Ich. Heute. 10 vor 8.

Ich. Heute. 10 vor 8.

Frauen schreiben. Politisch, poetisch, polemisch. Montag, Mittwoch, Freitag.

Yoko Ono – eine große Künstlerin und ewiger Sündenbock

| 9 Lesermeinungen

Yoko Ono polarisiert wie kaum eine zweite, zwischen Verehrung und Hass gibt es scheinbar nichts – aber warum bloß?

© Alexander Plyushchev (CC-BY-2.0)Yoko Ono, 2007

Gerade ist ein neues Werk von Yoko Ono mit dem schönen Namen „Acorn“ (zu Deutsch „Eichel“) hier erschienen. Mir gefiel das Buch und so kam ich auf die Idee, ein Happening, einen Abend zu veranstalten, der sich mit Yoko Ono und ihrem Schaffen auseinandersetzt. Ich fing also an, mir bekannte und befreundete Künstler*innen, Musiker*innen, Performer*innen  und Schauspieler*innen einzuladen, einen ganz persönlichen Beitrag, eine Interpretation oder einen Kommentar entweder zum neuen Buch oder zu Yoko Ono und ihrer Arbeit zu leisten.

© Haffmans & TolkemittYoko Ono Acorn (Buchcover)

Die Liste der in Frage kommenden Personen war lang, schrumpfte jedoch radikal zusammen, denn wie sich herausstellte ist Yoko Ono offensichtlich immer noch eine sehr polarisierende Frau.

Von zwei Ausnahmen abgesehen – haben mehr oder weniger direkt (von „Sie ist unterirdisch!“ bis „Keine Zeit“) alle angefragten Männer – insgesamt waren es zehn – eine Beteiligung abgelehnt.

Die Frauen hingegen bekundeten großes Interesse und sagten in vielen Fällen ohne Umschweife zu.

Das hatte ich wirklich nicht erwartet und begann nach den Gründen zu forschen. Dabei musste ich mir eingestehen, dass ich selbst bis dato Yoko Ono eher weniger Beachtung geschenkt hatte und mich – offensichtlich unbemerkt  – dahingehend habe beeinflussen lassen, sie, na sagen wir mal, tendenziell negativ zu sehen. Ich vermute, dass ich da eine offenbar herrschende Grundstimmung aufgenommen habe, ohne jemals gezwungen worden zu sein, diese näher zu reflektieren. Im näheren Bekanntenkreis, so ergab sich bei weiterem Nachfragen,  reichte die Einstellung Yoko Ono gegenüber von „Ist mir egal“ oder „irgendwie doof“ bis „grauenvoll“.

Da hatte ich mich schon intensivst mit ihrem künstlerischen Schaffen beschäftigt und musste feststellen, auch wenn es zahlreiche Bemühungen gibt (zuletzt die große Retrospektive in der Frankfurter Schirn vor einem Jahr), das Ausmaß und die Bedeutung ihres wirklich beeindruckend visionären und avantgardistischen Werkes einer breiteren Öffentlichkeit zu demonstrieren, sie offenbar immer noch vollkommen unterschätzt wird. Für die meisten ist sie einfach John Lennons Witwe.

Dass Ono sich mit beeindruckenden Performances und Arbeiten bereits vor dem Kennenlernen Lennons einen Namen in der Szene gemacht hatte, schien vollkommen unter den Tisch zu fallen.

Müsste nicht heute längst die Tragweite und Bedeutung ihres Werkes allgemein anerkannt sein? Ganz offensichtlich nicht – im besten Falle ist es einfach egal.

Die offene Ablehnung, selbst unter von mir geschätzten Künstlern, muss andere Gründe haben: Klar, der prominenteste Grund und lebenslange Vorwurf, mit dem Yoko Ono sich konfrontiert sieht, ist der, dass sie vor Urzeiten die Beatles auseinandergebracht haben soll. Aber jeder halbwegs intelligente und des Lesens mächtige Mensch muss nach ein wenig Recherche erkennen, dass das ein Mythos ist und Yoko Ono bestenfalls Teil eines riesengroßen Puzzles war – wie eben alle damals Beteiligten.

