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Frauen schreiben. Politisch, poetisch, polemisch. Montag, Mittwoch, Freitag.

„So was ist eine Krankheit“

| 61 Lesermeinungen

Auf der Petitionsplattform openpetition.de findet derzeit öffentlich Hetze gegen Homosexuelle statt. Die Betreiber der Plattform begegnen dem nur zögerlich.

Dank Online-Petition ist es heute so einfach wie nie, sich für eine gute Sache (oder absurden Quatsch) einzusetzen: Für die Freilassung politischer Gefangener, den Fortbestand des Deutschen Fernsehballetts oder die Einführung der Sitzplatzpflicht in bayerischen Schulbussen. Drei Klicks und schon ist die Unterschrift erstellt, die gute Tat des Tages abgehakt.

Doch dass die gutgemeinte Idee solcher Plattformen auch menschenverachtende Hetze verbreiten kann, beweist derzeit openpetition.de. Wer in diesen Tagen die Webseite aufruft, stößt umgehend auf Sätze, in denen Homo- oder Transsexualität mit Sodom und Gomorrha, Satan, Hass oder ähnlichem in Verbindung gebracht wird.

Diese finden sich unter der Petition „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“, eingereicht von Gabriel Stängle, 41, Realschullehrer aus dem Schwarzwald. Privat ist der 41-Jährige in einer christlichen Gemeinschaft aktiv, die bibelorientiert lebt, schreibt die taz.

Die Petition, die derzeit ca. 58.000 Menschen unterschrieben haben, richtet sich gegen ein Positionspapier der rot-grünen Regierung zur Bildungsplanreform. Dort ist auch ein Passus zur „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ enthalten: Schule soll ab 2015 vermitteln, dass nicht alle Menschen heterosexuell sind oder in das Männlein/Weiblein-Schema passen und dass dies vollkommen in Ordnung ist.

Stängle bezieht mit Argumenten Stellung, wie man sie von Kampagnen evangelikaler Christen in den USA kennt. Im Unterricht würde eine „neue Sexualmoral propagiert“, natürlich mit schlimmen Folgen: Es fehle die „ethische Reflexion der negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils, wie die höhere Suizidgefährdung unter homosexuellen Jugendlichen, die erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen.“ Eine frühere Fassung der Petition, die von den Betreibern der Plattform entfernt wurde, war da noch eindeutiger. Stängle musste den Text ändern, um nicht mehr gegen die Nutzungsbedingungen der Plattform zu verstoßen. Diese verbieten ausdrücklich Diskriminierung von Einzelpersonen oder Personengruppen, auch nach sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität.

Die diskriminierenden Inhalte sind inzwischen also verklausuliert, im Gegensatz zu den Kommentaren. Ihr Duktus erinnert an kreuz.net, der 2012 wegen „Verdachts auf Volksverhetzung“ eingestellten Plattform. Empörend ist, dass diese Hetze gegenüber Homosexuellen nun eben legitimiert wird, denn Online-Petitionen besitzen eine hohe Glaubwürdigkeit. Selbst die Lehrergewerkschaft GEW verurteilt die Petition, gegen Stängle wurde Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht.

Warum wird diese Petition also nicht gelöscht? Fritz Schadow, Pressesprecher von openpetition.de erklärt mir: „Die Petition zum Bildungsplan formuliert eine sehr konservative Forderung.“ Ja, diese Petition ist erzkonservativ. Doch die Kommentare stammen von Menschen, die eine wortwörtliche Auslegung des alten Testaments propagieren. Das nennt man Fundamentalismus.

Schadow ist der Meinung, dass Betroffene und Gegner der Petition selbst die Kommentar- und Debattenfunktion nutzen sollen. Schadow: „Wenn andere Nutzer*innen zeigen können, dass die Befürchtungen unbegründet sind, ist das eine gute Möglichkeit, dem zu begegnen. (…) Verlinkte Quellen bieten die Möglichkeit, sich intensiv mit dem diskutierten Thema auseinander zu setzen und sich ein besseres Bild zu machen, als es durch den Petitionstext allein möglich ist.“ Aussagen wie „Homosexualität kommt von Satan“ kann man jedoch nicht mit Argumenten begegnen. Und es ist eine Zumutung für die Betroffenen, sich damit beschäftigen zu müssen. Solange openpetition.de sie nicht angemessenen schützen kann, muss die Petition von der Plattform genommen werden.


61 Lesermeinungen

  1. oda.krell sagt:

    Man kann gegen Homophobie und dennoch für Meinungsfreiheit sein
    Der Kernaussage des Artikels bzgl. des Inhalts der Petition ist kaum etwas hinzuzufügen. Jedoch fehlt m.E. ein schlüssiges Argument warum die Plattform-Betreiber die Petition entfernen sollten.

