Kathy Sierra züchtet heute Islandpferde. Noch vor sieben Jahren war sie eine der einflussreichsten Frauen in Silicon Valley, eine begnadete Programmiererin und Bestsellerautorin. Genau das aber wurde ihr zum Verhängnis. Im März 2007 tauchte sie ab, in panischer Angst: Sie war ins Zentrum einer Hetzkampagne geraten. Ein paar Jungs aus dem Netz gönnten ihr den Erfolg nicht. Als sie sich zu wehren versuchte, wurde es nur schlimmer. Beleidigende Blogposts und Verleumdungen wie die Behauptung, sie sei früher auf den Strich gegangen, steigerten sich schließlich zu Todesdrohungen. Schreckliche Bilder tauchten auf: ihr Kopf neben einer Schlinge, ihre Kinder in montierten Sexszenen.
Und dann, quasi als ultimativer Akt der Abstrafung, veröffentlichte einer der berüchtigsten unter den Trollen, Andrew Auernheimer, alias weev, ihre Adresse und weitere persönliche Daten. All die Hetzer, die ihr mit Vergewaltigung und Tod gedroht hatten, wussten nun, wo sie zu finden war. Kathy Sierra sagte noch am selben Tag alle Auftritte ab, löste alle Verträge auf – und verschwand. Im Sommer 2013, sechs Jahre später, gab sie erstmals wieder ein Interview und meldete sich mit einem Blog zurück. Wie gesagt, sie züchtet nun Pferde und hat sich ein neues Leben erschaffen – aber sie wird nie wieder dieselbe sein. Ein Mensch mit weniger Resilienz hätte diese Erfahrung womöglich nicht überlebt.
Inzwischen steht Andrew Alan Escher Auernheimer vor Gericht– leider nicht als Cyber-Hetzer. Gemeinsam mit dem Grey-Hat-Kollektiv Goatse Security hat er 2010 den Kommunikationsriesen AT&T gehackt und dabei eine gigantische Sicherheitslücke offengelegt. 2012 wurde er verurteilt. Nun ist eine Revision anberaumt, denn die Anklage ist umstritten. Unter anderem unterstützt ihn die Electronic Frontiers Foundation, eine NGO, die sich für Grundrechte im Informationszeitalter einsetzt. Gewiss tut sie das nicht ohne Bauchschmerzen – wie auch? In seiner Troll-Inkarnation ist Auernheimer als Homosexuellen-Hasser, Antisemit und Frauenfeind unterwegs.
Leider nichts Neues. Vor allem im Netz. Von außen betrachtet handelt es sich bei diesem Troll wohl um eine jener radikal narzisstischen Persönlichkeiten, die mit altbekannten, altbewährten Strategien antreten: Durch die stetige Erniedrigung anderer versichert man sich seiner eigenen Größe, und zwar immer wieder, geradezu zwanghaft. Die berühmte „narzisstische Wut“, so der auf diesem Gebiet wegweisende Analytiker Otto F. Kernberg, ist dabei meist nur ein Euphemismus für Hass – für Eigenhass, der in einem martialischen Akt der Verdrängung gnadenlos auf andere projiziert wird. Ist weev also letztlich ein armer Wicht? Vielleicht.
Aber was macht ihn dann so bedrohlich? Auernheimers Gefährlichkeit entsteht erst durch den gigantischen applaudierenden Chor, der ihm im Netz entgegenschallt. Seine Existenz ist die eines narzisstischen Nerds im Echo-Space, einem Raum permanenter Selbstreferentialität und Selbstbestätigung. Hier kann einer aufgrund seiner technischen Brillanz Heroenstatus erlangen, einer, der von sich selbst gegenüber der New York Times behauptete: „Ich hacke, ich vernichte, ich mache einen Haufen Geld.“ Das geht, weil in seiner sogenannten Community nichts anderes hochgehalten wird als genialisches Techie-tum. Werte, auf die man sich in einer Zivilgesellschaft grundsätzlich verständigt hat, spielen keine Rolle. Werte wie Respekt und Toleranz.
Fast jeder, der Hate Speech verbreitet, beruft sich zu seiner Rechtfertigung auf Free Speech – aber das ist selbstredend ein krasses Missverständnis oder schlicht Zynismus. Free Speech ist keine Freikarte für Hetzer. „Did it just for lulz“ heißt es oft in jener vermeintlich kumpelhaft-lässigen Techie-Sprache: eine schrullige Pluralform des Netz-Akronyms „lol“. Hab mir einen Spaß erlaubt. Einen Spaß allerdings, bei dem nicht selten Menschen erniedrigt und in Gefahr gebracht werden. Das sind keine Kavaliersdelikte.
