Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Das Patriarchat steckt Tiere in den Mixer

Eine Geschichte aus der guten, alten Zeit des echten Wirtschaftswunders

Als gute Hausfrau habe ich nicht einfach eine teure Küchenmaschine gekauft, sondern zuerst einmal gefragt, was denn angemessen sei. Gefragt habe ich vor allem ältere Hausfrauen mit viel Erfahrung, und immer wieder wurde mir erzählt, dass sie zur Hochzeit oder selbst erspart ein Gerät der Firma Braun erhielten. Das tut jahrzehntelang seinen Dienst, ist unzerstörbar und wird auch von Kindern begehrt, die es sich dann aber selbst beschaffen müssen. Also bestellte ich im Internet eine gebrauchte Braun KM-3 der allerersten Generation, gebaut 1957 und verkauft zu einem Preis von 230 Deutschen Mark – ein durchschnittlicher Arbeiter verdiente damals 200 DM pro Monat – für lächerliche 2% meines Monatslohns. Mit Porto.

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Ich bin eben eine gute Hausfrau, auch wenn die Ursache nicht gerade schmeichelhaft ist: In meiner Familie herrschte die – sich nachher als zutreffend herausstellende – Überzeugung vor, dass Leute wie ich ohnehin keinen lebenslangen Partner finden würden, und daher nicht auf die Dienste einer Frau zugreifen könnten. Deshalb wurden mir neben den typisch männlichen Fähigkeiten wie Radreparatur, Heizungentlüften und Nageleinschlagen, wegen derer ich bei Frauen heiß begehrt bin, auch Haushalt und Kochen beigebracht, weswegen ich bei den meisten Frauen in der Epoche der Tütensuppen und Microwellen ebenfalls begehrt bin. Bisher kam ich eigentlich immer ohne Küchenmaschine aus – was zu gross war, wie etwa Gemüse für Suppen, kochte oder schnitt ich eben klein. Ausserdem habe ich kleine Handraspeln und Reiben aus Messing, mit denen ich gut umgehen kann, und als Single reicht das normalerweise. Aber ich wollte nun mal auch eine Küchenmaschine, und was soll ich sagen: Die KM-3 ist laut, brutal und macht alles, was man ihr hineinschiebt, in Windeseile nieder. Schluss mit dem Kochen und Häuten von Tomaten, hinein in den Mixer für eine Minute, und nichts bleibt zurück außer jenem roten Matsch, aus dem Tomatensuppenträume von ausgekühlten Rodlern sind. Inzwischen habe ich übrigens auch eine zweite Braun für den zweiten Wohnsitz am Tegernsee.

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Die Hausfrau in mir jauchzt, weil Semmelknödel jetzt dreimal so schnell fertig werden. Und die Hausfrau in mir hat natürlich auch der eigenen Mutter mit stolzgeschwellter Brust die Neuerwerbung vorgeführt. Diese wiederum erkannte sogleich, dass ich die gleiche Maschine gekauft hatte, die mein Grossvater 60 Jahre zuvor schon erworben hatte, und die sehr bald bei uns in Ungnade gefallen ist, weil meine Grossmutter noch ohne Hilfen kochte, und besonders, weil der Mixeraufsatz MX-3 für dieses Gerät beinahe den Joschi umgebracht hätte. In Komplizenschaft mit meinem kochunfähigen Grossvater.

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Weil, es war nämlich so: 1957 zogen Vertreter durch Deutschland und offerierten in gehobenen Haushalten – wir erinnern uns an den Preis der KM-3 – Vorführungen der Küchenmaschine. Bei uns wiederum gerieten sie dabei an meinen Grossvater und versprachen das Blaue vom Himmel. Wie etwa, dass man Eier mit so einem Mixer überhaupt nicht mehr aufschlagen müsste: Man werfe sie einfach hinein, schalte das Gerät ein, und der Mixer zermahle Ei und Schale zu einer Flüssigkeit, die gesünder als normale Eier sei, denn in der Schale sitze auch Calcium und das habe man schließlich auch gezahlt. Meinem kochunfähigen Grossvater war das Versprechen völlig eingängig, nicht aber meiner Grossmutter, die Eierschalen zerrieb und in ein Säckchen in die damals ebenso aufkommende Waschmaschine tat: Eierschalenstaub soll nämlich Weisswäsche entfärben, besagt eine Hausweisheit, die vermutlich ebenso falsch wie die These ist, der Mensch könnte das Calcium der Eierschalen in geriebener Form in sich aufnehmen. So hat eben jede Zeit ihre Legenden, aber wenigstens waren die Eierschalen damals billiger als Anti-Aging-Creme oder Migranten, die wertvoller als Gold sein sollen und es für ihre Profiteure wohl auch sind.

