Ich. Heute. 10 vor 8.

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Frauen schreiben. Politisch, poetisch, polemisch. Montag, Mittwoch, Freitag.

Barbarella im Baumarkt

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Eine kanadische Kindheit kann die Selbstständigkeit befördern, auch was das Heimwerkertum betrifft. Allerdings: Frauen mit Bohrmaschine, an der Kreissäge oder bewaffnet mit einem Elektro-Tacker – das scheint noch immer ein revolutionäres Konzept zu sein. Oder eine Drohung.

© https://www.flickr.com/photos/nationaalarchief/3333357823/Heimwerkerinnen am Start

Heute Nachmittag hab ich einen Elektro-Tacker gekauft. Bei uns in Kanada heißen die Dinger „staple gun“. Als ich zunächst auf Twitter fragte, ob mir jemand so ein Gerät leihen könnte („anyone have a staple gun?“), erntete ich vor allem Unglauben. Wozu ich so was denn bräuchte, wurde ich gefragt. „gruseligste tweet in meiner timeline“, schrieb einer, „hast du überhaupt nen waffenschein?“, ein anderer. Keine Ahnung, ob die Witze damit zu tun hatten, dass viele eine Frau im achten Monat mit Tacker-Kalaschnikow komisch finden. Oder lag es einfach nur an mir? Dabei war mein Vorhaben gar nicht sonderlich aufregend: Ich brauchte den Elektro-Tacker, um etwas zu bauen.

Zu Hause nehmen mein Ehemann und ich oft ziemlich verquere Geschlechterrollen ein, jedenfalls sehen das viele so. Er liebt es, Ordnung zu schaffen, und ich hinterlasse – seiner Meinung nach – eine nie abreißende Spur von Chaos. Ich bin für die Elektroleitungen zuständig, für blitzschnelle Möbelmontage und all die anderen Do-it-yourself-Projekte, die eben so anfallen. Gerade letzte Woche rief er an, um mir mitzuteilen, die Toilette sei kaputt, und er würde es mir überlassen, sie zu reparieren – ich wisse da ja Bescheid. Ist okay – ich repariere gerne Sachen. Manche Frauen bekommen Diamanten. Ich bekomm den Auftrag, das Klo zu reparieren. Aber dafür muss ich nie, nie, nie staubsaugen. Ein sehr guter Deal, sag ich mir.

Ich stamme von einer langen Linie von Bastlern ab, vor allem wenn es um Toiletten geht. Mein Großvater hat ganz allein – und ganz nebenbei – sein erstes eigenes Haus gebaut, mit allem, was ihm halt so in die Hände fiel. Steine, Holz, Glas, Stroh, Pappe… Da die kanadische Industrie nach dem Krieg bei der Zivilproduktion erst langsam wieder in die Gänge kam, auch in Sachen Sanitäranlagen, ging der Toilettenbau nur schleppend voran. Mein Urgroßvater wiederum, ein schlauer schweigsamer Ingenieur aus Glasgow, war entsetzt, dass sein Enkelkind ausgerechnet in jenem hochmodernen Land, in das er einst eingewandert war, mit Plumpsklo aufwachsen sollte – und tat das, was er am besten konnte: Poker spielen. Eine Runde mit dem Inhaber des örtlichen Haushaltswarenladens – und schon hatte er das perfekte Einzugsgeschenk: das Porzellan fürs Badezimmer, eine Kloschlüssel. Hätte meine Familie mütterlicherseits ein Motto gehabt, dann so etwas wie „Stoische Menschen mit praktischen Lösungen“.

Mein Großvater war überhaupt immer dafür, dass ich etwas bastelte oder baute. Ich erinnere mich, dass er eines Tages in meinem Zimmer ein Schlumpfine-Poster aufhängte, das in Großbuchstaben verkündete: „Mädchen kriegen alles hin.“ Ich habe oft Haushaltsgeräte auseinandergefieselt und dann wieder zusammen, hab mit Elektrowerkzeugen umzugehen gelernt, die ich noch nicht einmal vernünftig in meinen kleinen Händen halten konnte – und zum Entsetzen meiner Mutter habe ich sogar einen Mini-Galgen für meine Barbies gebastelt. Ich fand es toll, mit meinen Barbies zu spielen, vor allem mit ihren coolen Siebziger-Miniröcken und -Pumps, die seit Jahren in der Familie weitervererbt wurden. Aber auch, wenn es mir Riesenspaß machte, sie so richtig aufzupuppen, so wusste ich doch immer: Irgendwas stimmte hier nicht, irgendwas an dieser starren, perfekten, in Plastik gegossenen Femininität. Die Begeisterung, mit der ich meine Barbies so schick daherstaksen ließ, war mir wohl selbst nicht ganz geheuer. Und so mussten sie für die Sünden des Patriarchats bezahlen, mit ebenso schicken Hinrichtungen.

Es ist nicht immer einfach, die eigenen Neigungen und Vergnügungen mit den oft ungerechtfertigten Erwartungen an uns Frauen zu vereinbaren – ob sie nun aus der Ecke des Patriarchats kommen oder eben aus dem entgegengesetzten Lager der kämpferischen Schwesternschaft. Ziemlich lange war es mir zum Beispiel unangenehm, Make-up zu tragen – als ließe ich geschminkt meine Mitstreiterinnen im Stich. Und war Kuchenbacken womöglich eine Art Rückfall in die Fünfziger-Jahre-Häuslichkeit? Drehte sich Betty Friedan gerade irgendwo im Grabe um? Klar doch, das Private ist politisch, aber Marmorkuchen nach Omis Rezept schmeckt so gut …

Heute mache ich genau das, was mir gefällt und was erledigt werden muss, ganz gleich, ob es sich nun um eine Toilettenreparatur oder ein Mode-Shooting handelt. Für mich ist das kein Widerspruch – und wenn andere das anders sehen wollen, egal. Überholte gesellschaftliche Normen herauszufordern ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen (ebenso wie nachts große Kreuzungen langsam diagonal zu überqueren). Und Baumarkt-Barbarellas kommen mir nicht sonderlich revolutionär vor (wir sind schließlich im 21. Jahrhundert, oder?), aber, wie gesagt, wenn andere das anders sehen wollen – bitteschön. Ich entscheide selbst, was für eine Frau ich sein möchte. Und heute bin ich eine Frau mit einer nagelneuen Tacker-Kalaschnikow.

 

(Aus dem Englischen von Elisabeth Ruge)


2 Lesermeinungen

  1. melbafendel sagt:

    futur 2
    barbarella liebt – wie caroline – das aushebeln von konvention und die freie wahl der waffen. ihre mission im jahre 40.000 führt die weltraumagentin allerdings nicht in baumärkte, sondern in den kampf gegen die mörderische orgasmusmaschine, den sie – natürlich – gewinnt: ihr würdet euch sicher gut verstehen.

  2. bettinaspringer sagt:

    women's night
    …by BAUHAUS…. Die haben es gleich erkannt und laden zur “Women’s Night” ein: Handwerker Kurse für Frauen, Tour-Termine in ganz Deutschland, Teilnahme kostenlos “Reine Frauensache”… die Ladies, die in der Anzeige abgebildet sind, sind allerdings weit entfernt von “Staple Guns” – wenn Frauen im Baumarkt, dann bitte mit lila Tapetenrolle, Abtönfarben und Minileiter – dazu hübsch geschminkt und straßentaugliche “Handwerkerinnen-“Outfits….
    Mich würde mal interessieren, was für Frauen da hingehen…

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