Als Auernheimer gefragt wurde, warum er Kathy Sierras Adresse veröffentlicht habe, war seine Antwort: aus Rache. Sie sollte dafür bestraft werden, dass sie Hilfe gesucht hatte und an die Öffentlichkeit gegangen war. Ja, Auernheimer, alias weev, gehört tatsächlich vor Gericht. Wenn auch vermutlich nicht für das Vergehen, dessen er nun angeklagt wird. (Warum schützt man Konzerne, die mit den riesigen Datenmengen ihrer Kunden nicht hinreichend sicher umgehen – und bestraft stattdessen diejenigen, die auf diese eklatanten Versäumnisse aufmerksam machen? Das ist eine interessante Frage.) Cyber-Hetze wäre bei diesem Beschuldigten vielleicht das zutreffendere Delikt, auch das gewichtigere. Wie lange wollen wir noch tatenlos zusehen, wie dieses Gift sich im Netz ausbreitet?
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Die Frage ist, inwieweit diese Phänomene tatsächlich spezifisch fürs Internet sind. Man muss wohl genau unterscheiden, welche Kulturen des Umgangs mit Persönlichkeitsrechten sich wie und wo im Internet auswirken. In den USA wird auch in Fernseh-Shows und den Printmedien gehetzt, beleidigt und verleumdet, immer unter Berufung auf First Amendment und Free Speech. Hier gibt es Straftatbestände, die das weitgehend verhindern, und ein anderes Verständnis von “Ehrverletzungen” – wobei es schon komisch ist, dass auch die deutschen Gerichte im Internet offenbar viel mehr durchgehen lassen als in Print und Funk.
Ums Internet kämpfen zwei unterschiedliche Freiheitsbegriffe: die demokratische Freiheit, auch bisher unterdrückten Stimmen Gehör zu verschaffen, versus die Narzißten-Freiheit, ungehemmt die Sau rauslassen zu dürfen. Meine These wäre, dass in Deutschland ein großer Teil der Narzißten-Fraktion nicht nur herumprollen will, sondern sich auch als Teil der besseren Gesellschaft empfindet. Das macht die Hetzereien weniger scharf, aber auch schwieriger zu fassen. Es geht eben nicht nur um den Techie-Autismus: hinter den Techies stehen lauter ehrbare, sozial anerkannte Leute, die es als ihr gutes Recht empfinden, in irgendwelchen Schmuddelecken ihre Aggressionen auszuleben. Für die bedeutet die Freiheit im Internet so viel wie die Freiheit auf deutschen Autobahnen – Freiheit für die niedrigsten Instinkte. Das Problem ist mitten in der Zivilgesellschaft, nicht nur bei den Nerds.
Logische Folge der aufmerksamkeitsbasierten Kommunikation
Die “sozialen” Medien steigern diese Form von Gerierung von Leuten als Teil eines schäumenden Mobs von Jahr zu Jahr. Das ist auch nicht auf die üblichen Verdächtigen beschränkt. Auch Feministinnen, Ökoaktivisten, Gutbürgerliche, … gehören zum Chor derer, die sich im Netz gerne mal zur kreischenden Masse gesellen, um unerbittlich Jagd auf das Opfer des Tages zu machen.
Die Theorie von “in Schmuddelecken Aggressionen ausleben” – also “harmlose” Triebabfuhr – teile ich nicht. So lässt sich beispielsweise an der Entwicklung der Femen sehr gut absehen, wie die Zukunft von übergriffigen Flashmobs aussehen könnte. Das muss nicht immer lustig sein. Außerdem werden durch den im Netz eingeübten Umgang mit Konflikten (hier reicht schon eine andere Meinung, um den Prozess in Gang zu setzen) gute Voraussetzungen geschaffen, im realen Leben gleiche Lösungsstrategien anzuwenden. Allerdings bedarf es dazu vermutlich der Verantwortungsdiffusion durch die Menge – womit wir wieder beim Flashmob/Mob wären.