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Meiner Grossmutter als Hausfrau also kaufte mein Grossvater jedenfalls die Küchenmaschine, und im gläsernen Mixer wurden damals tatsächlich die so beliebten Milchmischgetränke gezaubert. Die KM-3 war auf dem besten Wege, sich als Neuheit ihren geachteten Platz in der Küche zu erkämpfen, zumal ihre blosse Existenz und das Versprechen des Vertreters, damit könnte nun wirklich jeder kochen, bei meinem Grossvater den Eindruck erweckt hatte, er könnte das auch. Nun sind Überzeugungen stets harmlos, solange sie theoretisch bleiben, wie etwa merkelsyrische Ärzte und Facharbeiter, aber so, wie die nordafrikanisch geprägte Silvesternacht von Köln in der Willkommenskultur nicht vorgesehen war, war auch für den Vertreter ein schicksalhaftes Zusammentreffen nicht vorhersehbar, von dem nun zu berichten ist. Es kam nämlich der Jagdfreund Joschi zu Besuch. An einem Tag, da mein Grossvater allein daheim war, was ja auch ganz angenehm ist, weil man dann ungestört über Schusswaffenkäufe und die Notwendigkeit eines Gamsstutzens reden kann. Das waren, wie gesagt, noch die finsteren Zeiten des echten Patriarchats, Männer erschossen Viecher, Frauen kochten sie, und alle ernährten sich zu fleischlastig und wussten nicht, was ein BMI ist, wohingegen ich heute natürlich auf jedes Gramm Fett achte.

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Es war also die Hausfrau nicht da und mich, der ich Hausfrau bin, gab es noch lange nicht. Was es aber gab, war die KM-3, den Mixeraufsatz MX-3 und den Joschi, den das Reden über Gewehre hungrig gemacht hat. Und obendrein war noch ein gut abgehängter Eichelhäher im Haus, den mein Grossvater letzthin geschossen und meine Grossmutter schon gerupft hatte. An den Backofen hätte sich mein ehrenwerter Ahn nicht getraut, aber den Umgang mit der Pfanne traute er sich schon zu, und das Grundrezept der Fleischpflanzerl war ihm, der auch Rührleier machen konnte, bekannt. Ausserdem hatte er ja die Küchenmaschine, die alles klein und breiig machte. Während der Joschi also im Wohnzimmer mit den Schiessgeräten meines Grossvaters hantierte, fand mein Ahn, tatkräftig und entschlossen wie Donald Trump, in der Küche das Schubfach mit den Semmelbröseln. Er fand Eier. Und er fand, damit nahm das Unglück seinen Lauf, die Tranchierschere, mit der er den Eichelhäher so klein schnitt, dass die Teile – mit allem, was so an Knochen, Haut, Fett und Gedärmen in so einem Vieh ist – in den MX-3 passte. Dass Calcium gesund ist und auch Knochen Calcium sind, wusste er. Er suchte den Butter und als er ihn gefunden hatte, war im MX-3 schon eine feste Masse aus Ei, Eierschalen, Semmelbrösel und Eichelhäher. Das ein oder andere Schrotkörnderl war vermutlich auch noch im Vogel. Er schaltete den Gasherd ein, stellte die Pfanne darauf, formte Eichelhäherpflanzerl, die ihm nicht einmal anbrannten.

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Der Joschi war danach richtig vergiftet und drei Tage krank.

Und sagte ganz schreckliche Dinge über die Küche meiner Familie, obwohl alle Hausfrauen ganz vorzügliche Köchinnen waren. Köchinnen, die daraufhin auch aufpassten, dass nachkommende Stammhalter insofern kochen konnten, als sie zwischen Ei und Schale unterscheiden können – im Eieraufschlagen bin ich wirklich Meister. Ausserdem ist es heute ohnehin nicht mehr gefährlich, denn die Jagdtradition in meinem Stamme endete mit meinem Grossvater, ich selbst bin Vegetarier, und wer möchte, kann sich auch von meinen Kochkünsten ohne Laktose, aber mit Dinkel und frei von allen tierischen Produkten überzeugen. Erst sollte man das Kochen lernen, und dann mit der KM-3 verfeinern, jener Höllenmaschine, mit der der arme Joschi beinahe umgebracht wurde, und die nach diesem stadtweit bekannt gewordenen Unglück nicht mehr in Gnaden aufgenommen wurde.

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Aber jetzt ist sie wieder im Hause wie 1957, und singt das harmlose Lied der Kürbiscremesuppen und Gemüsetartes, die grossen Arien der Zucchinipflanzerl und der Spinatknödel, und die Kalorienspottgedichte des Guglhupfs. Manchmal lasse ich sie auch einfach nur rattern, um Plätzchenteig zu machen – ich mag Plätzchen nicht, aber den Teig schätze ich sehr, und wenn einer übrig bleibt, kann man ihn in den Kühlschrank und später Gästen auf Gesässhöhe unter das Laken im Bett legen. Die juxen dann, das ist immer lustig, und es war ein beliebter Streich in der Jagdhütte meines Grossvaters.

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Wir sind eben sehr traditionsbewusst. Es renkt sich eben alles wieder ein, und was uns nicht umbringt, macht uns hart. Joschi und Unkraut vergehen nicht, und immerhin hat sich mein Grossvater wenigstens Mühe gegeben. Und daraus gelernt. Er wusste danach, dass er doch nicht kochen kann, und hat es bleiben lassen, so wie auch heute die meisten Frauen an Universitäten, sogar ganz ohne jemals an einen Joschi zu geraten.

Aber Altersarmut von alleinstehenden Soziologinnen im Berliner Matriarchat bereden wir ein andermal.