Kann es wirklich sein, dass deswegen heute so viele Leute diese Frau immer noch hassen? Und ich meine wirklich „hassen“ – oder eben weitaus seltener lieben. Dazwischen gibt es offensichtlich nichts. Das Internet ist voll mit Anti-Yoko-Ono-Kampagnen, bei Facebook gibt es z.B. eine Seite „I hate Yoko Ono“ mit immerhin 1469 Likes oder „Damn you Yoko Ono, you broke the Beatles … How do you sleep at night?“, „Fuck you Yoko Ono“, „Me No Like-o Yoko Ono“ usw. – auch auf Youtube wird man schnell fündig. Und findet Videos, die Yoko Ono auf das allerübelste beleidigen und sexistisch niedermachen.

Hier wird allerdings klar, es geht vor allem um das Thema „Frau bricht Männerfreundschaft“ oder generell „Frauen stören im Männerdasein“ – worauf auch der „Yoko Ono“-Song der Ärzte abzielt.

Es scheint ganz so, als ob Misogynie, in seinen sexistischsten Spielarten, in der Form des Yoko-Ono-Hasses vollkommen legitim ist und offen geäußert werden kann. Von der rassistischen Komponente, Yoko Ono ist schließlich eine Asiatin, die in den USA lebt, ganz zu schweigen.

Und das nur, weil diese Frau sich eingemischt hat, sich nicht auf die Rolle der Muse eines berühmten Mannes reduzieren lassen wollte, sondern gleichberechtigt mit ihm gearbeitet hat, selbst eine beeindruckende Künstlerin war und ist, eigene Ausdrucksformen entwickelt hat, und allgemein einfach immer ihr Ding gemacht hat? Ist das Euer Ernst?


9 Lesermeinungen

  1. ThorHa sagt:

    I hate Yoko Ono mit gerade mal 1469 Likes bei einer weltweit bekannten Frau ist Ausdruck weit
    verbreiteten Hasses. Oha. Ich muss meinen Weichei-Filter neu einstellen, ich hätte das sonst bei der Masse der auf facebook Vertretenen für eine mikroskopische Petitesse gehalten.

    Ansonsten vielen Dank für diesen Bericht aus einer Filterblase. Was Frau Sringer entgangen sein muss – 99% der Menschen selbst in den USA und Westeuropa, also da, wo Ono hauptsächlich gewirkt hat, dürfte die Frau ziemlich gleichgültig sein.

    Ist das eigentlich auch Sexismus?

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  2. Werlauer sagt:

    Hier ich, ich bin dazwischen
    Ich empfinde Yoko Ono als stark überschätzt, aber ich hasse sie nicht und ich liebe sie nicht. Manche ihrer Werke haben mich zum Nachdenken angeregt, das meiste halte ich aber für gekünstelt. Den meisten Leute, die ich kenne, geht es genauso. Keiner hat bisher Begeisterung geäußert und nur einer Abscheu – aber der ist auch Beatles-Fan und entsprechend polarisiert.

    Die Frau hat Glück, sich über ihre frühe Liaison eine so starke Marke geschaffen zu haben. Ohne diesen Hintergrund würden diese Frau vermutlich nur Spezialisten kennen. Da fällt mir auf: “sisters are doin it for themselves” – Eigentlich müsste Yoko Ono unter diesem Gesichtspunkt nicht nur von Beatlesfans sondern auch von Feministinnen gehasst werden. Der Kristallisationskeim ihres Ruhms entstand primär nicht aus eigener Kraft – ohne Mann wäre vermutlich nichts oder etwas viel Kleineres gewesen.

    • Jeeves3 sagt:

      ich bekenne:
      Ich kannte ihre Arbeiten schon, als mir die -da noch existenten – Beatles völlig schnuppe waren (ich war Jazzhörer). Im Hamburger Abaton-Kino sah ich damals ein paar Filme von ihr, resp. über ihre Arbeit und verfolgte dann weiter (und retrospektiv), was sie so drauf hatte. Es war nicht ohne, es war etwa das, was Lennon gerne wollte (siehe seine Versuche mit zwei kleinen Büchern absurder Geschichten & Zeichnungen).
      Ja – sie war schon ein “Name” in der Kunstszene, als “The Beatles” noch was für Teenies war.

  3. FilippoMiller sagt:

    Eines war Yoko Ono auf jeden Fall schon immer...
    eine große Selbstdarstellerin und PR-Paukerin – wohl nur mit Christo und Jeanne-Claude vergleichbar, die es geschafft haben, eine Idee aus den Fünfzigern bis in die 2000er Jahre zu vermarkten. Onos künstlerisches Werk wäre der Welt ohne ihre Verbindung zu John Lennon mit großer Wahrscheinlichkeit weitgehend verborgen geblieben. Ich war in der Schirn bei Munch, Courbet, Condo und Gericault – frauenfeindlich?