Mir scheint, wir erleben gerade einen (allgemeinen) Rückfall ins Mittelalter, was die Diskussionskultur angeht.* Der Artikel beschreibt das sehr anschaulich aus einem Blickwinkel heraus. Ich sehe das Problem nicht so sehr im Fehlen von gesetzlichen Regeln, sondern mehr im offenbaren Fehlen von menschlichem Fähigkeiten.
* Vielleicht wird aber auch nur sichtbar, das wir das Mittelalter noch nie verlassen hatten (?).
Freiheit für niedrigste Instinkte
…ich finde das eine sehr treffende Analyse und Unterscheidung der Verhältnisse hüben und drüben…
wobei mir bei der harmloseren und nicht straftatrelevanten deutschen Variante, i.e. dem Modell “Autobahn” / Austobefeld für niedere Instinkte, immer nicht klar ist, ob das
a) gut ist, weil sich die Aggressionen dann nicht in der Realität entladen, oder
b) schlecht, weil die Aggressionen überhaupt erst in dem unguten ihnen bereitgestellten Milieu sprießen…
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Harmlos ist die deutsche Variante ja nicht, und die Realität der deutschen Autobahnen eine durchaus unangenehme. Das aggressive Rasertum ließe sich durch eine Änderung der Straßenverkehrsordnung, sprich Tempolimit, leicht in den Griff kriegen, da sind die USA uns wiederum voraus. Ich glaube nicht daran, dass Aggressionen, niedere Instinkte und Egoismus sich irgendwo “entladen” könnten und dadurch quasi entschärft würden. Wenn die Leute sich nicht selbst kontrollieren, helfen nur Verbote. Ist es nicht erstaunlich, wie sich zum Beispiel durch das Rauchverbot der frühere notorische Raucher-Egoismus einfach in Luft aufgelöst hat? Meines Erachtens müssten die Strafrechtsparagraphen der Beleidigung, Verleumdung, Ehrverletzung etc. einfach konsequenter auf Äußerungen im Internet angewandt werden, dann wäre es endlich auch möglich, juristisch zu überprüfen, wer die Täter und wer die Opfer sind – also z.B. die niemanden beleidigende Tat einer Femen-Aktivistin von den Beleidigungen gegen die Femen-Aktivistin zu unterscheiden. Da hätte ich echt gern mal ein bisschen Rechtssprechung.
Ein bisschen mehr Rechtsprechung: Dann wäre Twitter tot
Ein bisschen mehr Rechtsprechung: Dann wäre Twitter tot. Nicht das mich das groß stören würde, aber vielleicht fehlt ja hier im Blog der einen oder anderen etwas(?).
Ich werde jetzt nicht groß auf Sinn und Unsinn bzw. die Frage, ob die Femen-Aktionen jemanden beleidigen, eingehen. Das wäre ohnehin eine Diskussion, die zu nichts führen würde.
Natürlich habe ich das Beispiel auch gewählt, weil es an in diesem Blog eigentlich positiv besetzten Personen schön deutlich macht, welche Breite die Verrohung des Disputs genommen hat. Die Entwicklung der Auftritte der barbusigen Kämpferinnen stützt aber ebenfalls meine These von der Tendenz hin zur physischen Gewalt. Denn was mit Nacktaktionen v o r emotional besonders aufgeladenen Gebäuden begann, steigert sich mit jeder Umdrehung: Jetzt werden bereits die Menschen in den Gebäuden “missoniert” und (an anderer Stelle) auch (milde) physisch attackiert. Wenn man das weiter denkt, ist eine Gewaltaktion nicht mehr unvorstellbar.
Aber auch dass ist nur ein Beispiel. Die Tendenz ließe sich auch mit Neonazis oder AntiFaschisten oder anderen Extremisten belegen, aber diese Form der Argumente würde reflexartige Zustimmung und keine Reflexion der Argumentation auslösen.
Im Vergleich zu Geoge "False Flag" Bush und 100k Toten durch Irak III
…ist das hier ja wohl eine Petitesse.
Hate Speech ist das Preisschild von Free Speech
Der Artikel missversteht die Reichweite von Hate Speech, beschreibt vielmehr eigenständige Delikte (über deren Strafwürdigkeit wohl auch kein Streit herrscht) und täuscht mit einer Fantasie-Kategorie Cyber-“Hetze” darüber hinweg, um sämtliche missliebige Äußerungen zu unterbinden.