    Verstösst sie gegen deutsches Recht? Nein, natürlich nicht. Ist sie in einem legal schwer zu definierenden Sinne dennoch grenzwertig “menschenverachtend”. Ja, möglicherweise.

    Aber genau die Unterscheidung zwischen dem ersten und dem zweiten Punkt macht es doch hoffentlich offensichtlich dass ein stärkeres Argument für die Löschung notwendig ist als “Die Online-Plattform kann gekapert werden von Menschen mit dummen Ansichten.”

    Zumal die Forderung an sich, “Kein Unterrichtsthema Homosexualität”, so infantil es auch sein mag, offensichtlich durch das Recht zur freien Meinungsäusserung gedeckt ist. Bleiben also die Kommentare, die wohl nicht moderiert werden — was aber auch auf eine Pro-Homo-Unterrichts Petition zutreffen würde, und man darf vermuten dass die Homophoben dann dort munter weiter kommentieren.

    Es läuft m.M.n. wirklich am Ende auf eine Recht prinzipielle Frage hinaus: Wieviel (unliebsame) Gegenmeinung verträgt man. Muss man Sarazin wirklich “Volksverhetzung” unterstellen und seine (wissenschaftlich unhaltbaren) Thesen kriminalisieren? Muss jedes “Arschloch” im Strassenverkehr wirklich mit einer 2? 3? Monatsgehaltbusse geahndet werden. Oder kann man vielleicht darauf vertrauen dass erwachsene Menschen, im Durchschnitt, vernünftig sind. Wenn letzere Premisse absolut nicht zutrifft, hilft ein Redeverbot auch nicht weiter auf lange Sicht.

  2. Wo_sind_sie_geblieben sagt:

    Nur 10 Kommentare? Da sind Sie ja den ganzen Tag mit wegzensieren beschäftigt, Frau Lohaus?!
    Oder ist Ihr Blog so wenig frequentiert? Beides wäre jämmerlich. Schon mal drüber nachgedacht?

    • sumo83 sagt:

      Der Blog ist Ok frequentiert, die Statistiken können Sie ja selbst sehen, und bisher habe ich jedes Kommentar, außer eines in dem drei Buchstaben standen (?) freischalten.

    • ThorHa sagt:

      Für diesen Beitrag sind sowohl Klickzahlen als auch Kommentarzahlen durchaus befriedigend.
      Für den ganzen Blog allerdings ein ausserordentlicher Ausreisser, üblich sind Klickzahlen im Hunderterbereich und Kommentare überwiegend aus der Filterblase einer relativ kleinen Gemeinschaft. Das erklärt nebenbei auch die relativ hohe Empfehlungsrate für z.B. facebook – selbstreferentielle Gruppensolidarität.

      Kurz – Frau Lohaus hat einen Beitrag verfasst, der in der faz online Leserschaft auf allgemeines Intreresse stiess. Den anderen Autorinnen dieses Blogs zur Nachahmung empfohlen, wenn sie tatsächlich Debatten ausserhalb ihrer Komfortzonen führen WOLLEN.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • sumo83 sagt:

      Seltsame Einschätzung: Den Blog gibt es doch erst seit wenigen Wochen. Und im Vergleich der anderen FAZ-Blogs liegt er im Mittelfeld, mal mehr unten, mal mehr oben, dass kann man ja ungefähr abschätzen. Der Flugfeld-Artikel von letzter Woche liegt übrigens im 5-stellingen Bereich.

    • Wo_sind_sie_geblieben sagt:

      Wow - zwei Antworten der Initiatoren. Toll! Dann lassen Sie uns - nun - mal gespannt sein ...
      … welcher Kommentar die meisten “Empfehlungen” bekommt. Auch wenn der “Gewinner” Frau Lohaus vielleicht gar nicht gefallen dürfte. Und wahrscheinlich auch bei der FAZ, oder zumindest dessen Feuilleton, für tiefes Stirnrunzeln sorgen wird. Tja, so ist das, wenn Ideologie auf Realität trifft.

    • sumo83 sagt:

      Zwei Antworten der Initiatoren? Was meinen Sie, bitte, zählen Sie genauer, klicken Sie die Kommentare auch mal bis zum Ende durch und schicken Sie die Auswertung dann gerne an die FAZ. Deren Abteilung dazu, hat, glaub ich, gerade Urlaub. Die Redakteure, die den ganzen Tag dort sitzen, und die Blogbeiträge diskutieren und danach bewerten, ob sie der Redaktionsmeinungsmehrheit entsprechen, die Sie glücklicherweise auch genau kennen, freuen sich bestimmt, wenn Sie Ihnen diese Arbeit abnehmen.

