
Ja, sie ist stärker denn je, die Sehnsucht nach Heimat und Lokalkolorit, nach Geborgenheit und Zugehörigkeit, nach Verbindlichkeit und Stetigkeit. Ja, wir leben in einer kosmopolitischen Welt, in der die Grenzen verschwimmen, und ja, das kann verwirrend sein. Wenn nun ein einfacher Mann sich hinstellt und in die Welt hinausschreit, dass er sich mit Leib und Seele der Heimat verschrieben hat, dann wirkt das wie ein Befreiungsschlag.
Didi Schweiger, auch Bananen-Didi genannt, ist in München eine Berühmtheit. Er ist Obst- und Gemüsehändler. Seit dreißig Jahren, sechs Tage die Woche, dreizehn Stunden am Tag steht er hinter seinem fünf Meter langen, blau-weiß gestreiften Stand, direkt an der Leopoldstraße, zwischen Universität und Siegestor, nur wenige Meter vom Englischen Garten entfernt. Er ist braun gebrannt, spricht einen markanten bayerischen Dialekt und ist ein richtiger „Gaudibursch“.
Didi hat nichts gemein mit Fassbinders Hans Epp, dem „Händler der Vier Jahreszeiten“, der widerwillig seinem Gewerbe nachgeht, seine Frau schlägt und mit dem Schicksal hadert. Didi liebt seinen Beruf. Für einen Stammkunden holt er die FAZ hinter der imposanten Waage hervor, einem anderen reicht er eine Marille für die „Gnädigste“, eine hübsche Studentin wird mit Nüssen versorgt. „Bei mir gibt es alles, außer Drogen und Prostituierte“, verkündet er nicht ohne Stolz. „Er ist einfach cool“, sagt eine ältere Dame, „wenn ich bei ihm einkaufe, bekomme ich sofort gute Laune.“ Angeblich wird er sogar mit Karl Valentin verglichen, weil er den Leuten immer wieder „einen Bären aufbindet“. Wenn Touristen ihn etwa fragen, wo der Englische Garten sei, dann antwortet er: „Der Englische Garten ist heute geschlossen, weil der Tierpark Hellabrunn eine große Elefanten- und Krokodil-Show veranstaltet. Eintrittskarten für zehn Euro gibt’s natürlich bei mir am Stand zu kaufen.“
Didi ist Hauptdarsteller des weltweit ersten Imagefilms für ein Kleinstunternehmen. Er heißt: „S’Leben is a Freid“. Man sieht darin den stets gut gelaunten Sprücheklopfer, wie er Obstkisten über die Straße trägt, während aus dem Off eine sonore Stimme verkündet: „Unsere Logistik ist stets ganzheitlich, zeitgemäß und zuverlässig.“ Und als Didi herzhaft in einen Apfel beißt, hören wir: „Leistung fängt bei uns mit der individuellen Qualitätskontrolle an.“ Eine Ironisierung der gängigen Marketingphrasen also. Und so etwas findet Anklang. Der Film hat nicht nur den Deutschen Webvideopreis gewonnen, auf YouTube wurde er inzwischen über 250.000 Mal aufgerufen.
Es ist nicht schwer, Didi zu beschreiben – und schwer, ihn nicht zu mögen. Er erfüllt spielend jedes Klischee eines „Münchner Buas“. Seine Maß trinkt er am liebsten bei Blasmusik am Chinesischen Turm. Sein „Mordsappetit auf die Damenwelt“ hat ihn zu einem routinierten Charmeur gemacht. Lederhosen trägt er natürlich nicht nur auf dem Oktoberfest, sondern das ganze Jahr über. Überhaupt, die Wiesn, die ist sein Revier, aber auch das P1, wo sich „die aufgetakelten Madeln wie auf einem Laufsteg präsentieren“. Und wenn er finanziell die Möglichkeit hätte, würde er als großer 60er Fan das ehrwürdige Grünwalder Stadion ausbauen.
Didis Welt ist eine Welt, in der die Dinge einfach sind. Da gibt es Münchner: „A richtiga Münchner muaß in München geboren sein, muaß Boarisch redn, muaß wattn und schafkopfa kenna, da boarische Nationalhymne singa, an Kini respektieren, über de boarische Kultur und Geschichte Bescheid wissen. Ja, des is für mi a richtiger Münchner.“ Und es gibt Zugereiste: „‘I bin a echta Münchner‘, sagn vui, de in München leben, an Lodnmantel vom Loden-Frey ohobn und mit am Dackl durchn Englischn Gartn rennan. Doch wenn’s dann an Mund aufmacha, merkt man’s sofort: Auwehzwick, a Zuagroaßta. Schon wieda oana“.
Wie anziehend ist diese Welt, in der die Dinge einfach, die Zugehörigkeiten klar, die Werte vorgegeben sind. Eine Welt der ehrlichen, harten Arbeit, der Lebensfreude und des Patriotismus. Eine Welt, in der alle glücklich sind. Aber als ich vor ihm stehe, lachend, mit frischen Erdbeeren und einer Tüte Kirschen in der Hand, da sagt Bananen-Didi diesen einen Satz, den ich lieber überhört hätte: „Schön sauber hier, keine Ausländer.“