Hate Speech umfasst bloße saftige, ehrabschneidende, vulgäre und primitive Meinungs-Äußerungen und die ggf. nur indirekt zu Gewalt und Hass aufrufen. Was darüber hinausgeht, ist auch in den USA grds. strafbar: Bedrohung, (ernstzunehmende, und nicht aus Jux) Drohungen, Mobbing, Stalking, üble Nachrede/Verleumdung, Körperverletzung, Totschlag usw. Das sind Handlungen, denen man einen eigenen Unrechtsgehalt zuerkannt hat; mit denen man seinem Hass über bloße Meinungsäußerung hinaus Ausdruck verleiht; die die körperliche oder weiterreichende emotionale Integrität des Opfers beeinflussen. Ich wüsste keinen Verfechter von Free/Hate-Speech, der solche Delikte als Ausdruck von Free Speech grds. begrüßt.
Manche der geschilderten Vorfälle um Kathy Sierra fallen in genannte Kategorien der Strafbarkeit; und das sind vor allem Vorfälle, die weev bestreitet und ihm auch nicht nachgewiesen sind.
Mit dem Fantasie-Begriff und -Vorwurf “Cyber-Hetze” wird all sowas vermengt, um jegliche Missfallens-Äußerungen zu unterbinden, und das ist idR jegliche Meinungsäußerung von Andersdenkenden: entweder wird vorgebracht sie sei zu scharf formuliert oder wenn das nicht reicht, handele es sich um Trollen. Na, und Trollen sei nun eben auch Hate Speech.
Das Herumreiten auf dem Nennen von Sierras Adresse ist angesichts unserer Impressumspflicht nun völlig unangebracht; bei uns wäre sie schon rechtlich verpflichtet ihre Adresse ggf. freiwillig allen zugänglich zu machen.
Und es gibt sie doch, die Cyber-Hetze.
Warum bezeichnen Sie Cyber-Hetze als einen Fantasie-Begriff, lieber Tobias Fuentes? Das Wort trifft die Sache doch recht genau. Und im übrigen: “nicht aus Jux” – genau da liegt doch das Problem. Es hat hinsichtlich dessen, was man als Jux empfindet, eine bedenkliche Verschiebung gegeben. Und zuletzt: Es geht sicher nicht darum, sämtliche missliebige Äusserungen zu unterbinden. Ihre Kommentar beispielsweise wurde freigeschaltet. ER
Begriff trifft die Sache nun höchst ungenau
Hate Speech ist ein relevanter Fachbegriff, und Mobbing. Cyber-Hetze ist keiner. Cyber-Hetze ist uferlos. Er trifft Ihre vorgebrachten Beispiele nur in einem sehr weiten Sinne. Mit ihm wollen Sie die Grenzen verschwinden lassen und sämtliche Hate Speech wie selbstverständlich inkriminieren. In Ihrem Artikel fehlen Argumente zu jener Schlussfolgerung. Die Debatte kann man gern führen, aber Ihr Artikel ist kein Beitrag dazu.
Nebensächlichkeiten
Lieber TF, es geht doch in dem Blogpost nicht um Impressumspflicht und Fachbegriffe. Das sind doch alles Nebensächlichkeiten. ER
Keine Nebensächlichkeiten
Hallo, nein es sind keine Nebensächlichkeiten. Sie wollen weev ganz selbstverständlich größtenteils für etwas bestraft sehen, für das er in den USA von Verfassungs wegen gar nicht bestraft werden kann. Hate Speech ist dort, anders als bei uns, weitgehend geschützt. Die Grenze bildet Verleumdung (die Prostitutions-Behauptungen) und (leider erst in Anfängen) Cyber-Mobbing. Man muss hier genauer sein und darf nicht alles zusammenwerfen.
Gewiss liegt der Hintergrund der pauschalen Bezeichnung “Cyber-Hetze” darin, dass jegliche Hate Speech schon als Provokation und Ausgangspunkt einer Mobbing-Kette, so wie im Falle von weev, verteufelt werden kann und deswegen unterbunden gehöre. Das mag für manche eine ganz selbstverständliche Schlussfolgerung sein, ist aber eine Grundsatzdebatte um Meinungsfreiheit (!), die die US-Verfassung zugunsten von Hate Speech (oder entsprechend auch im Bereich Kinderpornographie zugunsten von fiktiver u.ä. Pornographie) entschieden hat. Das ist ein fundamentaler Unterschied zur deutschen/europäischen Rechtslage und eine spannende Freiheitsfrage.
