Ich. Heute. 10 vor 8.

Feminismus und die neo-liberale Universität

Der Umstand, dass ich seit vielen Jahren zwischen London und Berlin pendele und viel mit deutschen Kollegen und Kolleginnen zusammenarbeite, gestattet mir einige interessante Einsichten in zwei unterschiedliche Universitätssysteme als Räume für feministische Wissenschaften und Beschäftigung von Frauen.

Ich denke, dass die vielbeschworene Flexibilität, die dieses Feld in Großbritannien seit den späten 70ern ausmacht, und von der Frauen ganz erheblich profitiert haben, zu einer neo-liberalen Flexibilität wurde. Und diese Transformation ist es, die eine akademische Karriere heutzutage deutlich unattraktiver macht. Das neue System von Leistungsvergleichen, Exzellenzen, Rankings, Effizienzdruck ganz allgemein erfordert einen derartigen Zeitaufwand, verbunden mit einem Höchstmaß intellektueller Kraft, dass selbst am Ende eines ausgefüllten Lehrtages man das Gefühl nicht los wird, man hätte immer noch nicht alles getan. Flexibilität heutzutage bedeutet nichts anderes als Arbeit rund um die Uhr, verbunden mit einem schlechten Gewissen, wenn man sich mal freinimmt.

In der Folge würde ich soweit gehen zu behaupten, dass Erfolg in den akademischen Lehrberufen heutzutage faktisch nur mit voller Hingabe – und zwar einer Hingabe, die Privatleben, Partnerschaft und Kinder ausschließt – erreichbar ist.

Ganz allgemein kennzeichnet diese Entwicklung eine Bewegung weg von einem sozial-demokratischen Universitätssystem hin zu einer verstärkt kompetitiv und unternehmerisch geprägten „Lernumgebung“. Während der sozialdemokratischen Regierung, so schien es, hatten junge Frauen in Großbritannien, die eine wissenschaftliche Karriere anstrebten, wesentlich bessere Chancen als ihre deutschen Geschlechtsgenossinnen – umgekehrt scheint das heute der Fall zu sein.

Wenn ich an die späten 1970er in Deutschland zurückdenke, dann erinnere ich mich an junge feministische Wissenschaftlerinnen, die immer in der Hoffnung, irgendwo einen Fuß in die Tür zu bekommen, gegen das rigide und patriarchalische System anzukommen versuchten. Doktorandin zu sein, erforderte kein geringes Maß an Unterwürfigkeit und Ehrerbietung gegenüber dem „Grand Professor“ – fast ausnahmslos männlich. Die Folge war ein bedeutender „Brain Drain“, mit immer weniger Frauen in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die ihren Weg verfolgten und sich institutionell verstetigten.

Der entscheidende Unterschied in Großbritannien damals war die Existenz eines dualen Systems mit den regulären und den polytechnischen Hochschulen (später „Neue Universitäten“). Die gleichberechtigte Finanzierung beider Zweige steigerte das Ansehen der polytechnischen Hochschulen und war zudem mit der Maßgabe verbunden, einer größeren Bandbreite Personen den Zugang zum Studium zu ermöglichen. Das wiederum erlaubte die Entwicklung von Curricula, die wesentlich experimenteller und interdisziplinärer waren als an den traditionellen Universitäten. Die „Polys“ zogen vermehrt schwarze Frauen und Studentinnen anderer ethnischer Minoritäten an, auch waren sie bei „älteren Semestern“ sehr beliebt. Dieser Umstand erlaubte es feministischen Wissenschaftlerinnen, ganz neue, zugeschnittene Curricula zu gestalten, die den Lebenswirklichkeiten dieser Studenten und Studentinnen nahe waren.

Die managerhafte Revolution jedoch hat viele dieser Einrichtungen einfach weggeschwemmt. Das ist nicht nur dem neuen Preisregime zu verdanken, sondern auch der Einführung eines komplett neuen Vokabulars sowohl im Lehr- als auch im Forschungsbereich. Ist „Vermittelbarkeit“ jetzt das Schlagwort, und damit das Ende des offenen experimentellen Curriculums, so steht die Bezeichnung „Grantability“ („grant“ (engl.) = Förderung, Subvention) dafür wie gut ein Forscher oder eine Forscherin es versteht, externe Gelder zu akquirieren – um so weitere Punkte für seine oder ihre Karriere zu sammeln.

Wo Ersteres die Bandbreite des Curriculums zugunsten von Jobs und Praktika drastisch beschränkt – und damit stillschweigend den Wert von beispielsweise einem Master in Genderstudies hinterfragt – versucht Letztere die Leistung von Forschern zuforderst an ihrer Fähigkeit Förderungen anzuwerben zu messen.

Konzentrieren wir uns auf die unbestreitbare Tatsache, dass Frauen immer noch die Hauptverantwortlichen für Kinder und Haushalt sind. Hier wird ganz schnell klar, dass diese neue unternehmerisch orientierte Universität die Karrierechancen von Frauen dramatisch einschränkt. Die immer wiederkehrende „Forschungsergebnisauswertung“ erwartet ununterbrochenen Output – und dass ungeachtet von Mutterschaftsurlaub oder Elternzeit. Doch nicht mal das reicht mehr: Darüber hinaus wird nun erwartet, dass die Forscherinnen und Forscher ihren Einfluss in Form von Kooperationen mit Firmen, Verbrauchergruppen oder der Politik – eben jenseits der akademischen Community – nachweisen können.

Das Abstellen auf Konkurrenz und Selbstvermarktung finde ich besonders beunruhigend. Es hat den Effekt, dass man ständig gezwungen ist, überall über die eigenen Errungenschaften zu sprechen. Ist dieses Geprotze nicht genau das Verhalten, das man mit altmodischen Firmenchefs assoziiert? Nimmt man aber den Fuß vom Pedal, so resultiert dies in neuem psychischen Druck: Rechtzeitig nach Hause zu kommen, um die Kinder von der Schule abzuholen und bei den Hausaufgaben zu helfen, muss man dagegen aufwiegen, mit welchem Artikel man nicht zu Ende kommt oder welche Konferenzeinladung nicht angenommen werden kann.

Diese neo-liberalen Exzellenz-Maßstäbe laufen darauf hinaus, dass man verdammt ist, sich ewig als unzulänglich zu fühlen. Die daraus zwangsläufig resultierende Konkurrenz, Angst und mangelnde Kooperation unter jungen Leuten torpediert fruchtbare Verbindungen, kollektive Forschungsprojekte und Co-Autorenschaft. Hier wäre es vielleicht sinnvoll über den Ethos eines Richard Sennett nachzudenken. Dieser setzt sich in seinem jüngsten Buch mit einer handwerklichen Perspektive auseinander. Handwerklich insofern, als dass der Ethos desselben übernommen wird und das Unterrichten oder sogar das Korrigieren von Examen, am Ende als Tageswerk, als eine zur Zufriedenheit erfüllte Aufgabe betrachtet werden kann.

(Übersetzung: Bettina Springer)

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