    • ThorHa sagt:

      Letzte 10 Beiträge - 7 mit dreistelligen, einer mit knapp vierstelligen Zugriffszahlen,
      einer mit hoch vierstelligen (dieser, wird es wohl in die fünfer schaffen), einer mit fünfstelligen.

      Alle Beiträge mit dem klaren Kernthema dieses Blogs (“die armen Frauen”) schafften es nur in die dreistelligen Zugriffszahlen …

      Dass der Blog “neu” ist, überzeugt nur Ahnungslose. Der erste Beitrag hätte dann der mit den schlechtesten Zugriffszahlen sein müssen. War er aber nicht – er setzte mit deutlich fünfstellig den für einige Zeit unerreichten Masstab.

      Wer die kosnistenten Kommentar- und Zugriffszahlen der “Stützen” oder die von “deus ex” kennt, weiss, wie das einzuschätzen ist.

      Einer der Gründe dafür ist das offenkundige Desinteresse der meisten Blogschreiberinnen an ihrem eigenen Blog. Frau Lohaus Engagement ist tatsächlich die absolute Ausnahme. Dafür hat sie in kurzer Zeit verdientermassen auch die meisten Kommentare gesammelt.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • sumo83 sagt:

      Das stimmt nicht, es ist auch bei neuen Zeitschriften, bei Fernsehsendungen etc. so, dass die ersten Ausgaben/Sendungen gut verkaufen, dann ein Knick kommt und man dann schauen muss, wie es sich entwickelt (fragen Sie mal bei Verlagen, Fernsehsendern nach). Wie lange sich Medien halten, hängt von verschiedenen Faktoren ab, nicht nur Quantität.

    • sumo83 sagt:

      Naja, waren ja auch alle in den Weihnachtsferien. Die letzten zwei Wochen als Maßstab zu nehmen, ist unfair.

  3. alfons01 sagt:

    Toleranter Vorzeige-Volldemokrat: "...muss die Petition von der Plattform genommen werden"
    Ne wirklich, irgendwo ist ja wohl Schluss mit Toleranz, insbesondere wenn sich diese gegen den Alleinvertretungs-Toleranz-Anspruch des politisch korrekten richtet; so geht das nicht.

  4. adami sagt:

    Auf welcher Grundlage diskutieren wir denn überhaupt?
    … oder wie weit geht die Toleranz derer, die stets für ihren Lebenswandel Toleranz einfordnern?
    Gegen den Begriff “gender” muß man gerade als aufgeklärter Mensch zumindest Vorbehalte haben, gegen den Prozeß des “Gender-Mainstreamings” wäre längst eine Verfassungsklage fällig (demokratische Legitimation eines “top-down-Prozesses”?). Zu der historischen Entwicklung des “gender”-Begriffs eine kurze Lektüreempfehlung:
    Volker Zastrow: Gender – Politische Geschlechtsumwandlung. ISBN 978-3-937801-13
    (manuscriptum-Edition Sonderwege). Wenn es darum geht, wissenschaftlich Umstrittenes über den zweifelhaft legitimerten Weg eines Bildungsplans einschleichen zu lassen und mit der Schulpflicht zur allgemeinverbindlichen Lehre zu erheben, dann fühle ich mich als Staatsbürger zu Widerstand verpflichtet. Mich befremdet keinesfalls die Kombination aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Resultaten gezielter Lobbyarbeit und deutscher Gründlichkeit, wenn ich feststelle, aus welcher politischer Richtung der Bildungsplan in BW kommt.

  5. ThorHa sagt:

    Alle Soldaten sind Mörder.
    Alle Männer sind testosterongesteuerte potentielle Vergewaltiger.
    Alle Banker sind korrupt.
    Alle Menschen, die Geschlecht nicht für frei definierbar halten, haben irrationale Ängste.

    Alles Behauptungen, die von der Meinunsgfreiheit gedeckt sind und in Deutschland täglich irgendwo öffentlich geäussert werden. Alles Behauptungen, denan man nicht mit Argumenten begegnen kann und die eine Zumtung für die Betroffenen darstellen, sich damit zu beschäftigen.

    Solange die Publikationsorgan die Betroffenen nicht angemessen schützen kann, dürfen diese Behauptungen nicht mehr publiziert werden bzw. müssen nach Publikation gelöscht werden …

    Sie hätten ein herausragendes Mitglied des Gremiums der katholischen Kiche für den “Index Librorum Prohibitorum” abgegeben. Meinen Glückwunsch dazu.