    • ThorHa sagt:

      Würden Sie bitte die gefühlsstarke Beweisfledderei für Dingens, Misogynie, nicht mit
      irrelevanten Fakten stören, Mann? Das hier ist eine Veranstaltung zur Untermauerung eines Axioms – Männer, die als grosse Künstler nicht anerkannt werden, haben kein Talent oder Pech gehabt. Frauen sind Opfer von Sexismus.

      Und dann kommen Sie um die Ecke und werten eine grosse Werkschau als Gegenbeweis. Völlig daneben. Die Werkschau ist als Feigenblatt nur Teil der grossen patriarchalen Veschwörung gegen die Frau an und für sich.

      Beweis durch Behauptung, wer das Gegenteil andeutet, ist ein Sexist, Sie Maskulinist, Sie misogyner. Der absolut beeindruckende Beweis: “Und das nur, weil diese Frau sich eingemischt hat …” ist kraft Ausdrucksstärke so überlegen geführt, dass Sie schon ein hartgesottener Frauenhasser sein müssen, um da noch herumzukritteln.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • tylerdurdenvolland sagt:

      Nett....
      Schon im anderen Blog habe ich mich über ihre Kommentare gefreut. Irgendwie bestätigen sie meine Grundüberzeugung, dass es ausser der Dummheit (männlicher UND weiblicher) kein Problem auf dieser Welt gibt.

      Man sollte sich schlicht und einfach prinzipiell jeder Diskriminierung verweigern, positiver wie negativer. Es ist gar nicht mal so schwer. Frauen sind NICHT die besseren Menschen.
      SOOOOviel Intelligenz braucht man nun doch wirklich nicht dafür, sich zu weigern einen Unterschied zwischen Männlein und Weiblein zu machen, aber leider anscheinend wesentlich mehr als den meisten Menschen zur Verfügung steht. Gott sei Dank ist es nicht sehr anstrengend, nicht auf einen solchen Zug aufzuspringen, nur weil er gerade alle paar Minuten in den Medien vorbeifährt.

      Das Thema reizt mich einmal mehr zum Nachdenken über die Entwicklung des Internets, die mir ja bekanntermassen schon von Anfang zu einem Sprungbrett zur geistigen Inzucht zu verkommen schien. Kaum jemand benutzt das Internet noch zur Information oder gar zum, igitt-igitt, Lernen anderer, gar neuer Ansichten.
      Man benutzt es um die eigene Meinung bestätigt zu finden! Das führte auf direktem Wege zur Herrschaft von Twitter und facebook, weil für die grosse Mehrheit gilt, lieber so ein Ego, als gar keines!

      Was den Text angeht, so scheint ja das Bild der Autorin anzudeuten, dass sie damals nicht dabei war? Und so muss ich um Verständnis für die damals um sich greifende Abneigung gegen Yoko Ono bitten. Ich war damals 15 oder 16 und das Auseinanderfallen der Beatles war mir wichtiger, als die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit von John Lennons grosser Liebe. Ihre “Kunst” und erst recht ihr Gesang waren nicht geeignet mich oder die meisten anderen damals von ihrer Bedeutung zu überzeugen. Heute weiss jeder, dass McCartney der Spiesser war und Lennon Recht hatte…..

  4. Perry25 sagt:

    War immer schon ein Fan von ihr!
    Sie haben recht, sie wurde immer unterschätzt! Eine ganz besondere Persönlichkeit. Danke für den Buchhinweis!

  5. guatuso sagt:

    Titel eingeben
    Das Problem der Frau Bettina Springer ist es, dass sie nicht akzeptieren will und kann, dass auch Maenner unter sich bleiben wollen und ihren eigenen Freiraum brauchen und zwecks Identitaet haben muessen!

    Das hat nichts mit dem billigen Vorwurf “Sexismus” zu tun, aber der Vorwurf des Sexismus unter gewissen Selbstverstaendlichkeiten ist halt einfacher, (den Begriff “primitiver” scheue ich noch zu nennen), und man braucht da als Frau nicht nachzudenken. Einfach sagen “Sexismus” und schon ist alles klar.
    Nachdenken ist halt nicht jedermans Staerke.

