Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Andrej Holm bleibt Liebling der Plutokraten

Wer hat uns verraten? Linksparteimitglieder! #skali64

Hin und wieder werde ich gefragt, ob ich mein nicht immer konfliktfreies Treiben nicht doch etwas bedaure. Ob ich nicht einsehen möchte, dass auch ich Fehler mache und Menschen zu hart beurteile. Ich bin dann immer in Versuchung, mit Donald Trump zu antworten. Der erwiderte auf die Frage, ob er Hillary Clinton im Wahlkampf nicht zu brutal angefasst hatte, mit den epochemachenden Worten: “No. I won.” Es ist eine Versuchung, ich kann ihr aber widerstehen, und außerdem habe ich natürlich manches getan, was man nur als unangemessen bezeichnen kann. Mein letzter schwerer Missgriff war der momentan noch das Amt eines Staatssekretärs bekleidende Andrej Holm, dessen frühere Tätigkeit für die Stasi ich als erster publizierte und mich darüber noch lustig machte, obwohl es inzwischen zu einer handfesten Regierungskrise führte. Ich bin übrigens immer noch der Meinung, dass jemand mit so einem ideologisch gefestigten Standpunkt und seiner fragwürdigen Selbstreinwaschung in der Berufspolitik nichts verloren hat, aber ich muss auch an mich selbst denken und zugeben: Da kannte ich seine politischen Positionen noch nicht.

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Denn auch ich habe natürlich den gefestigten Klassenstandpunkt eines Menschen, dessen Vorfahren ihren Klassenstandpunkt mit Anweisungen an andere bekräftigten, nämlich, wo und wie sie die Tiere meiner Vorfahren zu hüten hätten – und dafür brauchten wir auch keine SED-Diktatur und Mitmacher wie Holm, die bürgerliche Klassengesellschaft reichte völlig aus. Daraus entstand Besitz. und Besitz verpflichtet natürlich, und zwar vor allem, den Besitz weiter zu mehren, was nur geht, wenn andere weniger haben. Früher machte man das etwa mit Leibeigenschaft, heute kann der Leibeigene auswählen, welchem Herrn er seine Zahlung für die Bewirtschaftung von Fläche überlassen will – weil Leibeigenschaft völlig zu Unrecht in Verruf kam, nennt man das heute “Miete”. Mein Klassenstandpunkt ist also der einer fortgesetzten Bereicherung auf Basis von Besitz, für dessen Umfang ich wenig kann. Aber es ist nett, Teil so einer Gesellschaft zu sein und zu sehen, wie frühere Stasi-Männer heute alles daran setzen, damit auch alles so bleibt.

Holm jedenfalls hat via Zeit und Potsdamer Nachrichten schon einmal wissen lassen, was er alles tun will. Städtische Mietwohnungen behalten und ausbauen, und auf keinen Fall in Eigentumswohnungen umwandeln. Oh ich möchte auf Holm zugehen, ich möchte an sein Bäckchen greifen, das fleischige Inkarnat etwas herausziehen, mit einem leisen Plopp zurückschnalzen lassen und sagen: “Oh Sie Schlingel, wir verstehen uns!” Denn in Berlin steigen die Preise der Wohnungen, natürlich auch der Wohnungen der Stadt, und diese Wertzuwächse bleiben auch bei dem Gebilde, das SPD, Linke und Grüne unter sich aufgeteilt haben, Ein Sozialist, der das Volk bereichern wollte, könnte auch ganz anders. Er könnte sagen:

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“Sehet, Genossen, der Kapitalist macht das Geschäft seines Lebens mit Immobilien, während Ihr weiter steigende Mieten bezahlt: Wir bieten Euch, Genossen, sofern Ihr das bezahlen könnt, Wohnungen aus unserem Bestand zum Kauf an! Das erhöht das Angebot deutlich, bremst den Preisanstieg für den Bestand, und befreit uns von Fehlbelegern, die sich auch mehr als die Miete leisten könnten. Außerdem müsst Ihr selbst dafür sorgen, dass es hier nicht mehr wie im Saustall der Knechte von Don Alphonsos Vorfahren aussieht, und zum Lohn bildet Ihr Immobilienvermögen in der einzigen Hauptstadt westlich von Pjönjang, die für Euch auch im Kauf noch bezahlbar ist.

