
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen weiht heute in München die erste Kita der Bundeswehr ein. Es ist gut, dass es diese Kita jetzt gibt. Es ist richtig, dass die Ministerin sich darum bemüht, die Arbeitsbedingungen der Soldaten zu verbessern. Aber es ist grotesk, dass eine Verteidigungsministerin die Familienfreundlichkeit zum zentralen Anliegen der Bundeswehr macht. Von der Leyen will „die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ machen. Das wichtigste Thema sei dabei „die Vereinbarkeit von Dienst und Familie”. Diese Werbebotschaft ist falsch und verlogen.
Tatsächlich muss die Bundeswehr in Zeiten des demographischen Wandels um Nachwuchs werben. Sie konkurriert dabei mit anderen Arbeitgebern. Aber die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber. Wer sich für einen Job bei der Bundeswehr entscheidet, der muss in Kauf nehmen, in den Krieg geschickt zu werden. Die Bundeswehr ist ein Arbeitgeber, der das Töten lehrt, Gehorsam fordert und Feindbilder schafft. Wer Soldat werden will, muss bereit sein, Opfer zu bringen. Im schlimmsten Fall bezahlt er mit dem Leben.
Die Soldaten auf dem oben gezeigten Foto zum Beispiel waren sechs Monate fern der Familie in Baghlan in Afghanistan. Sie haben ihre Zelte mit Staub und Mäusen geteilt. Das Wasser zum Duschen tröpfelte aus einem kleinen Kanister. Internet, Mails oder gar Skype gab es damals in diesem Außenposten nicht. Und immer wieder standen die Soldaten unter Beschuss.
„Es ist eine völlig absurde Extremsituation, in der es für jeden ums Überleben geht. Das kann man nicht üben. Man hofft einfach, dass man da heil wieder herauskommt. Ich war sehr froh, als auch wir Rettungsassistenten zum Maschinengewehr greifen durften. Danach fühlte ich mich nicht mehr so hilflos“, sagt Monika, die Kommandeurin eines beweglichen Arzttrupps damals im Jahr 2010, da waren die ersten Kameraden im Gefecht gefallen. Wer heute bei der Bundeswehr einen Arbeitsvertrag unterschreibt, um Zeit- oder Berufssoldat zu werden, der unterschreibt, dass er unter Umständen in solche Einsätze gehen muss. Einfach mal kündigen geht dann nicht.
In den USA, Frankreich und Großbritannien wird diese Opferbereitschaft mit Anerkennung belohnt. Soldaten, die aus dem Krieg heimkehren, werden als Helden gefeiert, in Militärparaden bestaunt, mit Freikarten für Baseballspiele beschenkt. In Deutschland gibt es keinen Platz für Kriegshelden. Deutschland ist „postheroisch“, wie der Politikwissenschaftler Herfried Münkler sagt. Deshalb tut sich die Bundeswehr so schwer, Nachwuchs zu werben.
Im pazifistischen Nachkriegsdeutschland hat man die Soldaten jahrelang als Brunnenbauer im Flecktarn, die Bundeswehr als Technisches Hilfswerk verkauft. Auslandseinsätze galten als Stabilisierungseinsätze. Ähnlich friedlich warb die Bundeswehr um Nachwuchs. Am Verteidigungsministerium prangte lange das Plakat einer Ärztin in Uniform. Ein Werbespot, in dem die Bundeswehr schießende Soldaten, Panzer und Kampfjets in Top-Gun-Ästhetik zeigte, wurde 2011 nach wenigen Stunden gestoppt.
Als in Afghanistan immer öfter Soldaten töteten und getötet wurden, setzte sich nach und nach ein realistischeres Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit durch. Karl Theodor zu Guttenberg nannte den Einsatz schließlich „Krieg“, machte Frontbesuche und verteilte Tapferkeits- und Gefechtsmedaillen. Das war ein Fortschritt. Das Verhältnis der Deutschen zum Militär schien sich zu normalisieren. Schwierig ist es bis heute.
Es ist nicht leicht, im Spannungsfeld zwischen Verherrlichung (Top-Gun) und Verharmlosung (Brunnenbauer) einen Weg zu finden, für die Bundeswehr zu werben. Der Slogan “Wir.Dienen.Deutschland.” eingeführt vom Amtsvorgänger Thomas de Maizière war ein etwas trutschiger, aber immerhin ehrlicher Versuch. Wenn Ursula von der Leyen nun aber die Vereinbarkeit von Dienst und Familie in den Mittelpunkt stellt, zum zentralen Thema im Verteidigungsministerium macht, dann klingt das wieder verdächtig nach Verharmlosung. Dann lockt sie mit falschen Versprechungen und Erwartungen. Das nutzt weder ihr, noch den Soldaten. Denn wer sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen anwerben lässt, dem wird es bei der Bundeswehr nicht lange gefallen. Abgesehen davon, dass der Verteidigungsministerin ohnehin das nötige Geld fehlt, die Bundeswehr flächendeckend mit Kitas zu versorgen, wäre eine Investition in eine gute Ausrüstung wohl am familienfreundlichsten. Dass die Soldatinnen und Soldaten unversehrt aus dem Einsatz zu zurückkehren, ist für die Familie sicher das wichtigste.