Ich. Heute. 10 vor 8.

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Frauen schreiben. Politisch, poetisch, polemisch. Montag, Mittwoch, Freitag.

Haben Sie schonmal über Botox nachgedacht?

| 6 Lesermeinungen

Dieses Jahr bin ich 33 Jahre alt geworden. Kurz darauf las ich in drei verschiedenen Interviews mit Schauspielerinnen meines Alters, ob Altern denn jetzt ein Thema sei. Bei der Frage kann man nur verlieren.

© Stuart Crawford,CC BY-NC-SA 3.0Würde man Sean Connery jemals diese Frage stellen?

Emma Watson hat vor den Vereinten Nationen über Emanzipation gesprochen. Gut gesprochen. Der Kern ihrer Rede war, dass Emanzipation nicht nur Frauen etwas angehe, sondern den Männern auch zugute käme. Emanzipation. Alle reden darüber, alle sind pc-mäßig dafür, aber gibt es nicht alltägliche Kleinigkeiten, bei denen Frauen ein Rollenbild erfüllen, das nicht nur überholt ist, sondern auch nicht weiblich im eigentlichen, neu gedeuteten Sinne? Und das Männer genauso angeht?

Ich denke da an zwei Sachen. Die Stimme. Was ist denn mit den Stimmen los? Unzählige Frauen quaken und kieksen, als wären sie acht Jahre alt. Machen sich durch ihre Stimme niedlich. Das ist unnötig, das nervt, das wirkt nicht niedlich, sondern unsouverän und dumm. Aber dazu ein andermal.

An was denke ich noch? Dieses Jahr bin ich 33 Jahre alt geworden. Kurz darauf las ich in drei verschiedenen Interviews mit Schauspielerinnen meines Alters, ob Altern denn jetzt ein Thema sei. Ich hielt inne. Hm. Altern. Bei der Frage kann man nur verlieren. Denn sie zielt klar auf das, wovor wir Frauen alle Angst haben sollen: Das Ticken der biologischen Uhr, die Falten, das Ende des Begehrtwerdens.

Altern ist für mich ein Thema, seitdem ich ungefähr vier Jahre alt bin. Ich war vier, wurde aber bald fünf, meine Mutter hatte auch schon wieder Geburtstag, wir wurden alle ständig, in jeder Sekunde, älter und würden irgendwann sterben. Das erschien mir aber als der beruhigende Lauf der Dinge.

Für mich selber ist also das Altern nur im Gesamtkontext des Werdens und Vergehens von Bedeutung. Es sollte mich aber, so wird mir immer wieder suggeriert, beunruhigen. Gerade als Frau, erst recht als Schauspielerin.

Ich warte auf den Tag, an dem mich eine Maskenbildnerin fragt, ob ich es schon mal mit Botox probiert hätte. Botox will den deutschen Markt erobern und den Frauen hierzulande muss nur klar gemacht werden, dass sie durch Botox nicht eine andere werden sollen, sondern sie selber bleiben, nur fünf Jahre jünger, das sagt Paul Navarre, Chef des Botox-Herstellers Allergan.

Ich habe dagegen eine instinktive Abneigung. Ich finde diese glatten Gesichter zum einen seltsam. Ich will einen Menschen erkennen und nicht verkennen. Zum anderen finde ich grotesk, dass Muskeln in meinem Gesicht gelähmt werden sollen. Was macht das denn mit meiner Psyche, wenn ein Impuls nicht ausgeführt werden kann, ist das nicht frustrierend? Gerade als Frau, erst recht als Schauspielerin.

Was wollen wir also im Gesicht einer Frau nicht sehen? Lebenserfahrung, Zorn und Kummer sind anscheinend unweiblich.

Es geht nicht darum, erkannt und geliebt zu werden. Es geht darum, weiterhin begehrt zu sein. Von Männern, die sich über ihre eigene Sterblichkeit keine Gedanken machen wollen.