Die Kredite dafür wickeln wir über eigene Finanzvehikel ab, damit wir, also der Staat und damit alle, selbst die Zinsen kassieren können. Und das Geld nehmen wir, um vor der Stadt auf eigenen Grund ohne Investoren neu zu bauen. Ihr zahlt 4000 € pro m², wir machen aus den Geld 2 neue Quadratmeter vor der Stadt und in Baulücken. Wier versprechen auch, dass höchstens 1,5 m² davon an unsere Kernwähler gehen! Der Rest ist frei je nach Warteliste, die nur 93% der Länge der Warteliste von 1988 im Osten hat. Genossen! So schön ist die Weltrevolution!”

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Und ich muss ganz offen zugeben: So ein Modell wäre bei vielen Mietern hochwillkommen und würde unsereins massiv schädigen; Denn es würde gerade aus den zahlungskräftigen Mietern Besitzer machen – und würde uns nur die Ärmeren lassen. Die mit den Risiken, die man nicht so gern hat. Holm dagegen behauptet, man könnte auch mit 4,50 Euro Monatsmiete kostendeckend einen Quadratmeter bauen, und will bei den realistischen Zahlen von 12 und mehr Euro gleich mal wieder die Profite herausrechnen. Er behauptet, die Miete könnte bezahlbar bleiben. Er sagt nicht, dass damit mehr Eigentum für Privatleute in einer ostdeutschen Provinzstadt, die vielleicht einmal so teuer wie beliebte Metropolen wie Kinding, Pfaffenhofen oder Dietramszell werden könnte, natürlich unerreichbar ist. Die Stadt nimmt das, was ich auch nehme: Die Miete. Und behält die Wohnungen.

Und sorgt so dafür, dass das Angebot an Eigentumswohnungen gering bleibt, und ganze unberührbare Kasten wie Berliner Nachwuchsjournalisten an die bezahlbare Miete glauben, so wie ihre Vorbewohner in jener Stadt an die Weltrevolution, die Überlegenheit der arischen Rasse, an den Kaiser und Thron und Altar geglaubt haben. Der Zeit ihren Irrglauben! Und natürlich findet man die Märchenstunde vom bezahlbaren Wohnen schön, wenn man 40 ist und vor der Frage steht, ob man nun das neue iPhone haben will, und danach ein Burgeressen, oder einen Kredit, dessen positive Folgen man erst nach 30 Jahren sieht. Das funktionierte früher bei den Leibeigenen, weil die Lebenserwartung viel zu gering war, und es funktioniert heute bei ihren Nachkommen, weil sie glauben, mit R2G käme im Bund sicher auch das bedingungslose Grundeinkommen, und warum sollte man sich dann noch um Immobilien kümmern.

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Holm nimmt also mit einem scheinproletarisch-städtischen Verhalten, das sich in nichts von unserem grossbürgerlichen Benehmen unterscheidet, viel sozialen Druck von uns, und sorgt durch die Verknappung des Angebots für Bereicherung. Ein Schlingel, wirklich. Dass er gegen die Verwendung von Wohnungen als zwischenvermietetes Ferienobjekt vorgehen will, ist auch pure Kapitalistenförderung: Ich erlaube das meinen Mietern, denn natürlich sind sie ab und zu nicht da, mache Urlaub, und warum sollten sie die Kosten für die Miete nicht anderweitig reinholen? Holms Mieter dagegen bleiben diese Zusatzgeschäfte mit leerstehendem Wohnraum verboten, ja sie sollen sogar von Schnüfflern denunziert werden, wie das so ähnlich bei seinem früheren Arbeitgeber auch schon gemacht wurde. Auch das läuft auf eine Verarmung der Mieter hinaus, und darauf, dass unsereins mit besseren Konditionen natürlich auch etwas mehr Miete verlangen kann.