  6. Craine sagt:

    "sich für eine gute Sache (oder absurden Quatsch) "
    und wer darf sich anmaßen zu beurteilen, was sinnvoll und was quatsch ist? meinungsfreiheit bedeutet zu akzeptieren, was andere denken. egal in welcher richtung!

    danke für das nennen der webseite. ich unterschreibe jetzt schon deshalb, damit man mal lernt, andere meinungen zu akzeptieren!

    • sumo83 sagt:

      Ganz einfach (und sehr kompliziert): das muss die Gesellschaft aushandeln. Deswegen dieser Beitrag.

    • Craine sagt:

      "aushandeln" impliziert, dass
      es irgendwann ein endgültiges ergebnis dazu gibt. das kann aber nicht sein. auch wenn die mehrheit sich auf eine meinung festlegt, bedeutet das nicht, dass diese meinung dann auch die einzig richtige ist.

      da gibt es nichts auszuhandeln. man muss akzeptieren. schwarz UND weiss. nicht oder. nicht belehren.

    • sumo83 sagt:

      mmh. das meinte ich gar nicht.
      (Ach so, ich bin auch sumo83 und habe erst gerade gemerkt, dass ich, wenn ich eingeloggt bin, um Kommentare freizuschalten, nicht mit meinem Klarnamen erscheine, etwas kompliziert.)

      Naja, es ist ja schon so, dass Ethik sich in Konventionen und in Gesetzen niederschlägt, die dann zu ihrer Anwendung führen. Einen richtigen gesellschaftlichen Konsens gibt es aber nie, und ich bin da froh drum. Ich fürchte auch mein Anliegen wird missverstanden. Der Grund, warum ich für die Löschung der Kommentare bin, ist, weil die Plattform selbst, sich in ihren eigenen Nutzungsrechten gegen die Diskriminierung von Personengruppen aufgrund von sexueller Orientierung und sexueller Identität ausspricht. Das geht weiter als unser Grundgesetz. Dadurch dass sie die nicht oder viel zu spät löscht, (sie machen es ja, es dauert nur viel zu lange und dadurch werden Menschen diskriminiert), ist sie der Meinung, die Kommentare seien nicht diskriminierend, sie legitimiert sie. Auf einer andere Plattform, deren Nutzungsbedingungen anders wären, wäre ich nicht für die Löschung der Kommentare (oder müsste einer andere Argumentation folgen).

  7. kinky_So sagt:

    Frau Lohaus,
    ich adressiere das jetzt mal an Sie, meine es aber auch generell.
    Diese 10 vor 8 Blogs (die sehr hochkarätig besetzt sind) sind mehrheitlich auch mein Anliegen.
    Die Reaktionen zeigen, wie wenig selbstverständlich vielen diese Themen sind.
    Über vieles, das hier diskutiert wird, habe bereits in den 70er-Jahren nachgedacht und es für erledigt betrachtet.
    Jetzt sehe ich, weit gefehlt. Eine Kollegin hatte mit ihrem Wellenvergleich wohl recht.
    Ich wünschen Ihnen und den anderen Damen dieses Blogs gutes Gelingen!
    Wie die Diskussionen geführt werden, was diskutiert wird, ist so unterschiedlich wie die hier engagierten Frauen. Tempramentvoll, bescheiden, launisch, hochintellektuell, humorvoll egal.
    Frauen mischen sich ein.
    10 vor 8 ist eine große Bereicherung.

  8. Schulz007008 sagt:

    Pfui, so ein Artikel
    die größte sauerei! Scheiss Gender Mainstream. Das ist die größte Mafia!!!
    WIR SIND DAS VOLK!

  9. Lupulus sagt:

    Krank ist die Sexualisierung der Schulen
    Ich habe die Petition zusammen mit inzwischen über 70.000 Menschen unterschrieben. Die Diskriminierungskeule scheint also nicht mehr so effektiv zu sein. Vielleicht kann auch eine Hauptstadtbloggerin einmal zur Kenntnis nehmen: die immer aggressivere Propaganda für jede nur erdenkliche sexuelle Spielart (und das auch noch an den Schulen!) trifft gottlob außerhalb des linksgrünen Milieus kaum noch auf Gegenliebe.

    • sumo83 sagt:

      Kirche im Dorf
      Ich fürchte, Sie sollten mal die buchstäbliche Kirche im Dorf lassen. Deutschland hat fast 82 Mio. Einwohner. 70.000 Unterschriften, da hat jedes zweite Katzenvideo bei Youtube mehr.

  10. sumo83 sagt:

    So, liebe Trolle,
    die Zuckerdose ist leer.

    Gute Nacht.

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