    Das Problem bei Yoko Ono ist, dass sie seinerzeit etwas als “Kunst” verkaufte, was eigentlich niemand als “Kunst” verstehen wollte und konnte. Und so ist es bis heute geblieben.
    Sie wurde ja erst unter bzw. durch John Lennon bekannt.
    “Kunst soll den Menschen lieben”, heisst es. Das ist zwar inhaltlich nicht korrekt, weil Kunst keine Eigenschaft besitzt, drueckt aber aus um was es geht: der Mensch sucht sich und sein Spiegelbild in der Kunst, und zwar nicht Bizarr, Obszoen oder aehnlich, sonden bejahend.
    In der mitunter etwas kuriosen Welt der Dame Yoko Ono moegen sich halt esoterisch angehauchte Frauen und Maenner wieder finden, der Normalbuerger nicht.
    Und das stoert Frau Springer gewaltig.
    Das ist das eigentliche “Geheimnis”.
    Frau Springer sollte es also unterlassen Maennern Vorwurfe zu machen, nur weil diese sich nicht fuer das interessieren, was sie oder Yoko Ono tun, sagen, schreiben oder unterlassen.
    Aber vielleicht muss sich Frau Springer ein wenig an Maennern abarbeiten?
    Anders kann ich diese, mit Erlaubnis, sueffisant, etwas von oben herab geaeusserten Einwaende von angeblichem Sexismus nicht erklaeren.
    Und nein, nein, nein, Yoko Ono ist keine “polarisierende” Frau (dazu gehoeren zumindest zwei gleichstarke Menschenmassen), sondern schlicht unbegabt.
    Da der Beruf des “Kuenstlers” nicht geschuetzt ist, darf sich jeder und jede so nennen – wie es beliebt.
    Und in welcher “Szene” habe sie sich einen “Namen gemacht”?
    Visionaer? Avantgardistisch?
    Selten so gelacht.
    Avantgardistisch war etwa Terajama (die Frau Springer sicher nicht kennt) oder der “Gran Macic Circus” oder “La Mama”, das lebte in der Bevoelkerung und zeigte zugleich ganz neue Wege.

    Ich empfinde es auch als Beleidigend, wenn die Autorin allen, die Yoko nicht moegen, quasi vorhaelt, Schuld sei vor 50 Jahren (!) die Trennung der Beatles gewesen.So als koennten sich Maenner nicht weiter entwickeln. Das nenne ich sexistisch!
    Groessenwahn dre Yoko Ono, wo ist dein Stachel?
    Aber hier ging es ja nicht um die vorgebliche Kunst der Yoko Ono, sondern nur darum als Frau (als Journalistin) den Maennern wieder mal vorhalten zu duerfen, dass Maenner Angst vor starken Frauen hatten und sexistisch waeren. Gelle, immer schoen das Feidndild schueren gnae Frau.
    Das ist des ganzen Pudels Kern, will sagen der Inhalt des Beitrags.

    • tylerdurdenvolland sagt:

      Naja....
      “Aber hier ging es ja nicht um die vorgebliche Kunst der Yoko Ono, sondern nur darum als Frau (als Journalistin) den Maennern wieder mal vorhalten zu duerfen, dass Maenner Angst vor starken Frauen hatten und sexistisch waeren. Gelle, immer schoen das Feidndild schueren gnae Frau.
      Das ist des ganzen Pudels Kern, will sagen der Inhalt des Beitrags.”

      Das mag ja auch wahr sein, aber es besagt nicht, dass die “Einwürfe” “dass Maenner Angst vor starken Frauen hatten und sexistisch waeren” deshalb falsch sind, oder?

      Ist nicht vielmehr Ihr Aufwand zu einer solchen Replik schon Beweis genug dafür, wie Recht sie doch hat?

      Und mir Verlaub:

      “In der mitunter etwas kuriosen Welt der Dame Yoko Ono moegen sich halt esoterisch angehauchte Frauen und Maenner wieder finden, der Normalbuerger nicht.”

      Ich würde sagen, dass gerade dies wohl eher für Yoko Ono spricht, und gegen das was in unserer (=Ihrer) Gesellschaft nun mal leider aus demokratischen, quantitativen Gründen eigenartigerweise als “normal” gilt….

Kommentare sind deaktiviert.