Vielleicht sollten wir uns alle, Männer wie Frauen, fragen, was dieser Wettlauf soll. Warum will man begehrt werden? Muss man dieses Spiel mitspielen, in dem man selbst und die eigenen Leistungen zur Ware werden? Sollten wir uns nicht Frauen, und als deren idealisierte Vertreterinnen, Schauspielerinnen wünschen, die ihr Gesicht nicht zur Werbefläche machen, ihren Körper nicht mit Diäten und zu viel Sport quälen? Die autonom, mit starken Schultern und vollen Stimmen Präsenz zeigen? Was würde das mit uns machen, wenn diese Art von Frauen Projektionsfläche wären?

Denn was, andersherum gefragt, erwarten wir von diesen schmalen, zarten Frauen, die wir alterslos auf der Leinwand bewundern, und damit implizit von uns selber? Dass sie rennen, dieser Lauf aber keine Spuren hinterlässt. Dass sie essen, aber nicht dick werden. Dass sie atmen, ihre Stimme aber trotzdem nicht weit trägt. Ist das Gleichberechtigung? Ich habe da so meine Zweifel.


6 Lesermeinungen

  1. ThorHa sagt:

    Du liebes Bisschen! Haben Sie schon einmal über Ungerechtigkeit nachgedacht?
    Die gegen Männer, meine ich? Dem Ton dieses Klageliedchens folgend, was könnten Männer nicht alles schreiben. Über den Sexismus in der Werbung – überall gebräunte und geölte Männerkörper mit perfekten Muskeln und Knackärschen. Über den Sexismus der Weiber, wenn sie jung sind – dieses Hecheln nach den Wikinger- oder Delon-Typen, die Missachtung der armen, ernsthaften, vergeistigten Brilenträger. Über die fehlende Gleichberechtigung bei der Konkurrenz Charme versus Intellekt. Über … ach, ich geb´s auf.

    Noch ist dieses MiMiMi Frauensache. Das ändert sich gerade, womit uns vermutlich noch mehr Wehklagen dieser Tonlage erreichen werden. Liebe ist ungerecht, Sex ist noch ungerechter, Attraktivität wechselt mit dem historischen Zeitgeist. Und nichts, was wir schreiben oder tun, wird daran im Grunde etwas ändern. Ändern wird sich nur, wo genau die Ungerechtigkeit gerade zuschlägt. Bei Frauen wie bei Männern!

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Anna Brüggemann sagt:

      Nun ja, ich sage ja: Es ist Zeit, das Wettkampfdenken zu hinterfragen. Der Sexismus in der Werbung bzgl. gestählter, geölter Männerkörper ist mir längst aufgefallen. Und daß es seit geraumer Zeit nicht nur idiotische Frauenzeitschriften gibt, sondern die Männermagazine nachziehen, ist ebenfalls augenfällig. Das alles entspringt der selben Geisteshaltung: Das eigene Selbst als Ware. Liebe allerdings würde ich da ausklammern, zumindest so, wie ich sie verstehe und erlebt habe. Viel Glück!

    • ThorHa sagt:

      Wettkampfdenken? Hinterfragen? Warum hinterfragen wir nicht gleich die Konstruktion des Menschen?
      Denn der wird immer Gründe finden, warum er X gegenüber Y bevorzugt. Und diese Bevorzugung verdichtet sich dann je nach Jahrhundert und Region anders in Sexismen aller Art. Dagegen anzukämpfen erscheint – mir zumindest – völlig sinnlos, weil man im günstigsten Falle den einen Sexismus gegen einen anderen austauschen kann, mehr nicht.

      Danke für das “Viel Glück”, war nur nicht nötig, mir geht´s ziemlich gut :-).

