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Krieg ist nicht familienfreundlich

| 46 Lesermeinungen

Über den grotesken Versuch der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Bundeswehr mit mehr Kitas zum attraktivsten Arbeitgeber des Landes zu machen.

© Ulrike DemmerDeutsche Soldaten in Baghlan, Afghanistan

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen weiht heute in München die erste Kita der Bundeswehr ein. Es ist gut, dass es diese Kita jetzt gibt. Es ist richtig, dass die Ministerin sich darum bemüht, die Arbeitsbedingungen der Soldaten zu verbessern. Aber es ist grotesk, dass eine Verteidigungsministerin die Familienfreundlichkeit zum zentralen Anliegen der Bundeswehr macht. Von der Leyen will „die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ machen. Das wichtigste Thema sei dabei „die Vereinbarkeit von Dienst und Familie”. Diese Werbebotschaft ist falsch und verlogen.

Tatsächlich muss die Bundeswehr in Zeiten des demographischen Wandels um Nachwuchs werben. Sie konkurriert dabei mit anderen Arbeitgebern. Aber die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber. Wer sich für einen Job bei der Bundeswehr entscheidet, der muss in Kauf nehmen, in den Krieg geschickt zu werden. Die Bundeswehr ist ein Arbeitgeber, der das Töten lehrt, Gehorsam fordert und Feindbilder schafft. Wer Soldat werden will, muss bereit sein, Opfer zu bringen. Im schlimmsten Fall bezahlt er mit dem Leben.

Die Soldaten auf dem oben gezeigten Foto zum Beispiel waren sechs Monate fern der Familie in Baghlan in Afghanistan. Sie haben ihre Zelte mit Staub und Mäusen geteilt. Das Wasser zum Duschen tröpfelte aus einem kleinen Kanister. Internet, Mails oder gar Skype gab es damals in diesem Außenposten nicht. Und immer wieder standen die Soldaten unter Beschuss.

„Es ist eine völlig absurde Extremsituation, in der es für jeden ums Überleben geht. Das kann man nicht üben. Man hofft einfach, dass man da heil wieder herauskommt. Ich war sehr froh, als auch wir Rettungsassistenten zum Maschinengewehr greifen durften. Danach fühlte ich mich nicht mehr so hilflos“, sagt Monika, die Kommandeurin eines beweglichen Arzttrupps damals im Jahr 2010, da waren die ersten Kameraden im Gefecht gefallen. Wer heute bei der Bundeswehr einen Arbeitsvertrag unterschreibt, um Zeit- oder Berufssoldat zu werden, der unterschreibt, dass er unter Umständen in solche Einsätze gehen muss. Einfach mal kündigen geht dann nicht.

In den USA, Frankreich und Großbritannien wird diese Opferbereitschaft mit Anerkennung belohnt. Soldaten, die aus dem Krieg heimkehren, werden als Helden gefeiert, in Militärparaden bestaunt, mit Freikarten für Baseballspiele beschenkt. In Deutschland gibt es keinen Platz für Kriegshelden. Deutschland ist „postheroisch“, wie der Politikwissenschaftler Herfried Münkler sagt. Deshalb tut sich die Bundeswehr so schwer, Nachwuchs zu werben.

Im pazifistischen Nachkriegsdeutschland hat man die Soldaten jahrelang als Brunnenbauer im Flecktarn, die Bundeswehr als Technisches Hilfswerk verkauft. Auslandseinsätze galten als Stabilisierungseinsätze. Ähnlich friedlich warb die Bundeswehr um Nachwuchs. Am Verteidigungsministerium prangte lange das Plakat einer Ärztin in Uniform. Ein Werbespot, in dem die Bundeswehr schießende Soldaten, Panzer und Kampfjets in Top-Gun-Ästhetik zeigte, wurde 2011 nach wenigen Stunden gestoppt.

Als in Afghanistan immer öfter Soldaten töteten und getötet wurden, setzte sich nach und nach ein realistischeres Bild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit durch. Karl Theodor zu Guttenberg nannte den Einsatz schließlich „Krieg“, machte Frontbesuche und verteilte Tapferkeits- und Gefechtsmedaillen. Das war ein Fortschritt. Das Verhältnis der Deutschen zum Militär schien sich zu normalisieren. Schwierig ist es bis heute.