Hate Speech
Und was ist Ihr Standpunkt, Herr Fuentes? Finden Sie, dass es richtig ist, Hate Speech von der Meinungsfreiheit decken zu lassen? Dass Kathy Sierra halt Pech hatte bzw. besser daran getan hätte, in ihrer Community weniger erfolgreich zu sein und sich als Frau lieber nicht zu exponieren?
Es gibt hier doch ein Problem – auch und gerade in den USA!
Hate Speech zerstört Biographien, während die, die es verursachen, sich damit profilieren. Hate Speech hilft den Hatern, dass die, die sie als Gegner definieren, aus dem Internet und aus der Öffentlichkeit gedrängt werden. Hate Speech ist ein knallhartes Machtinstrument.
In der Tat, eine spannende Freiheitsfrage, aber die Meinungsfreiheit der Hater ist da wirklich das geringste Problem. Die Freiheit, unserem Gegenüber auf der Straße ins Gesicht zu spucken, haben wir ja schließlich auch nicht. (Ich kann mir allerdings vorstellen, dass manche Leute diese Freiheit gerne hätten.)
Emotionen kann man nicht ernsthaft verbieten
Ja, Hate Speech gehört zwingend zu Meinungsfreiheit. Meinungen sind mit Emotionen verbunden. Versucht man sie abzuwürgen, dezimiert man Meinungsfreiheit, das ist subversive Zensur. Äußerungen der Antifa über Nazis sind Hate Speech. “Soldaten sind Mörder” ist Hate Speech. (Und dieses Zitat ist nur (!) durch eine anmaßende politische Wertung des Verfassungsgerichts als ausnahmsweise zulässig entschieden worden.) So ist aber das Leben; jeder muss es ertragen, dass Andere etwas äußern, was einem in Inhalt oder Art und Weise nicht passt. Was Kathy Sierra erfahren hat, ging über Hate Speech hinaus; ist strafwürdig und strafbar. Sie wurde persönlich bedrängt – durch Mobbing und Drohungen – und konnte sich dem kaum entziehen, selbst wenn sie wollte. Daher hat jeder ein Recht auf Anonymität, und Impressumspflichten und denic-Vorschriften für pobelige “gewerbliche” Kleinblogger sind abzulehnen.
Aber Beleidigung ist verboten, zumindest in Deutschland
Wir müssen ertragen, dass andere – Femen, Schwulenhasser, Nazis – Dinge äußern, die uns in Inhalt oder Art und Weise nicht passen. Aber wir sollten nicht ertragen müssen, persönlich diffamiert, beleidigt und verleumdet zu werden. Die Aussage “Soldaten sind Mörder” ist verfassungsrechtlich zulässig, weil eine Meinungsäußerung über einen Berufsstand; die Aussage “Du, Bundeswehrsoldat, bist ein Mörder” hingegen ist nicht zulässig.
Noch ein Beispiel: Die Aussage “Thank you, Bomber Harris” auf den nackten Körper oder sonstwo hin geschrieben, ist zulässig, auch wenn sie die Dresdner kränkt. Hingegen die Aussage “Anne Helm, die Schlampe” ist nicht zulässig, da eine persönliche Beleidigung.
Sind wir uns da einig?
Dann wäre nur noch zu klären, warum die Leute, die im Internet Anne Helm und andere als Schlampen etc. beschimpfen, nicht strafrechtlich belangt werden.
Um es weiter zu fassen: moderner, phantasievoller und intelligenter Protest ist häufig ...
einfach nur ungezogen.
Femen, Demo gegen Stuttgart 21, Shitstorm gegen wen oder was auch immer, endlich darf man sich mal daneben benehmen. Was man sich gegenüber seinem Nachbarn oder seinem Kollegen niemals erlauben würde, wird zum originellen Protest, und man darf sich auch noch gut dabei fühlen. Den anderen Nerven, Ärgern und Herabwürdigen bis man seinen Willen bekommt, das ersetzt eine Diskussion über richtig und falsch. Das ist nämlich einfacher.
[…] und Hacker Andrew Auernheimer steht ausgerechnet wegen dem Aufdecken einer Sicheheitslücke bei AT&T vor Gericht. Während seine Hetze und Bedrohung gegenüber der ehemaligen Entwicklerin Kathy Sierra ungestraft […]