      Gruss,
      Thorsten Haupts

  2. Querida sagt:

    Stark und gefaerlich?
    Es ist schon immer so gewesen, das eine Frau die stark und vollstimmig im Leben steht nicht unbedingt populaer ist. Selbst heute nicht. Das ist aber kein Grund, dem Botox zu verfallen, wie Anna Brueggemann ganz richtig und mit Witz diskutiert. Hier in Canada ist diese Diskussion auch actif, was ich interessant finde ist die Beziehung zu dem grossen Rahmen. Sterben werden wir alle, und anscheinend will niemand es tun. Wir haben alle Angst davor und das allerschlimmste ist eben, das man als alte Person nicht mehr ‘da’ ist. Botox kann da auch nichts machen, und ‘ewige Jugend’ ist ein Traum. Wir wussten schon immer das man eigentlich jung sterben sollte, und viele Kuenstler, rock stars usw haben das auch getan. Eventuell weil sie kein Botox hatten? Ernstlich: in unserer Welt kann man klein beigeben und sich ‘botoxieren’ lassen. Oder man kann authentisch leben und gute Blogs schreiben. Gut gebruellt, Anna!

  3. andreanire sagt:

    Von einem Klichee ins andere.
    Das Schlimmste oder Langweiligste an Ihrem Artikel ist ja, dass Sie einfach nur ein neues Klichee aufmachen. Dass Frauen mit schmaler Figur Diät und zu viel Sport machen, dass scheinbar alterslose Frauen sich Botoxen, dass helle Stimmen eine Frage der Entscheidung sind, und dass dies alles von solchen Frauen bewusst gemacht wird um : Tatata! Den Männern zu gefallen. Ich bin schlank und kann essen was ich will. Stellen Sie sich das mal vor. Das kommt vor. Und ich habe nicht die Blicke der Männer leid, sondern die von Frauen wie Ihnen, die einem quasi unterstellen nicht emanzipiert zu sein und gefallen zu wollen. Ich habe es nicht satt, wie Männer einen heute haben wollen, sondern vielmehr was Frauen von Frauen wollen. Ihr Frauenbild ist alt und überholt, werden sie doch alt wie Sie wollen, aber lassen Sie die andern doch auch sein wie Sie sind. Emma Watson entspricht übrigens visuell und auditiv genau ihrem Klichee einer Frau, die man heute in Ihren Augen nicht sein soll.
    Es geht doch vielmehr darum, diese Geschlechterunterschiede nicht ständig neu zu definieren, neue Ideale zu streuen, wie wer sein muss, sondern die Leute einfach mal zu lassen wie sie sind. Auch die Frauen, die einen auf Barbie machen, weil sie das so wollen, genau wie einige Homosexuelle, die das genauso mögen. Wenn man heute über Frauenrechte über Emanzipation und Gleichberechtigung reden möchte, dann doch bitte nicht über solche Lapalien wie Botox oder nicht Botox, und den ewigen Dauerbrenner wie schlank darf/muss eine Frau für einen Mann/eine Frau sein.
    Man sollte hier über Gleichbezahlung von Männern und Frauen reden, über die Frauenquote ggf. und in anderen Ländern über noch viel wichtigere, grundsätzlichere Sachen, wie Recht auf Bildung usw.
    Diesen Diskurs so vorsinflutlich und äußerlich aufzurollen, wie Sie das hier machen, schadet der Ernsthaftigkeit, Aktualität und Wichtigkeit des Themas.

    • Anna Brüggemann sagt:

      Nun ja, ich entspreche ja selber ungefähr einem Bild Frau, gegen das ich Ihrer Meinung nach anschreibe. Unangenehme, Dämlichkeit unterstellende Blicke von anderen Geschlechtsgenossinnen kenne ich, allerdings selten und dann von Frauen, die Emanzipation als Orientierungsraster benutzen. Wer nicht emanzipiert ist, ist doof. Das meine ich aber nicht. Mir fiel auf, auch anhand von Emma Watson, daß über Emanzipation gesprochen wird und gleichzeitig ein System am Laufen gehalten wird, daß eine absurde Unnatürlichkeit von Frauen fordert. Aber ich meine nicht, daß Männer wie Frauen sich nicht an ihrer Attraktivität erfreuen sollen. Im Gegenteil, ich wäre dafür, damit endlich mal anzufangen.

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