Fast drei Jahre nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima gibt es spärliche Absichtserklärungen von Seiten der japanischen Regierung. Premier Minister Shinzo Abe verzaubert die Nation mit der Aussicht auf die Olympischen Sommerspiele in Tokio 2020 und viel Geld, das er für das Wirtschaftswachstum seines Landes ausgibt. Ein effektives, sauberes Selbstbild, eine starke Nation. Alles unter Kontrolle, hatte der Premier bei der Bewerbung um die Olympiade versichert. Eine Lüge.
Ich lebe seit vier Monaten in Japan. Ich spreche kein Japanisch. Im Supermarkt kann ich die Aufschriften nicht lesen, die die Herkunft der Produkte verraten. Ich weiß nicht, ob ich Apfelsaft aus Fukushima trinke und woher der Fisch auf meinem Reis stammt. Und ich weiß nicht, woher der Reis kommt.
Der Bevölkerung wird seit dem Beben zur Solidarität mit den Bauern aus der verseuchten Region aufgefordert. Studentinnen erzählen von Parolen, dass sie Gemüse und Fisch aus Fukushima konsumieren sollen, um die dortige Wirtschaft zu retten. Nur etwa ein Drittel hält sich daran. Die meisten gestehen, dass sie die betroffenen Bauern zwar bedauern, sich selbst aber schützen wollen. Sie zweifeln an den offiziellen Kontaminationswerten, die täglich im Internet einzusehen sind. Um Misstrauen zu zerstreuen fährt der Premier in die betroffene Region und isst vor laufender Kamera ein Stück Oktopus. Ein alkoholisches Mixgetränk wird mit provokativer Aufschrift: „From Fukushima“ beworben.
Verstrahlt und ungenießbar?
Unterdessen wohnen weiterhin Zehntausende in Containern. Unzählige Menschen, oft Mütter mit Kindern, sind in andere Städte geflohen. Ehen, Familien sind daran zerbrochen. Die in simple Plastiksäcke geschaufelte kontaminierte Erde stapelt sich zu tonnenschweren Reihen. Die Endlagerung ist nicht geklärt. Wohin Hunderte mit kontaminiertem Wasser gefüllte Tanks sollen, weiß auch keiner.
Die Firma Tepco verlangt jedes Jahr mehr Steuergelder, um das Desaster zu bereinigen. Während also die Japaner darunter leiden, dass zu wenig unternommen wird, um das Desaster in den Griff zu kriegen, müssen sie mit ihren Steuergeldern die Firma unterstützen, die dieses Leid verursacht hat. Doch der Widerstand der Bürger bleibt zu schwach.
Die Lösung liegt so nah: Japan sollte sich mit den Unsummen, die für die Olympiade in Tokyo 2020 bereit gestellt werden, um konkrete Maßnahmen in Fukushima kümmern und neue Lebensgrundlagen für die Betroffenen schaffen. Nicht die Errichtung sinnloser Sportbauten und die Vorführung japanischer Gastfreundschaft kann das Vertrauen in Japan wieder herstellen, sondern nur eine sachgemäße Auseinandersetzung mit nuklearem Müll und ausgegrenzten Menschen. Wer die Olympischen Spiele in Tokyo 2020 unterstützt, lässt zu, dass ein ständig von Erdbeben bedrängtes Land mit nuklearen Technologien hantiert,die es nicht beherrscht und damit nicht nur seine eigene Existenz, sondern die vieler benachbarter Regionen gefährdet.
Tja, die Weltöffentlichkeit ...
… scheint sich in sich selbst zurückgezogen zu haben. Sonst wären ihr wohl die dutzenden Berichte allein im Januar 2014 aufgefallen, die sich mit dem Thema Fukushima & unbewältigte Nuklearkatastrophe beschäftigen.