Es ist nicht leicht, im Spannungsfeld zwischen Verherrlichung (Top-Gun) und Verharmlosung (Brunnenbauer) einen Weg zu finden, für die Bundeswehr zu werben. Der Slogan “Wir.Dienen.Deutschland.” eingeführt vom Amtsvorgänger Thomas de Maizière war ein etwas trutschiger, aber immerhin ehrlicher Versuch. Wenn Ursula von der Leyen nun aber die Vereinbarkeit von Dienst und Familie in den Mittelpunkt stellt, zum zentralen Thema im Verteidigungsministerium macht, dann klingt das wieder verdächtig nach Verharmlosung. Dann lockt sie mit falschen Versprechungen und Erwartungen. Das nutzt weder ihr, noch den Soldaten. Denn wer sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen anwerben lässt, dem wird es bei der Bundeswehr nicht lange gefallen. Abgesehen davon, dass der Verteidigungsministerin ohnehin das nötige Geld fehlt, die Bundeswehr flächendeckend mit Kitas zu versorgen, wäre eine Investition in eine gute Ausrüstung wohl am familienfreundlichsten. Dass die Soldatinnen und Soldaten unversehrt aus dem Einsatz zu zurückkehren, ist für die Familie sicher das wichtigste.

 


46 Lesermeinungen

  1. Graf.Tirpitz sagt:

    Krieg ist natürlich Frauensache
    Diese Frau hat verstanden worauf es ankommt. In BRD zählt eben Kompetenz, man kann es jeden Tag im TV bewundern. Man darf sich bereits jetzt auf sie als zukünftige Bundeskanzlerin freuen. Da steckt doch ein Plan dahinter BRD auszuradieren. CIA, NSA wer steckt dahinter?

  2. jojocw sagt:

    Nachtrag
    … weil man da ja nur Geld verteilen muss. Zu schauen, wie Geld reinkommt, oder besser noch sinnvoll eingesetzt oder gespart wird, das ist eine andere Baustelle.
    Dafür sind nur wenige geeignet.

  3. Alt-Pirat-MW2 sagt:

    Großartig geschrieben...
    …Münkler mit dem “Postheroismus” erwähnt und in jedem Satz den Nagel auf den Kopf getroffen. Dem ist nichts hinzuzufügen – Gratulation!

  4. dwarskopp1944 sagt:

    Geht man der Sache auf den Grund ,
    stellt sich nur eine Frage : Wollen (und können) wir,nachdem unsere eigene pol.-intellekt. Klasse -unter Beifall aller! Medien- unaufhörlich und flächendeckend schon 3Generationen mit der rechtlich und menschlich völlig absurden Kollektivschuldthese beaufschlagt hat, uns in der Welt als identitätsbewußte Gemeinschaft behaupten? Oder ist J.Trittins Mantra(s. FAZ v. 2.5.2005,ohne Widerspruch in den Medien!): “Deutschland verschwindet jedenTag ein bischen mehr, und ich finde es großartig” nicht schon herrschende Meinung geworden!! Dann ist eine Armee in der Tat nicht nur überflüssig sondern kontraproduktiv und wir können uns auch in der Bundeswehr mit mit der zukunftsvergessenen Realisierung des aktuellen individuellen Glücks der Individuen befassen! Davon profitiert zugleich UvdL am meisten!!

  5. markosu sagt:

    Nein, Frau Demmer,
    es ist ganz und gar nicht grotesk, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen. Krieg ist tatsächlich nicht familienfreundlich, aber in einer zivilisierten Gesellschaft ist der Waffendienst die Grundlage von Frieden, nicht von Zerstörung. Deutsche Soldaten führen seit Jahrzehnten keine Angriffskriege mehr, sondern Verteidigungskämpfe gegen einige der übelsten Genossen unserer Zeit. Wenn sich ein deutscher Soldat von seiner Familie verabschiedet und sich zum Training oder zum Einsatz meldet, dann braucht er noch mehr als jeder Durchschnittsbürger die Sicherheit, dass für seine Familie gesorgt wird.
    Bei allem Respekt für Ihre pazifistische Haltung, es gibt noch viele militärische Baustellen auf der Welt (Sie würden nur ungern im Boko-Haram-Nigeria leben und dort Ihre Kolumne schreiben, oder?), und es sollte auch in Zukunft “attraktiv” sein, für Freiheit und Fortschritt auch mit Waffen zu kämpfen und nicht nur mit Blogs.

