
Es gibt Themen, die – wie die Quote – immer wieder aufleben. Mit jeder Renaissance wächst der Beifall. Dass die Quote kein Allheilmittel der Geschlechtergerechtigkeit ist, weiß jede und jeder. Sie ist ein Instrument neben anderen. Der besondere Vorzug einer durch Gesetz eingeführten Quote wäre die Erkenntnis, dass der Gesetzgeber den Gleichstellungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes ernst nimmt. Auch würde mit dem Gesetz eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass Frauen nicht erst die Nützlichkeit ihres politischen Engagements dartun müssen. Wer hätte je Männer mit einer solchen Frage konfrontiert?
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Rechtsgrundlage. Aber es greift zu kurz, wenn nur für Vorstände und Aufsichtsräte in Unternehmen eine Quote gesetzlich eingeführt würde. Will das Parlament und die Bundesregierung glaubwürdig sein, muss sie eine Quote hinsichtlich aller mit Macht und Prestige verbundenen Positionen vorsehen.
Die Frauen haben in der Demokratie ein selbstverständliches Anrecht auf Teilhabe an politischer und wirtschaftlicher Macht. Sie müssen nicht erst Goethes Sentenz unter Beweis stellen, dass der Umgang mit Frauen das Element guter Sitten sei. Sollte die steigende Zahl von weiblichen Führungskräften tatsächlich verfeinernd auf die Machtspiele der Männer wirken, so wäre das eine erfreuliche Nebenfolge der Präsenz von Frauen. Diese Wirkung ist aber keine notwendige Rechtfertigung für deren Aufstieg. Das Gleiche gilt für die Annahme, dass geschlechtlich durchmischte Kollegenschaften erfolgreicher arbeiteten. Wenn das den für die Personalauswahl Verantwortlichen die Wahl von Frauen erleichtert, ist das ein Anlass zur Freude, nur taugt auch diese Annahme nicht als Rechtfertigungsmuster. Einen Vorteil gilt es dagegen als unmittelbar beabsichtigt hervorzuheben, dass nämlich die Quote die politische Phantasie mobilisiert, wie Frauen auf ihrem Weg an die Spitze gefördert werden können.
Die Ängste des männlichen Geschlechts voraus bedenkend, sollte die Quote sowohl zu Gunsten der Frauen als auch der Männer formuliert werden. Denn wenn sich die allenthalben zu beobachtende Intelligenz und zunehmende Sachkunde der Frauen herumspricht, könnte eines Tages das starke Geschlecht das Nachsehen haben. Die Behauptung jedenfalls, dass es an kompetenten Frauen fehle, widerspricht den Erfahrungstatsachen, die eine hohe Qualifikation und Leistungsbereitschaft der Frauen belegen.
Dass das weibliche Geschlecht in den höheren Rängen der Politik und Wirtschaft äußerst gering vertreten ist, liegt nicht an seinem fehlenden Sachverstand oder Arbeitsvermögen. Wir begegnen auch hier der in anderen Berufen zu beobachtenden Neigung, bei der Auswahl von Kollegen Angehörige der eigenen sozialen Gruppe zu bevorzugen, in denen sich die Entscheider selbst widerspiegeln. Auch Personalchefs und diejenigen, die das politische Personal rekrutieren, pflegen bei der Frage, wen sie einstellen und fördern sollen, gern jemanden zu wählen, der ihnen – d.h. ihrem projizierten Selbstbild – am meisten ähnelt. Sie benachteiligen die Frauen, weil sie diesen weder Leistungs- noch Durchhaltevermögen zutrauen.
Die Frage, ob Frauen so viel wie Männer können, kann jedenfalls heute nicht mehr ernsthaft gestellt werden. Bei dieser törichten Frage verweisen Amerikanische Feministinnen gern auf das Tanzpaar Ginger Rogers und Fred Astaire. Bekanntlich wurde Fred Astaire als der große Tänzer gefeiert. Doch Ginger Roger konnte alles ebenso gut wie er. Nur konnte sie es sogar rückwärts und auf Stöckelschuhen!
Wenn sich die Bundesrepublik Deutschland nicht ein weiteres Mal von der Europäischen Union frauenpolitisch überholen lassen will, muss sie – dem Beispiel anderer europäischer Staaten folgend – eine gesetzlich verbindliche Frauenquote einführen. Sowohl der Vertrag von Lissabon wie Art. 23 der Charta der Grundrechte fordern, die Gleichheit von Frauen und Männern in der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts sicherzustellen. Die Charta sagt überdies ausdrücklich, dass der Gleichheitssatz nicht Vorschriften entgegensteht, die das unterrepräsentierte Geschlecht begünstigen.
Laut dem von der Weltbank ermittelten „Global Gender Gap Index“ liegt Deutschland auf dem 12. Platz im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern, die stets auf einem der vordersten Plätze zu finden sind. Die Bundesrepublik Deutschland, die in der Wirtschaft so überaus erfolgreich ist, sollte sich gegenüber ihren Frauen nicht lumpen lassen. Sie sollte sich das Schlüsselprinzip der Schweden zu Kopfe nehmen, dass die Geschlechtergleichheit Grundlage für eine gerechte und demokratische Gesellschaft ist.