollen, und nicht gegen Alleinwohner, die alle ein Bad, eine Küche und einen Flur brauchen, und damit gut 15m² den wirklich Armen entziehen. Holm spricht nicht von Singles, die zwei oder drei Zimmer allein bewohnen, ohne dass sie aufgrund ihrer Abstammung dazu berechtigt wären, und sich das auch nur in Berlin leisten können. Holm meint, dass in Berlin über 100.000 Wohnungen fehlen, und mehr, noch mehr scheussliche Blocks in sozialistischer Tristesse gebaut werden sollen. Ich sage, die bestehenden Wohnungen werden nur von seinen Wählern falsch belegt.

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Also, Stasi raus und Leibeigenschaft wieder rein. Mein Vorschlag geht an die Wurzel des Problems: an die epidemische Ausbreitung des Singlehaushaltes in Berlin. Man muss nicht die Investoren bekämpfen, sondern jene, die allein zu viel Platz brauchen. Zu diesem Zwecke sollte man alle Singles auf mehr als 25m² vor die Wahl stellen: Entweder bezahlen sie eine progressiv-quadratmeterabhängige Strafsteuer auf die Miete wegen Zweckentfremdung von Wohnraum ärmerer Schichten. Oder sie nehmen eine Art Wohnungs-Tinder an und erklären sich bereit, mit einer anderen Person des gewünschten Geschlechts zusammen zu ziehen, auf maximal 70m². Zumindest bei den städtischen Wohnungen sollte das doch kein Problem sein. Wenn es gelingt, die Hälfte der Berliner Singles zu konsolidieren, werden hunderttausende von Wohnungen frei. Und hunderttausende zahlen eine üppige Strafsteuer, die aber zu verschmerzen ist. Weil Berlin immer noch billiger als zivilisierte Regionen des Landes ist, und so eine Singlewohnung dann ansatzweise das ist, was sie früher in Form des Palastes einmal war: Ein Luxus, der bei Geschlechtspartnern als Zeichen des Wohlstands die Beischlafwahrscheinlichkeit erhöht. Berlin hat dann genug Wohnungen entgentrifiziert und kann sie, wenn es zwischen den zusammen gezogenen Singles klappt – Willkommensgeschenk ein Kasten Wodka, dann flutscht das – den Wohnraum an junge Familien geben. So ähnlich funktionierten übrigens auch Hauszuweisungen im Absolutismus, und der hat eindeutig besser und schoner gebaut, als Holm und Genossen es je können würde.

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Wem das nicht passt, der kann ja immer noch nach Brandenburg ausweichen, wo es Leerstand und günstige Preise gibt – auch das ist von Vorteil. Mein Vorschlag ist viel besser als die Idee, die pervers hohe Grundsteuer, mit der das roträuberische Berlin alle Mieter sozial ungerecht schröpft, zu halbieren. Mein Vorschlag sorgt für bessere Auslastung, zwingt Menschen, wieder miteinander zu reden, reduziert Messietum und ist sozial gerecht, wenn man einmal von Einschränkungen der Freiheit absieht, die aber nicht so schlimm wie unter der alten oder neuen Stasi sind. Man könnte das mit frivolen Festen begleiten, oder mit einer Art Darkroom-Roulette zur Partnervermittlung, auf dass es dem libertären Zeitgeschmack gefallen mag. Den Weg dorthin mit Blumen der Sünde bestreuen, Broschüren entwerfen, Medien schmieren, damit sie die richtige Einstellung verbreiten. Sage mir bitte keiner, Lokalblätter wie der Tagesspiegel würden da nicht lustvoll mitstöhnen. Die besten Ehen im Fürstbistum Würzburg wurden auch auf den Weinfesten begründet.

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Also, liebe SED-Nachfolger, man muss niemanden überwachen, enteignen, deportieren, zusammenknüppeln, umerziehen, drangsalieren, wegsperren und bespitzeln, um die Wohnungspolitik vom Gentrifizierer zu befreien. Und vielleicht wählen die Zwangsgeehelichten Euch dann auch weiterhin, weil es vielleicht gar nicht so schlecht ist – bei uns in der Provinz leben die Menschen jedenfalls gern zusammen, weil es Sicherheit, Zuneigung, Verständnis und gemeinsames Ersparen schöner Dinge erlaubt, bei geringeren Kosten. Die Vorteile erkennen die Wähler der grünbeholfenen SED jetzt noch nicht, aber man muss ihnen halt erklären, dass es sich dabei um sozialistische Tugenden handelt. Das war in der DDR damals mit der Unterdrückung auch nicht anders.