    • ulrikedemmer sagt:

      Titel eingeben
      Lieber Marko Süssdachs, Sie haben mich missverstanden. Ich habe nicht geschrieben, dass es grotesk ist, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen. Ich glaube nur, dass es nicht die Familienfreundlichkeit sein sollte, mit der die Bundeswehr für ihre Attraktivität wirbt. Die Verteidigungsministerin sollte definieren, wofür die Bundeswehr gebraucht wird und dann mit dem Markenkern werben. Welcher auch immer das dann sein mag. Die Familienfreundlichkeit wird es sicher nicht sein. Trotzdem darf die Bundeswehr natürlich gerne alles daran setzen möglichst familienfreundlich zu sein.

  6. Pham_Nuwen sagt:

    Für mehr Ehrlichkeit
    Eine Kita in München? Das bringt der großen Mehrheit der Soldaten, die aus Gründen der Wirtschaftsförderung in Mini-Standorten über die ganze Republik verstreut sind, natürlich viel.

    Nunja, wie der Autor herausgestellt hat, hat die Bundeswehr ganz andere Probleme.

    Es gibt kein stringentes, strategisches Ziel, das erreicht werden soll. Wofür genau steht die Bundeswehr 2014, 2020, 2030? Für die reine Landesverteidigung jedenfalls schon lange nicht mehr.

    Das wird kaum kommuniziert – weder nach innen, noch nach außen. Der Bürger könnte die Truppe ja für einen imperialistischen Vorschlaghammer halten. Dabei wird jeder Einsatz zum Tanz auf der Rasierklinge. Irgendwie will man die geopolitischen Interessen ja doch wahrnehmen, nur am besten so, dass man an einem militärischen Einsatz nie “selbst schuld” ist …

    Demotivation bei den Soldaten und mangelnder Rückhalt in der Bevölkerung sind das Resultat. Und was die Verbündeten von diesem Rumgeeiere halten, kann sich jeder ausmalen.

    Nein, Kitas sind nur Kosmetik, die Bundeswehr braucht mehr Ehrlichkeit.

  7. Stefan_T24 sagt:

    Bundeswehr als Finanzier für die Selbstverwirklichungsträume von zukünftigen Müttern?
    Denn genau darauf scheint es hinauszulaufen. Man will keine Soldatinnen, man will gesicherte, verhältnismäßig hohe Einkommen, dazu finanziertes Studium, und das alles – mit Abfindung in fünfstelliger Höhe. Der Tagesspiegel hatte dazu vor fast 2 Monaten einen Artikel veröffentlicht, dessen eigentliche Intention die sein sollte, dass man ja auf die böse Männerwelt in der Bundeswehr hinweisen wollte, die ja Frauen so böse unterdrückt. Unabhängig vom Verhalten des Vorgesetzten hat die Frau Folgendes getan:

    A) Sie hatte bei der BW studiert
    B) Sie sollte danach in einen Auslandseinsatz geschickt werden und wurde – zufälligerweise – zu genau diesem Zeitpunkt schwanger
    C) Sie hatte ihrem Vorgesetzten dann noch – aus “Angst” – die Schwangerschaft verschwiegen und hatte dann
    D) Ihren Vorgesetzten vor allen Angehörigen angeschwärzt, nur um sich dann von der in der Kompanie befindlichen Ärztin
    E) dienstuntauglich schreiben zu lassen aufgrund der Schwangerschaft, sich dann
    F) an die nächsthöhere Instanz gewendet, um dem Vorgesetzten noch einen reinzuwürden und
    G) unter einem falschen Namen im Artikel noch die ganze Geschichte breitzutreten.