Auf das Gerede von der Verhinderung von Zwangsräumungen gebe ich nichts, das ist auch nur populistisches Lametta, solange die Zivilprozessordnung ZPO in Berlin noch gilt. Und ungefähr zu der Zeit, während Herr Holm die Hofberichterstatter von Zeit und Tagesspiegel empfing, und ihnen erklärte, wie rebellisch und regimegegnerisch doch der Haushalt seiner sozialistischen Familie war, wurde in der Skalitzer Strasse 64 schon mal die meines Wissens erste Zwangsräumung unter R2G im zweiten Versuch durchgezogen. Geht es nach Holm, soll das nur noch möglich sein, wenn der Geräumte eine andere Wohnung in Aussicht hat – was möglicherweise etwas schwierig ist. Aber aus meinem Klassenstandpunkt ist das noch ein Geschenk: Wir haben Vertragsfreiheit und können Mieter mit diversen Mitteln zum Zahlen bringen: Befristete Mietverhältnisse, die erneuert werden müssen, 1 Jahr Miete vorab, Bürgschaften, totale finanzielle Durchleuchtung – und wer das nicht will, muss eben zu den kommunalen Bauträgern. Dort fühlen sich dann sicher auch die Mietnomaden heimisch, denn sie wissen: Solange sie keine Ersatzwohnung haben, werden sie unter Staatssekretär Holm nicht geräumt. Mietenverweigerung und keine neue Bleibe? Keine Räumung. Ein Eimer fauliger Fische im Hausgang und keine neue Bleibe? Keine Räumung. Schlachtfest an Ziegen im Bad und keine neue Bleibe? Keine Räumung. Abbau der eingebauten Küche für den Cousin als Hochzeitsgeschenk und illegale Zwischenvermietung an 20 EU-Sozialbegünstigte und keine neue Bleibe? Keine Räumung. Nichts macht das Vermieterglück größer als ein Marktführer, der seinen besonders problematischen Kunden besonders nette Behandlung verspricht.

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Wie das alles letztlich funktionieren soll, wie man die Mieter dazu bringt, ihre selbstverursachten Kosten zu tragen und die Unkosten derjenigen zu finanzieren, die das System für sich ausnützen, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen – nun, das ist zum Glück nicht mein Problem. Der alte Westen hat schließlich auch besonders vom Umstand profitiert, dass sich der alte Osten mit SED, STASI, Planwirtschaft und Völkerfreundschaft so herabwirtschaftete. Vielleicht schafft es Holm, Berlin wieder aus dem Geltungsbereich der ZPO heraus zu holen, vielleicht sieht Mieterschutz dann wirklich so aus, dass alles getan wird, um sie vor Profiten und Wertsteigerung des Wohneigentums zu schützen. Die Regierung von Berlin kann mit Schlendrian alles verlangsamen, sie kann die Polizei bei Mieterdemonstrationen zurückziehen, und abgefackelte Autos aus dem Verfassungsschutzbericht zusammen mit einigen Gruppierungen streichen, die sich für Holm stark machen. Sie kann bei ihren Wohnungen tun und lassen, was sie will. Das ist prima, denn es gibt immer welche, die genau diese Zustände wollen, und andere, die jeden Preis bezahlen, um ihnen zu entgehen. Und das wiederum lohnt sich für Privatvermieter, Privatschulen, Privatsicherheitsdienste und Privatmeinungen unter Salonsozialisten, dass Mieterschutz zwar wichtig ist und soziales Bewussstsein auch, aber 500 Euro mehr Miete im Monat an einen Privatmann trotzdem die Nachteile aufwiegen, die sich dann im Sozialwohnungsbau manifestieren werden.

Famoser Mann, dieser Holm. Solche können wir brauchen. Und die abgewohnten Ruinen können wir nach dem nächsten Regierungswechsel sicher günstig von der finanziell ausgebluteten Stadt bekommen, wie schon 1990 im Prenzlauer Berg, als Holm seinen ersten Job bei der Stasi verlor.