    Quelle:
    https://www.tagesspiegel.de/politik/frauen-bei-der-bundeswehr-allein-unter-kerlen/9654106.html

    KiTa für die Bundeswehr? Teilzeitkriegerin ohne je in den Außeneinsatz zu müssen? All das scheint ja Deutschland zu bieten…

  8. AntonMarionette sagt:

    "Mami, Mami, für welche Wirtschaftsinteressen hast Du heute getötet?"
    “Karl Theodor zu Guttenberg nannte den Einsatz schließlich „Krieg“”

    Diese Aussage des FAZ-Artikels ist falsch und sollte zeitnah korrigiert werden. Guttenberg sagte wortwörtlich: “…kann man umgangssprachlich von Krieg reden…”. Würde die Regierung nämlich tatsächlich von einem ´Krieg´, i.e. einem Verteidigungsfall reden, dann ergeben sich erhebliche Änderungen im politischen Ablauf, Merkel würde die Befehlsgewalt übernehmen müssen, Bürgerrechte könnten eingeschränkt werden und Wahlperioden würden verlängert.

    Neben dem Umbau unserer Verteididigungsstreitkräfte zu einer reinen Söldnerarmee und den ganzen Lügen um Auslandseinsätze zum Schutze Deutschlands oder dem Abschuss des Bundespräsidenten, der die wirtschaftlichen Interessen als Zielobjekt der Bundeswehr nannte, sollte man die obige Bevölkerungstäuschung ruhig auch benennen.

    • Luckner sagt:

      Karl Theodor zu Guttenberg hat bloß die Nerven verloren ...
      … weil seine Töchter ihn den ganzen Sommer über gelöchert haben “Papi, bewaffneter Konflikt ich bitte noch ein Eis?” Und da hat er den beiden gesagt, man könne, umgangssprachlich, auch schon mal von “krieg” reden.

      Bundespräsident Köhler ist nicht “abgeschossen” worden, er ist zurückgetreten. Und zwar deshalb, weil er etwas gesagt hat, das ganz klar und sogar fast wörtlich so, wie er es gesagt hat, z.B. in sämtlichen Weißbüchern des Bundesministeriums der Verteidigung veröffentlicht worden ist, seit es die überhaupt gibt: Deutschland ist vom Handel abhängig, wir brauchen Rohstoffe und Nahrungsmittel aus allen Teilen der Welt, und wir liefern dafür unsere Güter in alle Welt. Wie alle anderen Staaten auf dieser Erde hat die Bundesrepublik Deutschland wirtschaftliche Interessen, und wegen der Import- und Exportabhängigkeit ist das vor allem ein Interesse an freien Handelswegen. Nicht zuletzt genau deswegen kreuzen unsere Fregatten vor Somalia. Und alle sind über ihn hergefallen wegen dieser Äußerungen, vorneweg die Presse – und Ihr Beitrag hat auch schon im Titel so einen Anklang, als wenn es auch aus Ihrer Sicht unmoralisch sein könnte, daß unser Staat wirtschaftliche Interessen verfolgt wie die, daß wir, die Staatsbürger, genug zu essen haben und Arbeit. Da ist Köhler zurückgetreten, um auf diese Weise zu erreichen, daß sich die Kritik allein gegen ihn persönlich richtet und nicht gegen den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Daß sein unmittelbarer Nachfolger das Amt dann aus dem Stand so geführt und in die Grütze gefahren hat, daß binnen kürzester Zeit ernsthafte Diskussionen über die Abschaffung der Funktion des Bundespräsidenten geführt worden sind, und vor dem Berliner Amtssitz des Präsidenten protestiert wurde, war dann eine Ironie der Geschichte.

  9. heinzkessler sagt:

    Eklatante Fehlbesetzung!
    Diese Dame auf dem Posten ist gelinde ausgedrückt eine Katastrophe.
    Ich wünsche dieser Frau einmal einen Tag – ein halber reicht schon – im Gefecht unter Beschuss der Taliban und unmittelbar danach ein Interview vor Fernsehkameras. Mal sehen, wass dann als wichtig für deutsche Soldaten erachtet wird.

  10. Descartes77 sagt:

    Nein, Krieg ist nicht Frieden.
    Man muss unsere Kriegsministerin leider noch mehr enttaeuschen:

    Nein, Krieg ist nicht Frieden.

    Auch nicht in der Ukraine und gegen den poesen Russen.

    Auch wenn sie es bei Orwell noch so oft gelesen haben mag!

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